Die Links und Fundstücke des Monats. Mein Lieblingsbonmot zum grassierenden Wahlkampf, für das ich leider keine Quelle habe, lautet übrigens: "Bei der medialen Kampagne gegen Armin Laschet wurde schwerstes Geschütz aufgefahren: Man hat ihm Aufmerksamkeit geschenkt und ihn ausreden lassen." -- Erinnert ein wenig an Pispers' Diktum zu Beginn des Milleniums, als er sagte, der beste Weg, die damals Noch nicht-Kanzlerin Angela Merkel zu beleidigen, sei, sie wörtlich zu zitieren. Oder an die endlosen Verunglimpfungen, mit denen sich einst an der Tapsigkeit und Tumbheit eines Helmut Kohl abgearbeitet wurde. Und, wer war hinterher 16 Jahre lang Kanzler? Röchtööög! Also Obacht.
Mehr Politik. Neben dem Bundestagswahlkampf war der Abzug des Westens aus Afghanistan ein großes Thema in letzter Zeit. Drei Einschätzungen, die entstanden sind, nachdem der erste Staub sich gelegt hatte:
Georg Seeßlen deutet den Abzug als Indiz für den Niedergang der westlichen Demokratie.
Herfried Münkler widerspricht der gängigen Denkweise.
"Offensichtlich ging es dem Westen in Afghanistan nicht wesentlich um wirtschaftliche oder geopolitische Interessen, wie einige Kritiker des Einsatzes gemeint haben. Sonst hätte man sich nicht so ohne Weiteres zum Rückzug entschlossen. [...] Die Entscheidung zum Truppenabzug war die Entscheidung, Afghanistan aufzugeben. Das hätte man kaum getan, wenn man sich den Zugriff auf die dortigen Bodenschätze hätte sichern oder das Land am Hindukusch als Bastion einer geopolitischen Kontrolle Zentralasiens hätte ausbauen wollen." (Münkler, a.a.O.)
Und Adam Tooze plädiert für die Legalisierung des Opiumanbaus.
Michael Jüger mit acht Thesen zur Entwicklung der Grünen.
Ludwig Greven zieht eine Bilanz der Ära Merkel. Zentrales 'Verdienst' der scheidenden Kanzlerin sei, das politische Gespräch im wesentlichen beendet zu haben.
Alexander Harder und Benjamin Opratko analysieren die momentane Legitimitätskrise des Staates im Hinblick auf ihren Klassencharakter und stellen die Frage, was für Konsequenzen das für linke Politik haben kann.
Kultur, Gesellschaft, Gedöns. Der Historiker Valentin Groebner im Interview über die Frage, warum Urlaub uns oft unzufrieden zurücklässt.
"Ferien sind Verzweiflung am Alltag, als Belohnung verpackt." (Groebner, a.a.O.)
Wenn es etwas gibt, das den amerikanischen Verbündeten jenseits des Teiches einen gewissen Restcharme verleiht, dann ihr trotzig-stoffeliges Festhalten an den alten 'imperialen' Maßeinheiten. Ähnliches muss man sich auch bei der vom notorischen Premier Johnson geleiteten britischen Regierung gedacht haben, als man beschloss, die alten Einheiten wieder einzuführen. Was überwiegend eh Quatsch ist. Außer dass Benzin und Diesel nicht in Gallonen, sondern in Litern verkauft werden, werden Entfernungen weiterhin in Meilen, Gewicht in Pfund bzw. Stone, Höhen in Fuß angegeben und Bier und Milch in Pints verabfolgt. Allein auf Verkaufsverpackungen muss noch die metrische Angabe in Liter/Milliliter und in Gramm bzw. Kilogramm aufgedruckt sein. Aber auf den Gläsern im Pub wird wieder die symbolische Krone als Zeichen für das Imperiale Pint prangen. Na denn.
Interessant ja, dass sich in Kontinentaleuropa nach der Französischen Revolution nach und nach zwar die neuen, naturwissenschaftlich hergeleiteten metrischen Einheiten durchgesetzt haben, die dezimale Zeitmessung mit zehn Wochentagen zu jeweils zehn Stunden mit je 100 Minuten à 100 Sekunden hingegen irgendwie nicht. Philipp Brandstädter weiß:
"Die Bevölkerung kam auf den Trichter, dass sie nun an neun Tagen in der Woche arbeiten musste. Also wurde der republikanische Kalender ein paar Jahre nach seiner Einführung wieder abgeschafft." (Brandstädter, a.a.O.)
Die Französische Revolution war halt vor allem eine bourgeoise Revolution.
Schon hier und da woanders verlinkt, aber hier gern noch einmal: Eine Erinnerung an Chlodwig Poth (1930-2004), den großen Anthropologen Frankfurts.
Musik. Sagte ich eben "Restcharme"? Eine tiefschürfende Analyse des alten Twisted Sister-Videos 'We're Not Gonna Take It'. Eat this:
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Sport. BVB-Fan Malte Dürr und Bayern-Fan Tobias Polzig über die Frage, wie sehr Bayern- und BVB-Fans sich hassen.
"Für mich gibt es verschiedene Typen von Bayern-Fans. Die Ultras von der Schickeria finde ich gut. Die Aufarbeitung der Historie und das Gedenken an Kurt Landauer sind vorbildlich. Mein Feindbild ist eher der Facharbeiter aus der hessischen Provinz, der sein Einfamilienhaus samt Carport hat und im Garten seinen Webergrill pflegt. Einmal im Jahr fährt er, natürlich im Karohemd, mit seinen zwei Kindern zum Spiel, lässt dort ein paar hundert Euro und sieht ein 5:0 gegen Wolfsburg. Dann erzählt er monatelang stolz in seinem Dorf herum, wie grandios das gewesen ist. ." (Dürr, a.a.O.)
Essen, Trinken, gutes Leben. Rainer Balcerowiak über Fonds. Seinem Verriss der Weinschorle, resp. des 'Gespritzten' muss hingegen entschieden widersprochen werden. In den von ihm zitierten Weinanbaugebieten, in denen Wein sowohl selbstverständliches Alltagsgetränk als auch Genussmittel ist, findet man nach meiner Erfahrung absolut nichts dabei, einen einfachen aber soliden Schoppen auch mal mit Selters zu verdünnen und wie Bier gegen den Durst zu trinken. Erfunden haben es angeblich die Alten Römer oder Geheym=Rath Göthe:
Das Wasser allein macht stumm,
das beweisen im Wasser die Fische,
Der Wein allein macht dumm,
das beweisen die Herren am Tische,
Daher, um keines von beiden zu sein,
trink' ich Wasser vermischt mit Wein.
"Für mich gibt es verschiedene Typen von Bayern-Fans. Die Ultras von der Schickeria finde ich gut. Die Aufarbeitung der Historie und das Gedenken an Kurt Landauer sind vorbildlich. Mein Feindbild ist eher der Facharbeiter aus der hessischen Provinz, der sein Einfamilienhaus samt Carport hat und im Garten seinen Webergrill pflegt. Einmal im Jahr fährt er, natürlich im Karohemd, mit seinen zwei Kindern zum Spiel, lässt dort ein paar hundert Euro und sieht ein 5:0 gegen Wolfsburg. Dann erzählt er monatelang stolz in seinem Dorf herum, wie grandios das gewesen ist. ." (Dürr, a.a.O.)
Essen, Trinken, gutes Leben. Rainer Balcerowiak über Fonds. Seinem Verriss der Weinschorle, resp. des 'Gespritzten' muss hingegen entschieden widersprochen werden. In den von ihm zitierten Weinanbaugebieten, in denen Wein sowohl selbstverständliches Alltagsgetränk als auch Genussmittel ist, findet man nach meiner Erfahrung absolut nichts dabei, einen einfachen aber soliden Schoppen auch mal mit Selters zu verdünnen und wie Bier gegen den Durst zu trinken. Erfunden haben es angeblich die Alten Römer oder Geheym=Rath Göthe:
Das Wasser allein macht stumm,
das beweisen im Wasser die Fische,
Der Wein allein macht dumm,
das beweisen die Herren am Tische,
Daher, um keines von beiden zu sein,
trink' ich Wasser vermischt mit Wein.
Dem taz-Kolumnisten Adrian Schulz verdanke ich den Tipp, mir mal das Splendido-Magazin anzusehen. Habe ich getan. Vielen Dank dafür. Damit sind die Höflichkeiten aber auch beendet. Sein sonstiges Schaffen bleibt mir fremd. Ein woker Millenial halt, der irgendwie alles, was ihm seltsam erscheint und was er nicht versteht, auf eine penetrante Kleinemädchen-Art iiihhh! findet. bzw. als Ekelfraß für toxische alte weiße Männer denunziert. Nun gut, wenn es der Hebung des Egos dienlich ist, bitte sehr. Nur so viel: Die Schnurre, dass feingekutterte Wurstwaren grundsätzlich eklig seien und 'Müll' enthielten, ist Blödsinn. Von einem Schlachttier wird bis auf den Darminhalt alles verwendet, da gibt es keinen Müll. Auch das Blut geht in die Wurst (Fun fact: Blutwurst gilt als älteste überlieferte Wurstsorte). Sogar der Mageninhalt von Rindern kann noch als Tierfutter verwertet werden. Wenn Sie einen Freund fürs Leben wollen, geben Sie einem Hund mal (unter freiem Himmel!) grünen, d.h. ungereinigten Pansen zu fressen - der übelste Kampfköter wird Sie auf der Stelle inniglich lieben.
Zum Rezept. Ein belegtes Baguette diesmal.
"Waaas? Ein Rezept für ein belegtes Baguette? Was kommt als nächstes? Ein Rezept für Tütensuppe?" -- "Hey, gar keine schlechte Idee, warum eigentlich nicht?".
Zum Rezept. Ein belegtes Baguette diesmal.
"Waaas? Ein Rezept für ein belegtes Baguette? Was kommt als nächstes? Ein Rezept für Tütensuppe?" -- "Hey, gar keine schlechte Idee, warum eigentlich nicht?".
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Zurück zum Baguette. Pan bagnat heißt das Corpus delicti. Angeblich traditionell provenzalisch. Mit so was kriegt man mich ja zuweilen, auch wenn es absolut nicht traditionell ist, sondern erst letzten Monat von ein paar Produktentwicklern zusammengebrasselt, einer Clique Controllern kostenoptimiert und einer Meute Marketingfuzzis auf traditionell getrimmt wurde. Was soll's, das hier sieht trotzdem lecker aus. Aufgeschnittenes, mit Knoblauch und Olivenöl behandeltes Baguette, Thunfisch vom Besten, Sardellen, gekochtes Ei, Tomaten, Oliven, Basilikum (für mich darf es gern auch noch ein Klecks Piment d'Espelette sein). Eine Art Salade niçoise auf Brot quasi. Mit einem kühlen Rosé sicher ein Träumchen. Schade nur, dass der Sommer vorbei ist.
Mir hat mal ein Arzt erklärt, die Kohlensäure in der Weißweinschorle (das Wort benutzt man allerdings nie in Weinanbaugebieten) würde die Aufnahme des Alkohols ins Blut beschleunigen. Wir mischen hier Wein und Wasser im Verhältnis 4:1.
AntwortenLöschenKlar, Sekt knallt ja auch schneller. So wie Bier mit Strohhalm.
LöschenIch weiß nicht ob es hier wirklich passt, aber diese hübsche Besprechung eines "Einfache Leute"-Krimis mit Lino Ventura wollte ich gerne mal verlinken: https://dienachtderlebendentexte.wordpress.com/2021/09/18/tatort-paris/
AntwortenLöschenGern. Danke.
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