Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Samstag, 25. Mai 2013
Oh selige Burschenherrlichkeit!
Grundsätzlich steht es jedem Verein frei, zu entscheiden, wer als Mitglied aufgenommen wird und wer nicht. Wenn der gesellschaftliche Mainstream sich dreht, kann es schon einmal schwierig werden. Dann stehen sich verfassungsmäßig verankerte Grundsätze („Niemand darf aufgrund … benachteiligt werden.“) und vereinsrechtliche Statuten entgegen („Der Verein für bekloppte Barttrachten Botzenburg e.V. von 1951 steht jedem männlichen Bartträger offen, der...“). Die Wiener Philharmoniker zum Beispiel, die kein öffentlich-rechtliches Orchester sind, sondern ein privater Verein, haben sich bis 1997 geweigert, Frauen aufzunehmen. Letztlich war das nicht mehr zu halten. Festzuhalten bleibt, dass es nicht zwingend Diskriminierung sein muss, wenn ein Verein einem die Mitgliedschaft verwehrt.
Studentenverbindungen waren nie so meins. Die paar Schlaglichter, die ich damals mitbekommen habe, reichten völlig, um mir den ganzen Zauber nur wenig verlockend erscheinen zu lassen. Vor dem Audimax hing immer das Semesterprogramm der örtlichen Verbindung aus und wirkte auf mich wie eine Aneinanderreihung organisierter Besäufnisse. Manchmal waren sogar Damen zugelassen. Huiii!, willkommen im ausgehenden 20. Jahrhundert, dachte ich. Dann hatte ich einmal das Vergnügen, mich auf einer Geburtstagsfeier mit jemandem zu unterhalten, der in einer schlagenden Verbindung war. Um es kurz zu machen: Was die Gestaltung der deutschen Grenzen anging, sind wir, trotz mehrerer Versuche, auf keinen Nenner gekommen. Und schließlich erzählte eine Freundin mal, wie sie von einem Farben tragenden Ex-Freund (der Ausrutscher ist inzwischen verjährt) als Dame auf eine Veranstaltung ins Verbindungshaus mitgeschleppt wurde und zu vorgerückter Stunde ein besoffener Bundesbruder anbot, ihr mal den Wichsraum zu zeigen. Es dauerte Tage, bis die Ärmste sich von dem Lachanfall wieder erholt hatte.
Meinethalben sollen sie Brauchtum pflegen, wenn's denn unbedingt der Pflege bedarf, und, ja, von mir aus sollen sie stolz auf Deutschland sein, auch wenn ich das ums Verrecken nicht nachvollziehen kann. Dazu, mit heller Haut innerhalb eines bestimmten Landstrichs auf die Welt gekommen zu sein, habe ich nichts beigetragen, es ist nichts als eine Laune der Natur. Darum irgendein Brimborium zu machen oder gar Stolz zu empfinden darüber, ist daher aus meiner Sicht mindestens genauso ballaballa wie, das um ein dreifarbig eingefärbtes Stück Stoff zu tun. Oder um eine mit dem Thema des langsamen Satzes aus Haydns Kaiserquartett unterlegte Strophe eines Gedichts Hoffmanns von Fallersleben. Oder auch, es für ein Zeichen von Mannbarkeit zu halten, sich mittels scharfer Blankwaffen nach strengen Ritualen gegenseitig die Fresse zu zersäbeln. Nun habe ich erst mal kein Problem mit Patrioten, nur weil ich selbst keiner bin. So lange Patriotismus nicht auf Ausgrenzung und ethnisch herbeiphantasiertes Überlegenheitsgehabe hinausläuft, soll's mir egal sein. Nur bin ich noch bislang noch kaum jemandem begegnet, der sich als deutscher Patriot oder als national eingestellt bezeichnet, der nicht irgendwann angefangen hätte, was von Deutsche zuerst! zu faseln.
Da scheint man bei der Deutschen Burschenschaft bzw. der Wiener Teutonia, die gerade deren Vorsitz hat, anderer Meinung zu sein. Die Herren Studiosi sehen sich als verfolgte Minderheit und fordern unter anderem, Antigermanismus und Deutschenfeindlichkeit stärker in den wissenschaftlichen Fokus zu nehmen. Das mündete dann in der Spitzenleistung, von Neumitgliedern allen Ernstes eine Art Ariernachweis zu fordern (was man mittlerweile wieder zurück gezogen hat). Auch sonst scheint man sich alle Mühe zu geben, dem Bild zu entsprechen, das unter anderem Heinrich Mann und Kurt Tucholsky von solchen Veranstaltungen gezeichnet haben. Mir ist natürlich bewusst, dass Burschenschaften nicht repräsentativ sind für Studentenverbindungen und dass die Deutsche Burschenschaft gerade mal ein halbes Promill der in Verbindungen organisierten Studenten in Deutschland ausmacht. Man sollte den Einfluss dieser völkischen Knalldeppen also weiß Gott nicht überschätzen.
Eines will mir aber nicht in den Kopf: Wenn der Rest der organisierten Studentenschaft sich für gesellschaftlich relevant hält oder für immer noch zeitgemäß, warum jagen sie diese völkischen Dödel dann nicht dorthin, wo sie hingehören, nämlich wenn schon nicht in die Wüste, dann wenigstens vom Hof? Wie können sie es ertragen, mit so was in einem Topf zu landen? Tradition? Also bitte, mit dem bloßen Verweis auf Tradition lässt sich noch der größte Schwachsinn trefflich begründen. Eigentlich gibt es nur eine logische Erklärung, warum man solche Schritte noch nicht unternommen hat: Das Gedankengut, das in den Reihen der Deutschen Burschenschaft gepflegt wird, genießt unter Chargierten weit mehr Sympathie als man allgemein eingestehen mag. Das, und nicht die bräunlich müffelnde Vereinsmeierei eines kleinen Haufens Gestriger, sollte zu denken geben.
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