Samstag, 1. März 2014

Mein Volksbegehren


Ein sonderlicher Partylöwe war ich nie. Und erst recht kein 'Clubgänger', wie die jungen Leute das heute ja nennen. Meine bisherigen Besuche in solchen Etablissements lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Was daran so toll sein soll, nach einer Gesichtskontrolle in finsterster Nacht in ein finsteres Verlies voller Aufgedonnerter eingelassen zu werden oder auch nicht, dort jene Nacht zum Tage zu machen, indem man grotesk zu endlosem, presslufthammerlautem Umz!-Umz!-Umz!-Gewummse herumzappelt oder betont lässig mit einem zu teuren Drink in der Hand an der Bar lehnt, dabei andauernd auf seine Lässigkeit zu achten und gleichzeitig abzuchecken hat, was so geht, war mir von jeher ein Rätsel. Muss ich auch nicht verstehen, so was. Und so lange solche Geisterbahnen in sorgsam verschlossenen Räumen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit veranstaltet werden, soll's mir herzlich egal sein.

Ein Stubenhocker bin ich deswegen noch lange nicht. Ein wochenendlicher Bummel über ein nettes Volksfest, so lange es kein Mittelalter-Markt ist, oder der Besuch eines Livekonzerts von braven Musikern, die ihr Handwerk verstehen, vermögen auch einem Nicht-Feierbiest wie mir das Leben ein wenig bunter zu machen. Steht nichts dergleichen an, dann kann es wunderbar sein, im Kreise lieber Menschen und bei leckeren Speisen und/oder Getränken die Woche ein wenig Revue passieren zu lassen. [Achtung! Die Lektüre der folgenden beiden Sätze ist erst ab 18 Jahren gestattet. Keinesfalls soll hier zu übermäßigem Alkoholkonsum aufgerufen oder selbiger samt seinen verheerenden Folgen gar verharmlost werden.]* Gern auch mal, bis jenes leichte Beduseltsein sich einstellt, das jeglichen Frust über die allgemeine Kackbratzigkeit der Welt in wohliges Nichts auflöst. Es war Walter Moers, der seinerzeit die weisen Worte prägte: "Einen Alkoholrausch kann man schichtweise hochziehen wie eine Backsteinmauer. Einmal errichtet, bietet er einen soliden Schutz gegen das Elend der Welt, gegen Schmerz, Not und Frauenblusen mit Männernamen."

Wie bereits erwähnt, hause ich nicht gerade in einer Karnevalshochburg, doch scheint sich mein provinzielles, keineswegs rheinisches Heimatsprengel mit jedem Jahr mehr in eine zu verwandeln. Es ist mittlerweile so gut wie unmöglich, am närrischen Wochenende eine Kneipe zu finden, die nicht mitmacht beim allgemeinen Humbahumbatäterä und in der sich in Ruhe ein paar Biere nehmen lassen, ohne penetrant angefeiert zu werden und Frohsinn aufgenötigt zu bekommen. Wo sind sie hin, jene Jahrzehnte, in denen es unter Gastronomen noch eine solide Karnevalsopposition gab? In denen noch nicht der allgemeine Imperativ zum Mitschunkeln, Kostümieren und Partymachen regierte, aus dem es auch hier inzwischen kaum noch ein Entkommen zu geben scheint?

Mutig: Bonner Traditionsgaststätte 'Em Höttche' (general-anzeiger.de)
Wäre ich nun einer dieser gruseligen Verbotsmichel, also zum Beispiel ein beseelt grienender, gleichwohl tyrannischer und selbstherrlicher Hallelujazopf wie Sebastian Frankenberger, dann würde ich das natürlich gleich als Chance zur politischen Arbeit begreifen. So jedenfalls pflegt er es auszudrücken, wenn er den Mitmenschen per Gesetz seine Wertvorstellungen aufzwingen will. Wird man seines Buches ansichtig, fällt einem sofort der einzig vernünftige Satz ein, den das kaltgeräucherte Exkanzlerfossil Helmut Schmidt gesagt hat, nämlich der, dass wer Visionen habe, bitte schleunigst zum Arzt gehen solle. Und den historisch Bewanderten überkommen dazu noch, ich weiß auch nicht warum, höchst ungute Assoziationen. Eine bessere Werbung für die Segnungen der repräsentativen Demokratie hat es selten gegeben.

Ich würde also ein Volksbegehren ins Leben rufen für karnevalsfreie Innenstädte am Karnevalswochenende und ein entsprechendes Gesetz fordern. Man verstehe mich um Himmels Willen nicht falsch. Ich will niemandem etwas wegnehmen, sondern nur in Frieden mein Bier trinken. So lange ab 22:00 Uhr Ruhe ist, darf selbstverständlich jeder in seinen eigenen vier Wänden weiter Karneval feiern, wie er mag, ich bin ja weiß Gott keine Spaßbremse. Aber die Narrenfreiheit der anderen endet nun einmal dort, wo meine Freiheit beginnt. Und dazu gehört nun einmal auch das Recht auf eine ungestörte Misanthropie. Komme mir jetzt bloß niemand mit Tradition und Kultur! Mein Problem ist nur: Sobald ich wieder nüchtern bin, halte ich so was für die Schnapsidee, die es ist, und jeden, der ernsthaft etwas in der Art vorhätte, für mindestens leicht gaga.


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* Man kann einfach nicht vorsichtig genug sein heutzutage!

7 Kommentare :

  1. Rührt diese Verachtung vom Rauchverbot in Lokalen? Ihr seid echte Armutschkerln - ich bin für eine Aufhebung: Wenn ich künftig, während du dir dein Bier reinschüttest und die Luft und vor allem die Lungen der Umstehenden mit deinen Zigaretten vergiftest, ich neben dir eine große Kackwurst abseile und nicht gezwungen bin, das Scheißhaus aufzusuchen.

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    1. Ich finde ja, es könnte ruhig jeder Wirt selber entscheiden, ob du ihm vor den Tresen kacken darfst oder nicht...! :)

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    2. Also wenn ich Fäkalien ausschiede, die ähnlich viele Schadstoffe ausdünsten wie Zigaretten, dann würde ich mir wirklich Sorgen um meinen Verdauungsapparat machen. Vielleicht ist aber auch nicht alles, was hinkt, ein Vergleich...

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  2. Also, ich finde ja, diese ganzen Karnevalsmuffel und Faschingsverweigerer müssen unbedingt entspießert werden. Erste Maßnahme sollte Frohsinn nicht unter fünf Schlüpferstürmern auf nüchternen Magen sein. Anschließend ist närrisches Treiben bis zur Morgendämmerung einschließlich Tanzen, Schunkeln, Mitgrölen, Rauchen, Scheißen unter Aufsicht zu absolvieren. Wer dann noch nicht frohsinnig ist, dem ist nicht mehr zu helfen

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  3. "Helmut Schmidt gesagt hat, nämlich der, dass wer Visionen habe, bitte schleunigst zum Arzt gehen solle. "

    Vorsicht , Schmidt meinte meines Wissens nach keineswegs die fanatischen Verbotshanseln , sondern eher Leute mit echten Visionen , solche sind vielen Sozialdemokraten von jeher suspekt
    Ohne Visionen wären wir alle nicht lebensfähig , und ohne sie gäbe es auch kein Mikrophon , in das Schmidt hineinplappern könnte.
    Schmidt läßt es sich übrigens nicht nehmen , beim Thema Europa als durchaus weitsichtiger Visionär aufzutreten , nach dem Motto "was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an?".

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    1. Stimmt, ist ein bisschen aus dem Zusammenhang gegriffen. Wichtiger Hinweis, danke. (Ohne Visionen würden wir uns auch nicht online hier herumtreiben, nöch?)
      Der Satz fällt mir nur immer wieder ein, wenn mal wieder irgendwer, der gerade eine maximal triviale Gehirnblähung hatte, von PR-Schranzen deswegen gleich als 'Visionär' abgefeiert wird

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  4. Frankenberger - christlicher Politrebell. Gottgütiger....kennt man schon. Wo sind die Römer, wenn man sie braucht ?

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