Freitag, 28. Februar 2014

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (3)


Es ist schon eine Weile her, da sind hier zwei Beiträge (1, 2) erschienen, in denen ich meiner Fassungslosigkeit Ausdruck verlieh, in die einige Erscheinungen der modernen Konsumgesellschaft auch den diesbezüglich schon recht abgestumpften Zeitgenossen noch zu stürzen vermögen. Das funktioniert aber auch von der anderen Seite her. Man könnte sagen, wer die Menschen derart schamlos für dumm verkaufe und sie derart plump um ihr Bares ankobere, bekomme am Ende auch die Kunden, die er verdiene. Nicht vergessen werden sollte aber auch, dass es leider das in der Regel schlecht entlohnte Verkaufspersonal ist, das diesen Schlamassel am Ende nicht selten ausbaden muss, obwohl es am wenigsten dafür kann.

Gemeinhin heißt es ja, Männer, bei denen der liebe Gott bei weniger als einem Meter siebzig das Wachstum für beendet erklärt hat, hätten es oft ganz besonders nötig. Vor ein paar Wochen begegnete ich so einer Zierde unseres Geschlechts, als ich in der hiesigen Filiale eines großen Multimediaverramschers einen jungfräulichen USB-Stick besorgen wollte. Dann kam er, eine um einen Kopf größere weibliche Begleitung am Händchen wie an der Leine hinter sich herschleifend. Ob sie wohl schon ihr Häufchen gemacht hatte?

Schätzungsweise einsachtundsechzig groß, kahle, signalrot leuchtende Murmel mit Stiernacken, um die Fresse einen Fotzenbart wie Stromberg und einen Gang am Leibe wie ein Cowboy, dem man das Pferd geklaut hat. Seine Jacke, Verzeihung: seine Kutte, wies ihn als Mitglied einer jener Motorradvereine aus, die überregional aktiv sind, mit ihren bröddelnden Moppeds friedlichen Mitmenschen den Sonntag volllärmen und in der Vergangenheit schon des Öfteren die Staatsgewalt auf der Bude hatten. Er griff sich einen Verkäufer, den er ungefragt duzte und als "Kollege" ansprach, wobei er eine nicht mehr eingeschweißte DVD schwenkte. Er wolle sie umtauschen, weil der "Kollege", dem er sie geschenkt habe, sie bereits hätte und er selbst sich so eine "Scheiße" nicht ansähe. Überdies habe er ja ein vierzehntägiges Rückgaberecht und die Quittung, die habe er auch. Der Verkäufer antwortete höflich, das ginge leider nicht, weil die DVD nicht mehr eingeschweißt sei. Quittung hin oder her, er könne da nichts machen, es täte ihm wirklich leid. Wenn sie hingegen beschädigt sei oder nicht funktionstüchtig, dann bekäme er selbstverständlich sofort Ersatz.

Da war der hinterhältige Betrüger aber an den Falschen geraten, denn jetzt zeigte Django ihm mal so richtig, wo der Bartel den Most holt: Er drohte abwechselnd mit seinem Anwalt (der, nebenbei bemerkt, eine weithin unbekannte Variante des BGB studiert haben muss, sollte er den Fall annehmen) und seinen voll gefährlichen Kumpels vom Zweiradverein. Um seiner eigenen Gefährlichkeit Nachdruck zu verleihen, piekte er dem Verkäufer mehrmals mit dem Zeigefinger aufs Brustbein und bölkte: "Ich kenne meine Rechte, Kollege! Wir sehen uns noch! Man sieht sich immer zwei Mal!" Auch der knapp zwei Meter große, in branchentypisches Schwarz gekleidete und schwer nach Kampfsport aussehende Securitymann, der herbeigerufen worden war, um dem unzivilisierten Giftzwerg freundlich aber bestimmt das Verlassen des Ladens nahezulegen, bekam seinen Zorn zu spüren ("Ich weiß, wo du wohnst, mein Freund! Du kannst dich schon mal freuen. Du kriegst bald Besuch!"). Überflüssig zu sagen, dass die Sicherheitsfachkraft eher mäßig beeindruckt wirkte.

Nach einigem weiteren Hin und Her verließ er dann unter absurden Drohungen und haltlosen Spekulationen über das Intimleben der Mitarbeiter den Ort des Geschehens. Harter Kerl, der er war, vergaß er auch nicht, seine dumm aus der Wäsche guckende Begleitung roh am Arm zu packen. Vielleicht hatte er ja bemerkt, dass immer mehr Kunden anfingen, hörbar zu kichern. Oder ihm war eingefallen, dass er noch dringend zum Baumarkt musste, um ein paar Betonplatten und Eisenstangen einzukaufen. Fürs Abendessen.

Warum ich das erzähle? Zum einen, weil Kollege gnaddrig mich auf die Idee gebracht hat. Zum anderen, weil ich's einfach nicht packe. Ich bin alles andere als ein Prinzipienreiter und es mag von mir aus auch arrogant klingen, aber was zum Teufel ist so schwierig daran, zu kapieren, dass so etwas wie ein gesetzlich verbrieftes Umtauschrecht so wenig existiert wie ein grundsätzliches vierzehntägiges Rückgaberecht? Hat der Kerl nie Schallplatten verschenkt damals? Auf dem Planeten, auf dem ich groß geworden bin, wusste jeder picklige Teenager mit Taschengeld, dass man Tonträger nur eingeschweißt oder versiegelt umtauschen kann.

Man kann auch nicht behaupten, dass er irgendwie unfreundlich behandelt worden wäre. Im Gegenteil, sowohl der Verkäufer als auch der Bouncer agierten mit aller gebotenen Höflich- und Sachlichkeit. Und das, obwohl so ziemlich jeder Anwesende Verständnis gehabt haben dürfte, wenn sie anders gehandelt hätten. Gut möglich, dass sogar allgemeiner Applaus aufgebrandet wäre, wenn Karate Kid dem Brüllaffen ein paar wohldosierte Links-rechts-Kombinationen verpasst und ihn anschließend im hohen Bogen hinausbefördert hätte.

Weil es mir gelungen war, einen Blick auf das Corpus Delicti zu erhaschen und ich es nicht allzu eilig hatte, nahm ich mir die Zeit, um mal nachzusehen, worum da eigentlich so hitzig debattiert worden war. Die DVD war ein Filmklassiker aus dem Angebot für weniger als fünf Euro. Grundgütiger!

Letztens erschien in der 'Zeit' eine Kolumne von Susanne Mayer über die Unfähigkeit von Männern, würdevoll zu scheitern bzw. über ihre staunenswerte Fähigkeit, im Falle des Scheiterns erst recht so zu tun, als seien sie die Größten. Ich hatte das Stück kurz vor diesem kleinen Erlebnis gelesen und mich geärgert. Schon wieder so ein Gegreine über die Männer an sich und überhaupt, dachte ich. Frau Mayer hatte meiner Meinung nach ausgeblendet, dass sich längst nicht alle Männer so benehmen, sondern lediglich ein kleiner, gemeinhin Alpha-Männchen genannter Teil. Ich hingegen kenne etliche Männer, die sich überhaupt nicht so verhalten, sondern sehr wohl fähig sind zu Entschuldigungen, Selbstkritik und sogar zu Scham. Nur bekommen die in der Regel nicht die große Aufmerksamkeit und leben eher unauffällig vor sich hin.

Nach dieser kleinen Episode jedoch muss ich zugeben, dass ich Frau Mayer ein klein wenig verstehen kann. Vielleicht hatte sie ja auch kurz zuvor einen USB-Stick benötigt oder eine nette DVD kaufen wollen? Einen ganz kurzen Moment lang jedenfalls schämte ich mich für mein Geschlecht.


5 Kommentare :

  1. die gezielte globale verarmung der merheit der weltbevölkerung scheint die einzige möglichkeit zu sein um die begrenzten ressourcen der erde zu schonen und somit einen totalen kollaps der weltwirtschaft zu verhindern z.b. wenn kein erdöl mehr zur verfügung steht bricht alles zusammen da hift dann auch kein geld drucken mehr–die frage ist nur: wann ist mit der erdölförderung schluss ? vielleicht schon bald und die regierungen lassen ihre freiwilligen sklaven in dem glauben es lohne sich weiterhin fleißig zu malochen

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  2. @Anonym - Ich glaub ja, du bist irgendwo falsch abgebogen. Kann das sein ?

    @ Stefan - Leider hat Frau Mayer ein Stück weit recht. Ich gebe zu, ich hab mich da auch schon das ein oder andere mal verrannt und peinlicherweise den Honk raushängenlassen, als ich meilenweit im Unrecht war. Nachher ist man vielleicht nicht klüger, aber betreten allemal.

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    1. Mit dem Wissen kommen Gelassenheit und Souveränität in solchen Situationen. Ich erinnere mich auch, wie ich vor etlichen Jahren - Asche auf mein Haupt - mal in einem Handyladen einen ziemlich peinlichen Auftritt hingelegt habe, weil ich den Unterschied zwischen Reklamation und Umtausch nicht kannte.

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  3. Auch wenn der beschriebene Typ eher jemand ist, dem man mit Betonschuhen zum Freischwimmer mitnehmen mag, hat er aber nicht ganz unrecht. Denn das man versiegelte, verschweißte oder sonstwie verpackte Ware nicht mehr umtauschen dürfe, ist ein Mythos. Zwei Fälle gilt es dabei zu unterscheiden : Bei den hier beschriebenen Film DVDs kann ja beispielsweise der Kopierschutz mit dem DVD-Player unverträglich sein. Dann hat der Händler die Pflicht zur Nachbesserung - was er naturgemäß nicht kann. Folgt also Wandlung : z.B. Ware retounieren und über Gutschein oder ähnliches freuen. In dem Fall von Software und EULAS ist die Lage in Deutschland sogar noch viel kundenfreundlicher. Da ist auspacken und sogar installieren erlaubt, bevor man den Quatsch im Laden zurückgibt. Grund sind ebenjene EULA; der Hobbyjurist nennt sowas "nach Abschluß des Kaufvertrages zur Kenntnis gegebene Vertragsbedingungen". Folge : Es kommt kein wirksamer Kaufvertrag zustande, und nach entsprechender Gesetzeslage muss der Händler die Ware zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten! Keine Nachbesserung oder Wandlung oder so.
    Fazit : Egal wie die Verpackung aussieht, der Kunde darf immer (!) öffnen und auf Funktion prüfen, ohne seine Rechte irgendwie einzuschränken.

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    1. Sehr interessante Ergänzungen, vielen Dank. Dass man immer öffnen kann und auf Mängel prüfen kann ist nach §434f. BGB eh klar, aber das mit den EULAs hatte ich so gar nicht auf dem Schirm.

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