Sieh an, dachte ich, als ich jüngst über die Kunstfigur des BWL-Studenten Justus stolperte, es gibt sie also offenbar immer noch, diese Typen, die einen reflexhaft zur Marx-Engels-Gesamtausgabe greifen lassen, und die sich kein bisschen verändert zu haben scheinen seit damals. Hauptberufliche Söhne und Töchter, deren von jeglichen materiellen Sorgen freies Leben eine einzige Party zu sein schien. Am 18. kamen sie mit geschenktem Auto zur Schule (auf dem Wagen pappte bereits vor der Zulassung ein Sylt-Aufkleber), trugen schon in den Achtzigern Kaschmirpullover locker um die Schultern geschlungen und interessierten sich ausschließlich für Dinge, die man kaufen kann, und zwar möglichst teuer.
Natürlich begannen sie nach dem Abi ein BWL-Studium, das sie mit zeitlichem und intellektuellem Minimalaufwand irgendwie wuppten. Wann immer jemand es wagte, sie oberflächlich zu finden und ihr Getue schlicht scheiße, dem kamen sie mit hämischen Bemerkungen. Sie könnten schließlich nix dafür, dass der Alte reich sei, überhaupt sei Deutschland das Land der piesepömpligen Neider. In den USA, da würde man ihn und seinesgleichen bewundern ("Dann geh' doch nach drüben!", wollte es einem da zuweilen entfahren). Auch ich hatte mal einen wie Justus im Bekanntenkreis. "Ein intelligenter Mensch zweifelt nicht an sich", lautete allen Ernstes eines seiner Credos. Eine andere seiner Maximen aus Studentenzeiten, nämlich die, dass er nicht gedenke, dereinst für weniger als 20.000 D-Mark pro Monat sich in der Früh vom Futon zu erheben, hat sich inzwischen wohl erledigt. Er muss seine wertvolle Arbeitskraft meines Wissens nach für deutlich weniger zu Markte tragen.
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Soll man es nun tröstlich finden, dass es offenbar Dinge gibt, die sich nicht ändern? Wobei es sich noch nicht einmal zwingend um schöne Dinge handeln muss. "Schönes bleibt", so beclaimte der hiesige, ursprünglich fürs Volkstümliche zuständige Radiosender einst die von ihm abgestrahlte Ohrenpein. Andererseits: Typen wie Justus sind Begleiterscheinungen des neoliberalen Turnovers am Beginn der Achtziger. Als es schick wurde zu zeigen, was man hat, und man sein Auto mit Stickern bekleben konnte, dass Armut einen ankotze, ohne dass einem die Karre zerkratzt wurde dafür. Würden sie jetzt, da der IWF den Neoliberalismus offiziell für gescheitert erklärt hat, freundlicherweise gleich mitverschwinden von der Bildfläche, dann wäre ich auch nicht böse.
Sicher, der eigene Reflex mag solchen pervertierten 'Privilegierten' das übelste an den Hals wünschen (meine spontane Phantasie: Steinbruch, hammerschwingend).
AntwortenLöschenAber die größte Strafe, die diesen Seelen zuteil werden kann, ist ihre eigene Inhumanität.
Ich möchte nicht mit diesen 'armen' Seelen tauschen. Denn ihr sogenannter Reichtum zählt sich nur in Geld.
Was übrig bleibt, ist geistige und vor allem moralische Armut.
Ich empfinde da nur Mitleid und Fremdschämreflexe.
Was natürlich nicht davon ablenken soll, dass gerade dieses Beispiel zeigt, wie nötig eine gerechtere Reichtumsverteilung ist.
Und natürlich gibt es eine determinierte Reaktion darauf:
'Neiddebatte!'
Statt Ebola oder Hirntumor könnte man den Justussen ja z.B. den Bau eines Asylantenheims auf dem Nachbargrundstück neben ihrer Grünwalder Villa wünschen.
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