Samstag, 23. März 2019

Jenseits der Blogroll - 03/2019


Das letzte Wochenende des Monats ist schon wieder erreicht und damit ist es Zeit für den Lesestoff des Monats. Musik/Literatur/Kunst ist dieses Mal weniger, dafür umso mehr über Essen. Muss mit der momentan grassierenden Fastenzeit zusammenhängen. Obwohl ich mir außer einem mehrwöchigen, nicht religiös motivierten Alkoholverzicht gar keinen Zwang anzutun pflege, diesbezügliche Phantomschmerzen also ausscheiden. Außerdem bin ich katholisch sozialisiert, daher sind mir alle Hintertürchen bestens vertraut (Flüssiges bricht das Fasten nicht, auch Tiere, die ertränkt wurden, gehen als Fische durch etc.). Seltsam.

Politik. Magdalena Taube über die Frage, ob Skandinavien noch immer das bessere Europa ist.

Was täten junge weiße Gören ohne alte weiße Männer? Fragt Lisa Eckhart und knöpft sich unter anderem Sophie Passmann et al. vor.

"Was genau ist die Schuld dieser alten weißen Männer? Dass sie nicht springen, wenn der Feminismus pfeift. […] Laut Pressetext des Buches sei [Sophie] Passmann eine jener »Frauen, die stolz, laut und selbstbestimmt sind«. Attribute, welche leicht in »überheblich, vorlaut und selbstgerecht« kippen. Passmann ist darin nicht allein. Die Riege junger, weißer Gören heißt zum Glück nicht Legion, aber zumindest Legionelle."


Erfrischend.

Die Schriftstellerin Emma Braslavsky über NGOs. Wer an die Moral appelliert und dabei die Kralle aufhält, macht sich hochgradig verdächtig, wie edel der Zweck auch immer sein mag. Es wird Zeit, NGOs von ihrem hohen Sockel zu holen.

Es gibt, man lese und staune, eine Gruppe gegen migrantische Weinerlichkeit. Die heißt wirklich so, hat das Buch 'Freiheit ist keine Metapher' herausgegeben und wendet sich gegen die Neigung mancher Autorinn/en mit Migrationshintergrund, ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen für allgemeingültig auszugeben. Wie etwa in den Buch von Fatma Aydemir und Hengameh Yagoobifarah herausgegebenen Band 'Eure Heimat ist unser Alptraum'. Derartige Debatten sind meiner Meinung nach wirklich spannend, weil ich glaube, dass sich erst wirklich was ändert zum Besseren, wenn die hiesige Mehrheitsgesellschaft aus Biodeutschen ihre Überfremdungsängste und ihren Erziehungsanspruch zeitweise runterschluckt, mal die Klappe hält und darauf vertraut, dass auch Migrantinn/en erwachsene Leute sind, die diskutieren und ihre Belange verhandeln können

Kultur. Michael Bittner fordert: Rettet die Eckkneipe! Schafft zwei, drei, viele Stammtische!

Christian Baron über seinen früh verstorbenen Vater. Für Akademiker aus proletarischem Elternhaus, die als erste aus der Familie studieren konnten, scheint es spätestens seit Didier Eribon das ganz heiße Ding zu sein, mit dieser Herkunft öffentlich zu hadern. Auch Baron macht da keine Ausnahme. Trotzdem berührend.

Kultur. John Lütten hält öffentlich vorgetragene rebellische Pose in der Popkultur überwiegend für Bauernfängerei. Ich auch. 

Wiglaf Droste: Nachts, wenn der Küchenchef kommt. Wünschenswert bis gruselig.

Essen. Nils Binnberg über zwanghaftes solches. Es gibt ja diese Hypothese, nach der das Bohei ums Essen bei einigen Menschen Teile jener Leerstelle eingenommen hat, die einst Glaube und Religion vorbehalten war. Wenn das so ist, dann ist es durchaus bedauerlich, dass die Kirchen so an Bedeutung verlieren. Weil diejenigen, die sich berufen sehen, anderen ungefragt das rechte, gottgefällige Leben beizubiegen, daher früher hauptberuflich Prediger und Missionare geworden wären, sich heute andere Jobs suchen müssen. Und so beschränken Schlaubi-Schlümpfe mit zwanghaftem Offenbarungsdrang ihr Wirken nicht mehr auf Kanzeln und Weltgegenden mit unbekehrter Bevölkerung (wo es sie dann schon mal final erwischt), sondern gehen einem immer und überall auf den Eumel. Nils Binnberg ist so einer, der besser Prediger geworden wäre. Hat seine Umwelt nach eigenem Bekenntnis jahrelang mit seinem schweren Ernährungstick genervt. Dann aber kam die Erkenntnis über ihn, wie falsch das war. Und, was macht er? Ist er fortan stickum und wird ein besserer, will heißen: dezenterer Mensch? Nein, er schreibt ein Buch über sein Saulus-Paulus-Erlebnis und nervt weiter herum. Was lernen wir daraus? An seinem Essverhalten mag sich was geändert haben, an seinem eigentlichen Problem nicht.

In den ehemaligen k.u.k.-Ländern scheint anständiges Essen noch einen andern Stellenwert zu haben. Ein von einem Koch in der Pfanne gebratenes Schnitzel mit Beilagen, dazu mehrere Humpen guten Bieres in einer jener rollenden, als 'BordRestaurant' geführten Beutelaufwärmstationen der Deutschen Bahn AG? Guter Witz! Im Speisewagen des tschechischen EuroCity offenbar völlig normal. Seufz.

Ferdinand Dyck kocht in der Spülmaschine. Wer‘s unbedingt ausprobieren will... Spoiler alert: Als einigermaßen erfahrener Hobbykoch weiß man, dass 65° C nicht ausreichen, um Karotten weich zu bekommen. 

Nina Mackert: Wie die Kalorie im späten 19. Jahrhundert erfunden wurde und im 20. zur Maßeinheit individuellen Scheiterns wurde. Lehrreich.

Immer wieder gern gelesen: Udo Pollmer im Interview über Abnehmen und Ernährungsmythen. Und das Magazin, in dem das Interview erscheint, propagiert genau das, worüber Pollmer sich lustig macht.

So, Rezept. Vegan dieses Mal. Auf dem indischen Subkontinent versteht man sich darauf. Daher Meera Sodhas Rezept für Kartoffel-Spinat-Curry (Saag Aloo). Die Aubergine kann übrigens ersatzlos weggelassen werden.




3 Kommentare :

  1. ... Danke für den Pollmer!

    Gruß
    Jens

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  2. ... Seit eben schon - wird ein interessantes Thema. Bin anscheinend im richtigen Alter für sowas.
    Danke für den Tipp.

    Jens

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