Die Fundstücke und Leseempfehlungen des Monats. Viel Spaß beim Vermehren der gewonnenen Erkenntnisse.
Politik, Corona & all that jazz. Onkel Michael sieht sich genötigt noch einmal über Impfungen zu reden. Auch wenn der Hals schon wehtut.
"Wenn man sich aus freier Entscheidung heraus dafür entscheidet, unsolidarisch zu sein und sich nicht impfen zu lassen, und dann Einschränkungen beim Besuch von in Kauf nehmen muss, dann ist das eben nicht das Gleiche, wie die Judenverfolgung im Dritten Reich und jeder, der sich eines solchen Vergleiches bedient, sollte sich ernsthafte Gedanken über seinen Charakter machen." (Onkel Michael, a.a.O.)
Micky Beisenherz über Kabul.
Bernd Rheinberg über Deutschland in der Ära Merkel, der "Kanzlerin der sozialen Kälte" (Nymoen/Schmitt)
"Wichtige Themen zu beschweigen, darin war die Merkel-Regierung die ganzen Jahre stark. Man druckst lieber rum, statt Positionen offensiv zu vertreten. [...] Aber daran ist nicht nur die Regierung schuld. Große Teile der Bevölkerung sind ergriffen von bodenloser Sentimentalität, einem parareligiösen Moralismus und dauernden Betroffenheitsdiskursen. Die Regierung hat dieser Tendenz einen Bürokratismus hinzugesetzt, um sich politischer Verantwortung entziehen zu können. Das ist in Deutschland die neue normative Kraft des Faktischen." (Rheinberg, a.a.O.)
Ich meine, die CDU mal irgendwann als Partei der Alten Säcke bezeichnet und das nicht nur demographisch gemeint zu haben. An den Reaktionen auf das jüngste Rezo-Video, an dem man stilistisch zwar rumkritteln, das man inhaltlich aber durchaus ernst nehmen kann, zeigt sich wieder einmal, wie frappierend wenig Alte Säcke aus der Geschichte seit 1968 gelernt haben. Blauhaariger Rotzlöffel, der mal was arbeiten und die Klappe halten soll, harr harr. Könnte sich dieses Mal ernsthaft rächen.
Mythen und Fakten zu 'Ehrenmorden'.
Günter Ermlich mit einer Reportage über die Emscher-Renaturierung. Niemand, der bis in die Siebziger die damals noch weitgehend ungeklärte Emscher gesehen und vor allem gerochen hat, wird sich das Gefühl tiefer Dankbarkeit über dieses Mammutprojekt verkneifen können, das zum ersten mal auf der IBA 1989 vorgestellt wurde.
Kultur, Gesellschaft, Gedöns. Heike-Melba Fendel über ihr Leben in einer Autofahrergesellschaft. Pünktlich zur Verkehrswende. Erwähnte ich schon, dass ich kluge Frauen, also welche, die Klugheit, Esprit und Gewitztheit nicht verwechseln mit Theorien im Kopf haben und dazu noch über einen Funken Humor verfügen, tendenziell hot finde? Ups, ja, tat ich.
Ich weiß, er hasst es, verlinkt zu werden, aber maschinists Reisereportage über Transnistrien hat mich wieder daran erinnert, warum der in meinem Feedreader unter 'Literatur' eingeordnet ist.
Ein schönes Interview mit Hanna Mittelstädt, der Mitbegründerin des Hamburger Verlages Edition Nautilus.
Marion von Haaren über ihre aus Pommern geflüchtete Mutter und ihren eigenen Umgang mit dieser Vergangenheit.
Heuer jährt der Todestag des großen Loriot sich zum zehnten Male. Wiewohl es der Größe seines Oeuvres keinen Abbruch tut, wirft es auch die eine oder andere berechtigte Frage auf:
"Wir haben Amnesty International, wir haben Terre des hommes, wir haben Ärzte gegen den Atomkrieg. Wer greift eigentlich ein, wenn jemand im Restaurant 40 Minuten lang unheimlich gut Loriot-Sketche nacherzählen kann?" (Harald Schmidt)
Musik. Einst fluteten Labels wie Decca und EMI den Markt mit CD-Einspielungen von Chormusik. Meist gesungen von (semiprofessionellen) britischen College-Chören. Die waren zwar stimmlich recht gut, aber sobald die etwas anderes sangen als Englisch, konnte man die Wände hochgehen. Absolut alles, auch lateinische Texte, wurde gnadenlos und schmerzfrei mit breitestem Akzent gesungen. Das lag daran, dass die Soprane und meist auch die Alti Knaben waren - zu jung und zu wenig Zeit für gründliches Aussprachetraining neben den Gesangsproben. Das hat sich inzwischen geändert. 'The Sixteen' und 'Voces8' aus dem UK sind zwei der feinsten (professionellen) Vokalensembles überhaupt. Mit einer Sprachkultur zum Niederknien. Und dann singen sie auch noch Rheinbergers 'Abendlied'. Gänsehaut!
(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)
Sport. In der extensiven Trauer um Gerd Müller drückt sich auch eine Sehnsucht nach einer untergegangenen Fußballkultur aus, findet Johannes Kopp.
Essen, trinken, gutes Leben. Michael Herl über Currywurst und 'Spaghetti Bolognese'.
Essen, trinken, gutes Leben. Michael Herl über Currywurst und 'Spaghetti Bolognese'.
"Tumbdeutsch »Bolo« genannt. Gemeint ist eine rotbraune, geschmacksverstärkte Quaddelfleischsoße auf einem Berg Nudeln, die man sich in der Warmhaltewanne selbst ausstechen muss. Das ist eine anmaßende Unverschämtheit, eine Ohrfeige für die bolognesische Küchenkunst“ (Herl, a.a.O.)
Einerseits ist das nicht unzutreffend, andererseits muss dringend die deutschnationale Brille abgenommen werden. So zelebriert man auf den Britischen Inseln und in Australien etwas, das 'Spag Bol' genannt wird und auch so schmeckt. Bekannte aus den Niederlanden pflegten Spaghetti eine gute halbe Stunde lang zu einem schnittfesten Batz zu verkochen, den sie dann in Scheiben schnitten und genüsslich mit Erdnussbutter und/oder Ketjap Manis (süßer Sojasauce) sowie Sweet Chili-Sauce vertilgten. Die im Beitrag ebenfalls erwähnte VW-Currywurst (Teile-Nr. 199 398 500 A) ist nicht repräsentativ, sondern baba. In exakt zwei Ecken Deutschlands gibt es ordentliche Currywurst: in Berlin und im Ruhrpott. Niemand käme dort auf die Idee, eine Bockwurst in die Fritte zu schmeißen, das salzige, knorzelige, halbverkohlte Etwas dann mit Ketchup zu übergießen und allen Ernstes als Currywurst feilzubieten.
Apropos Currywurst: Die kulinarische Legasthenie deutscher Bundeskanzler ist in der Tat deprimierend. Aus der von Jacob Strobel y Serra zu recht so genannten Riege aus "Kettenrauchern, Kostverächtern und Currywurstvertilgern" (plus Kartoffelsuppenstampferinnen) ragen nur zwei Ausnahmen heraus: Der Rheinländer Konrad Adenauer mit seiner Vorliebe für hochklassige, edelsüße rheinische Tropfen und der gargantueske Helmut Kohl, ein Gourmand vor dem Herrn, der den Pfälzer Saumagen weltberühmt machte. Letzterer ist mitnichten ein Arme-Leute-Essen, sondern was Feines, das sich einst nicht jeder leisten konnte.
So wurde einst im Flieger getafelt. Macht die Generation easyJet sich ja kein Bild von.
Das Rezept. Was Einfaches und Schnelles dieses Mal. Von den Kochgenossen. Eine maximal abgespeckte Variante des klassischen, aufwändigeren Poulet à l’estragon. Wir brauchen: Idealerweise Pollo fino (ausgelöste Hähnchenschenkel, gibt es meist im türkischen Supermarkt), möglichst frischen (französischen) Estragon, Schuss Noilly Prat oder besser Dolin (meine Empfehlung), Sahne, Salz und Pfeffer, das war‘s schon. Zubereitung nach Anleitung. Mit Bandnudeln oder Baguette servieren.
Man kann das auch abwandeln in Richtung des ebenfalls klassischen Lapin au moutarde. Weniger Estragon verwenden, etwas Knoblauch, Weißwein statt Wermut zum ablöschen, groben Dijon-Senf, etwas Honig und Crème fraiche und man hat Poulet au moutarde (kleiner Tipp: braten und garen Sie ein paar ganze gepellte Schalotten mit, quasi als Gemüseeinlage). Ebenfalls Bandnudeln oder Baguette dazu. Oder Pommes de terres Sarladaises.
Einerseits ist das nicht unzutreffend, andererseits muss dringend die deutschnationale Brille abgenommen werden. So zelebriert man auf den Britischen Inseln und in Australien etwas, das 'Spag Bol' genannt wird und auch so schmeckt. Bekannte aus den Niederlanden pflegten Spaghetti eine gute halbe Stunde lang zu einem schnittfesten Batz zu verkochen, den sie dann in Scheiben schnitten und genüsslich mit Erdnussbutter und/oder Ketjap Manis (süßer Sojasauce) sowie Sweet Chili-Sauce vertilgten. Die im Beitrag ebenfalls erwähnte VW-Currywurst (Teile-Nr. 199 398 500 A) ist nicht repräsentativ, sondern baba. In exakt zwei Ecken Deutschlands gibt es ordentliche Currywurst: in Berlin und im Ruhrpott. Niemand käme dort auf die Idee, eine Bockwurst in die Fritte zu schmeißen, das salzige, knorzelige, halbverkohlte Etwas dann mit Ketchup zu übergießen und allen Ernstes als Currywurst feilzubieten.
Apropos Currywurst: Die kulinarische Legasthenie deutscher Bundeskanzler ist in der Tat deprimierend. Aus der von Jacob Strobel y Serra zu recht so genannten Riege aus "Kettenrauchern, Kostverächtern und Currywurstvertilgern" (plus Kartoffelsuppenstampferinnen) ragen nur zwei Ausnahmen heraus: Der Rheinländer Konrad Adenauer mit seiner Vorliebe für hochklassige, edelsüße rheinische Tropfen und der gargantueske Helmut Kohl, ein Gourmand vor dem Herrn, der den Pfälzer Saumagen weltberühmt machte. Letzterer ist mitnichten ein Arme-Leute-Essen, sondern was Feines, das sich einst nicht jeder leisten konnte.
So wurde einst im Flieger getafelt. Macht die Generation easyJet sich ja kein Bild von.
Das Rezept. Was Einfaches und Schnelles dieses Mal. Von den Kochgenossen. Eine maximal abgespeckte Variante des klassischen, aufwändigeren Poulet à l’estragon. Wir brauchen: Idealerweise Pollo fino (ausgelöste Hähnchenschenkel, gibt es meist im türkischen Supermarkt), möglichst frischen (französischen) Estragon, Schuss Noilly Prat oder besser Dolin (meine Empfehlung), Sahne, Salz und Pfeffer, das war‘s schon. Zubereitung nach Anleitung. Mit Bandnudeln oder Baguette servieren.
Man kann das auch abwandeln in Richtung des ebenfalls klassischen Lapin au moutarde. Weniger Estragon verwenden, etwas Knoblauch, Weißwein statt Wermut zum ablöschen, groben Dijon-Senf, etwas Honig und Crème fraiche und man hat Poulet au moutarde (kleiner Tipp: braten und garen Sie ein paar ganze gepellte Schalotten mit, quasi als Gemüseeinlage). Ebenfalls Bandnudeln oder Baguette dazu. Oder Pommes de terres Sarladaises.
Wenn jemand von "solidarisch" faselt, hat das einen ähnlichen Effekt, wie ein Glottisschlag.
AntwortenLöschenMarc bzw Maschinist aus Haiti ist dagegen wie immer köstlich zu lesen.
Wenn jemand von "solidarisch" faselt" -- träumen Sie weiter, o mein Superepidemiologe und Freiheitsheld! Aber nicht nach dem Staat schreien, wenn man sich Long Covid fängt, ja?
LöschenDass du nun ausgerechnet Rheinbergers "Abendlied" hier reinsetzt, eins meiner absoluten favorites, als ich noch im Chor gesungen habe... Moment, ick hab da was im Auge
AntwortenLöschenOh, war mir ein Vergnügen. Gehört auch zu meinen absoluten favourites im Repertoire.
LöschenNach der neuen indonesischen Rechtschreibungsreform von 1972 wird das "Kecap manis" geschrieben.
AntwortenLöschenKann sich die ehm. Besatzungsmacht auch mal merken. 😉
Fred
Sorry, Annika, keine Fragen zum Privatleben in der Kommentarspalte. Nicht persönlich nehmen.
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