Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Sonntag, 8. Mai 2016
Großes Margot-H.-Nachruf-Bullshit-Bingo
"unbelehrbar"
"bis zuletzt"
"Unrechtsstaat"
"Unrechtsregime"
"eisern"
"mit eiserner Hand"
"Ideologin"
"Hardlinerin"
"starrsinnig"
"starrköpfig"
"verblendet"
"verbohrt"
"Realitätsverlust"
"realitätsfern"
"betonköpfig"
"bis zum Schluss"
Hab ich was vergessen?
Nein, ich will hier keine Debatte lostreten darüber, ob die DDR nun schlimmer, halb so schlimm oder besser war als in den Westmedien beschrieben. Die breitärschige Vehemenz und Penetranz, mit der stolze Siegerfressen vornehmlich westdeutscher Provenienz seit gut 25 Jahren "Unrechtsstaat!", "Unrechtsregime!" quargeln, hat jedenfalls schon damals genervt und tut es immer noch. Das Ehepaar Honecker hat sicher einiges an Mist auf dem Kerbholz, es aber in eine Reihe mit den großen Schweinediktatoren und Blutsäufern des 20. Jahrhunderts zu stellen, sie zu einer Ost-Berliner Ausgabe des Ehepaars Ceaușescu zu stilisieren, hieße, dem saarländischen Dachdecker und seiner Gattin deutlich zu viel der Ehre angedeihen lassen. Dazu fehlte es ihnen dann doch an einigem.
Gut, nach dem was man hier so mitbekam, dämmerte mir als Schüler in den Achtzigern, dass wir es mit diesen stoffeligen SPD-Kultusministern eigentlich gut getroffen hatten, im Vergleich zu der blaustichhaarigen Trockenpflaume, die strengen Blickes und mit einem Faible für Wehrkunde das Schulwesen der DDR kommandierte. Diese DDR war nach vielleicht hoffnungsvollem Beginn zu einem piefigen, obrigkeitlichen Kleinbürgerregime geworden. Dessen mediokre, in jeder Hinsicht überforderte Führung, hatte wiederum, obwohl möglicherweise durchaus guten Willens, ein echtes Talent entwickelt, mit gnadenloser Sicherheit immer exakt die falsche Entscheidung zu treffen. Im Zweifel tendenziell für Repression und gegen Freiheit. Und hinterher soll alles immer bloß Notwehr gewesen sein. Die Folgen dieser autoritären Regiererei wirken noch nach und werden es noch lange tun. Ich wiederhole mich gern, wenn ich sage, als Wessi durchaus froh zu sein, diesem Jägerzaunterror nie ausgesetzt gewesen zu sein.
Man fragt sich allerdings schon, was in jeder Hinsicht bourgeoise Preßfritzen eigentlich erwarten von einer stalinistischen Greisin, die in dem von ihr so vehement verteidigten System einen prima privilegierten Posten innehatte, und sich danach im überseeischen Exil eine kleine, funktionierende Welt bastelte, in der sie ein Leben lang alles immer nur richtig gemacht hat. Tränenausbrüche? Generalabrechnungen? Lebensbeichten? Die große Katharsis? Eintritt in die CDU? Egal. Nur, muss es denn wirklich dieses triumphalistische, vor oben genannten Hohlphrasen bzw. Nullwörtern strotzende Gefasel sein? War die Alte dafür nicht doch ein wenig zu unbedeutend, so im welthistorischen Maßstab? Die Gewissheit, dass sie jenseits ihrer Familie und ihrer Lieben eine Fußnote der Geschichte bleiben wird, kann einem durchaus genügen. Wahre Größe zeigt sich eben auch im Umgang mit besiegten Gegnern.
2 Kommentare :
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Kommentare zum Post
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Gegen eine Vera Lengsfeld war sogar Maggie H. fast eine
AntwortenLöschenSympathieträgerin ;-(
Okay, ja, die Lady spielt noch einmal in einer eigenen Liga. Mrs. H. konnte man wenigstens ein Rückgrat nicht absprechen.
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