Montag, 18. Januar 2016

An der Uni ist der Teufel los


Die Jugend von heute benimmt sich wieder mal daneben, vor allem an den Unis. An der ehrwürdigen Humboldt-Universität werden Professoren beschimpft, die es etwa wagen, ihren Studierenden die Lektüre von Immanuel Kant abzuverlangen. In Großbritannien, an der noch viel ehrwürdigeren University of Oxford (via Burks, danke!), reklamieren sie gar dreist Safe Spaces, Räume ohne Diskriminierung, Belästigung und Hassreden. Sie betreiben Watchblogs und bedienen sich gar Methoden aus dem politischen Untergrund. Potz Blitz, das war ja noch nie da! Oder vielleicht doch? Formulieren wir es einmal positiv: Diese jungen Menschen gedenken mitzureden, nehmen sich die Freiheit, ihr Missfallen über Teile des akademischen Lehrpersonals offen und lautstark kundzutun und nehmen sich das Recht, beim Curriculum mitzureden.

Ist aber nun wegen einer lautstarken Minderheit gleich das freie Wort in existenzieller Gefahr als ginge an der Alma Mater der Taliban um? Nö. Vieles spricht dafür, dass es sich um eines jener vorübergehenden Phänomene handelt, wie sie alle paar Jahrzehnte mal an den Unis auftauchen, irgendwann wieder verschwinden und vielleicht ein paar Spuren hinterlassen.

Gut, auch ich frage mich, wie schmerzfrei man sein muss, wie wenig zur Reflexion fähig, wenn man meint, einen Prof, der Standpunkte vertritt, die einem vielleicht nicht passen, im Namen des Kampfes gegen Diskriminierung übel beschimpfen zu müssen. Wie überhaupt das meiste von dem, weswegen dort Lärm gemacht wird, mir reichlich banane deucht. Sich kategorisch zu weigern, etwa etwas von Immanuel Kant zu lesen, weil es Passagen enthält, die heute gemeinhin als rassistisch oder antisemitisch aufgefasst werden, ist so maximal weit von Bildung, Neugierde und kritischem Verstand entfernt, dass die auf der Erde geläufigen Einheiten nicht mehr ausreichen dafür und man die Entfernung wohl in Lichtjahren angeben muss. Und dass Watchblogs, die obsessiv jede Äußerung einer bestimmten Person zerpflücken, im Zweifel mehr über die seelische Gesundheit des Bloggers aussagen denn über den Gegenstand des Geschreibsels, war mir eh klar.

Es widerstrebt mir, weil es dem Grundgedanken des Studierens fundamental zuwiderläuft, wenn Leute in quasifaschistischer Manier Safe Spaces für sich einfordern, um frei von jedweder intellektuellen Zumutung und sonstigen geistigen Herausforderung die Jahre an der Uni herunterzuschaukeln. Es ist die eine Sache und sicher auch sinnvoll, dafür einzutreten, dass im akademischen Rahmen ein möglichst diskriminierungs- und unterdrückungsfreies Miteinander herrscht. Eine ganz andere ist es hingegen, zu glauben, dass das Leben eine Art Facebook-Gruppe ist, aus der sich alles Missliebige wegmoderieren ließe. Halte auch ich auf lange Sicht nicht für gesund. Wie wollen diese Menschen anders als mit persönlichem Angefressensein reagieren, wenn ihnen jenseits der safespacigen Spielwiese Uni mal jemand mit Gegenargumenten kommt? Aber die Welt geht wohl nicht unter davon. Sie werden's wohl auf die harte Tour lernen müssen.

All das kann sein oder nicht. Nur sind mahnende oder eurozentrisch-schadenfrohe Artikel über die Auswüchse der Political Correctness, vornehmlich an amerikanischen Unis, absolut nichts Neues. Lange bevor der Kampf gegen die PC zum Mantra und Kampfbegriff der Neuen Rechten wurde, ist das durch die Medien gegeistert. Die PC-Bewegung scheint in der Rezeption bürgerlicher Medien ein wenig die Nachfolge der 68er angetreten zu haben, die gut zwei Jahrzehnte zuvor den Unibetrieb aufgemischt und trotz aller Diskussionen, Demos und Sit-ins doch noch Examina abgelegt und irgendwelche Jobs gekriegt haben. Kulturredakteur zum Beispiel.

Niedergebrüllt zu werden von widerborstigen Studenten ist also gewiss kein leichtes Schicksal, aber weiß Gott auch kein Neues. Ja, wer sich über aufmüpfige Studiosi erregt, die sich an so gar keine Regeln halten mögen und Dinge fordern, über die man als in Ehren ergrauter nur den Kopf schütteln kann, offenbart damit allenfalls, aus den letzten paar Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, aber auch gar nichts gelernt zu haben.

Man kann es aber auch noch anders sehen. Denn selbst wenn die Schilderungen der Kulturpessimisten der Wahrheit entsprechen: Wundert das alles wirklich jemanden? Und wo leben die Leute, die das wundert, eigentlich? Was genau für Medikamente werden dort gereicht?

Fangen wir vielleicht mit dem Oberflächlichen an: Wir dürften es mit der ersten Generation Studierender zu tun haben, die weite und prägende Teile ihrer Adoleszenz in sozialen Netzwerken verbracht hat. Woher rührt wohl das Bewusstsein, die eigene Meinung, so unmaßgeblich sie sein mag, der eigene quersitzende Furz, die höchstpersönliche Wahrnehmung der Welt seien der Nabel derselben, daher immer und überall willkommen und niemand habe ein Recht zum Widerspruch?

Weiterhin ist ist Bildung längst zur quasi käuflichen Ware umgewidmet worden, die Universitäten zu Dienstleistungsunternehmen, die sich am Markt behaupten müssen und deren Abschlüsse umso mehr gelten, je doller der Name ist. Die Studierenden sollen Kunden sein, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen als handele es sich um eine x-beliebige Wellness-Behandlung. Das alles ohne nennenswerten Widerstand übrigens. Und wenn die heutige Generation Nachwuchsakademiker auftritt als habe sie nichts im Leben gelernt außer Kunde sein, dann nicht, weil diese jungen Leute besonders blöd wären, sondern weil man sie genau so und nicht anders haben will. Als möglichst unkritische Konsumenten von möglichst kundenfreundlich in Workloads und Credits vorgekautem Häppchenwissen nämlich.

Und wenn sie dann exakt so auftreten, zumal in Großbritannien, wo ein Bachelor-Studiengang 9.000 Pfund (knapp 12.000 Euro) im Jahr kostet, dann wird sich aufgeregt, dass die Studierenden auch eine Gegenleistung sehen wollen für ihr ganzes Geld, bzw. das der Eltern, dann ist das kulturpessimistische Gejammer groß. Oder wenn sie - wer zahlt, schafft an - im Bewusstsein, dass der Kunde nun einmal König ist, am Ende gar mitreden wollen, wie das Studium gefälligst zu laufen hat, dann wird die uralte Platte herausgekramt von der respektlosen Jugend von heute, die nichts tauge.

Anders gesagt: Jede Gesellschaft bekommt ziemlich genau den Nachwuchs, den sie will und den sie verdient. Und diese Damen und Herren Professoren, die, auf ihren Lehrstühlchen sitzend, mit dem grassierenden Kapitalismus und der neoliberalen Neuausrichtung der Gesellschaft nie ein größeres Problem gehabt zu haben scheinen bzw. es größtenteils geräuschlos haben geschehen lassen, dass Bildung, wie alles andere auch, einen Warencharakter bekommen hat, beklagen sich nunmehr über die Folgen. Mokieren sich darüber, dass Universitäten kein der Welt entrücktes Arkadien sind, wo die Gesetze des Marktes, ein Prinzip wie das der Aufwandsminimierung bei gleichzeitiger Nutzenmaximierung keine Gültigkeit haben soll. Bin das nur ich, der das ein klein wenig verlogen findet?



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