Donnerstag, 14. Juli 2016

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (11)


Weil ich im Getränkemarkt meines Vertrauens Stammkunde bin, passiert es von Zeit zu Zeit, dass ich zu meinem Einkauf irgendein Werbegeschenk als Dreingabe angeboten bekomme. Freundlicherweise hat man heuer davon abgesehen, mir zur Europameisterschaft irgendeinen schwarzrotgoldenen Tinnef aufnötigen zu wollen. Ob ich vielleicht ein Grillkochbuch möchte, lautete dieses Mal die Frage. Na, da sage ich doch nicht nein und bekomme ein schmales Bändchen überreicht. 50 Seiten sind's gerade mal, wie das heimische Auspacken später ergab. Aber man soll nicht meckern, geschenkter Gaul und so. Ich dankte artig.

'Sommer mit Sinalco', so heißt das Werk*. Und weiter: 'Leckere Rezepte fürs Grillen & Co.' Nun gut, Sponsoring - du entkommst ihm nicht. Dafür war's umsonst. Zwar ist Grillen meiner Meinung nach ein Event, das eher der Geselligkeit dient denn kulinarische Offenbarungen verheißt, außerdem habe ich weder Garten noch Balkon, eigne mich also nicht als Gastgeber, aber vielleicht findet sich ja die eine oder andere Anregung für einen Salat oder einen Dip, so mein Kalkül. Für den Fall, dass man mal was mitbringen muss.

Grundsätzlich mag ich es durchaus, beim kochen dann und wann mit ungewöhnlichen Zutaten zu experimentieren. Meinethalben auch mit Limonaden, erst recht, wenn naturreine Zutaten enthalten sind. Letzteres muss aber nicht zwingend sein. Vor etlichen Jahren habe ich einmal eine hervorragende Currywurstsauce gemacht, deren Basis ein sehr kurz eingekochter halber Liter Cola war. Die karamellige Süße, die sirupartige Konsistenz und die in der braunen Brause enthaltenen Gewürzextrakte verliehen der fertigen Sauce zu meiner Überraschung einen äußerst delikaten Wumms. Leider habe ich das Rezept verlegt.

Mir war jedoch nicht klar, dass es sich bei diesem jüngsten Zugang meiner bescheidenen heimischen Kochbuchsammlung um ein Werk handelte, dessen Autoren sich offenbar auf die Fahne geschrieben hatten, ausschließlich Rezepte zu entwickeln, in denen alle Produkte des sponsornden Limomadenmischers Verwendung finden. Eine mir fremde Welt tat sich beim Durchblättern auf. Das ganze Prinzip erschloss sich mir einfach nicht.

Obwohl, wie gesagt, durchaus offen, frug ich mich, was klare Zitronenlimonade in einem Zaziki verloren hat bzw. wie künstliches Zitronenaroma, Süßungsmittel und Bizzel dies einfache Gericht noch irgendwie verbessern könnten. Warum sollte ich die unvermeidlichen Putensteaks vor dem Grillen mit komplett chemisch erzeugter Orangenlimonade begießen? Schweinekoteletts mit Cola? Warum Lachs marinieren mit einer Sauce, die neben ausschließlich frischen Zutaten wie pürierter Mango noch ein Glas Limo enthält? Warum Lachs überhaupt marinieren? Oder Apfelschorle in Hummus rühren? Sind wohl so Fragen, die sich stellen in einer Welt, in der Kochbücher von Firmen herausgegeben werden, die 'Business Solutions' im Namen führen.

Mal ganz ehrlich: Wer macht so was? Die Schmerzfreien, denen mehr oder minder alles egal ist beim essen? Die pflegen sich an ihre Maggificks-Tütchen und 10-20 bewährten Standardrezepte zu halten, von denen sie in der Regel nicht abweichen. Die, denen's an gutem Essen gelegen ist, werden vermutlich eh zu frischen Früchten greifen, um Hergebrachtem einen gewissen Kick zu verleihen. Also, wer bleibt übrig? Allenfalls jene Jugendlichen und sich für jung geblieben Haltenden, die immer um jeden Preis etwas Verrücktes machen müssen, weil sie das für irre kreativ und 'witzig' halten. Bisschen kleine Zielgruppe, dünkt mir.

Sorry, aber für so was ist Wolfram Siebeck nicht gestorben. Das Büchlein landete im Altpapier und bereichert nunmehr die Kreislaufwirtschaft. Es wird seine Reinkarnation als Recyclingpapier erleben und der Menschheit somit noch sehr nützlich sein.

Apropos Siebeck: Mehrere Hundert der Kolumnen, die dieser große Mann, von dem ich so unendlich viel über das Essen, das Kochen und das Leben gelernt habe, für die ZEIT bzw. das zugehörige Magazin verfasst hat, lassen sich hier nachlesen. Eine schöne, finale lange Nase in Richtung aller Asketen, Puritaner und Vollkornprediger ist es im übrigen, dass er trotz seines Lebensstils, der bis zum Schluss mindestens eine Flasche guten Weines pro Tag mit einschloss, ein so hohes Alter erreicht hat.



* Nein, ich habe keine Kiste Limonade gekauft.



4 Kommentare :

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