Montag, 10. Juli 2017

G20 zum Zweiten


Die andere Seite

Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass politische Großveranstaltungen wie Weltwirtschafts- G5-, G6-, G7- und G-was auch immer-Gipfel sowie diverse internationale Konferenzen stets von großen Demonstrationen begleitet sind, die jederzeit in Gewalt umschlagen können. Seattle. Genua. Heiligendamm. Frankfurt. Die Liste ist lang, wir erinnern uns. Alles lange bekannt.

Ebenso lange ist bekannt, dass es eine Art internationalen Krawalltourismus von Polit-Hooligans gibt, die derartige Ereignisse als Bühne für Randale nutzen.

Ferner ist seit langem bekannt, dass diese Hooligans von großstädtischen Strukturen um sie herum entscheidend profitieren, weil sie dort Rückzugsmöglichkeiten vorfinden und man eine Großstadt nicht so abriegeln und kontrollieren kann wie ländliche Gegend.

Daher existieren bereits seit längerem offizielle Empfehlungen, derartige Veranstaltungen nach Möglichkeit an entlegenen und/oder gut zu sichernden Orten durchzuführen.

Und obwohl man das alles wusste, hat man entschieden, den G20-Gipfel, der sowohl organisatorisch als auch in Puncto Sicherheit noch einmal eine andere Hausnummer ist als ein G6- bzw. G7-Gipfel, in Deutschlands zweitgrößter Stadt abzuhalten.

Gerade Konservative argumentieren gern, wer mit solchen Veranstaltungen in entlegene Gegenden ausweiche, knicke letztlich vor Gewalttätern ein. Kann man machen. Man muss sich nur im Klaren sein, welches Risiko man eingeht, und sollte hernach nicht überrascht die Backen plustern, wenn es geknallt hat, als sei eine Naturkatastrophe über einen gekommen. Wer daher trotz aller Empfehlungen und im Lichte der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte entscheidet, eine Veranstaltung wie einen G20-Gipfel in einer Stadt wie Hamburg stattfinden zu lassen, nimmt die Möglichkeit von Gewalt zumindest billigend in Kauf. Ob mit dem festen Vorsatz, sie politisch auszunutzen, muss dahingestellt bleiben, das wäre ex post facto. Das das aber geschieht, ist unzweifelhaft.

Dank Naomi Klein wissen wir auch, dass Proteste, gern auch gewalttätige bzw. deren brutales Niederschlagen, durchaus zum Arsenal neoliberaler Regimes gehört, wenn es gilt, eine Bevölkerung ruhig zu halten und die Ordnungsmacht aufzurüsten.

Es ist dennoch wichtig, hier möglichst nüchtern und neutral zu formulieren. Denn allzu leicht gerät man da auf sehr dünnes Eis. Für die Gewalttaten von Hamburg gibt es keine vernünftige Rechtfertigung, so viel ist klar. Wer aber bramabasiert, den Gipfel in Hamburg zu veranstalten, sei eine bewusste Provokation gewesen, muss sich fragen lassen, ob es dann nicht auch eine bewusste Provokation ist, Geflüchtete in den neuen Bundesländern unterzubringen. Obwohl man doch weiß, dass die Wahrscheinlichkeit von Gewalt gegen sie höher ist als in anderen Gegenden.

Selbstverständlich ist es nur recht und billig, dass Hamburgs Regierender Bürgermeister Olaf Scholz und der umstrittene Polizeichef Dudde sich am Tag danach unangenehmen Fragen zu stellen hatten. Die Rücktrittsforderungen an Scholz vonseiten der CDU aber sind lächerlich. Denn was ist eigentlich mit der Bundeskanzlerin bzw. welche Rolle hat sie bei alldem gespielt?

"Immer häufiger tauchte deshalb zuletzt in Lagebeschreibungen die Frage auf: Warum muss der Gipfel ausgerechnet in einer schwer zu sichernden Metropole wie Hamburg stattfinden? Noch dazu auf dem Messegelände, das – für Sicherheitsexperten ein absoluter Albtraum – sozusagen in Steinwurfweite an die linken Szenehochburgen Karolinen- und Schanzenviertel grenzt? […] Die Antwort ist einfach: In ihrer Eigenschaft als Gastgeberin hat die Bundeskanzlerin selbst ihre Geburtsstadt Hamburg als Tagungsort auserkoren." (Willi Reiners, Stuttgarter Zeitung)

Man liegt wohl richtig mit der Vermutung, dass Scholz den Gipfel auch dazu nutzen wollte, sich als hanseatischer Macher und Organisator in der Tradition Helmut Schmidts zu präsentieren. So wie Dudde vielleicht als harter Hund und Durchgreifer zu glänzen beabsichtigte. Man weiß nicht, ob und wie deutlich sie und andere Verantwortliche im Vorfeld des Events Bedenken geäußert haben, wie groß ihr Spielraum für ein Veto war und wie bereitwillig sie der Kanzlerin zu Diensten waren.

Eines scheint klar: Wiewohl Frau Merkel die Ausschreitungen und Krawalle natürlich nicht direkt angelastet werden können, trägt sie, so die obige Einschätzung zutrifft, die politische Verantwortung für das, was während des Hamburger Gipfels passiert ist. Sich jetzt aus jeder Verantwortung zu stehlen, die Kümmerin zu geben, die den Opfern von Gewalt, Plünderung und Sachbeschädigung Entschädigungen zukommen lässt und alles andere an sich abprallen lässt, mag die Betroffenen sicher erfreuen, ist politisch jedoch nichts weniger als erbärmlich. Ganz zu schweigen vom politischen Kapital, das sie wieder einmal daraus zu schlagen vermag.

Moment mal, könnte man einwenden, hat nicht auch Gummistiefel-Gerd 2002 das Elbehochwasser für sich zu nutzen gewusst, indem er sich als Krisenmanager profilierte? Kann man sogar sagen, der Unterschied ist nur, die Flut war höhere Gewalt, wohingegen der Gipfel von Hamburg auf politischen Entscheidungen beruhte, an denen Angela Merkel selbst maßgeblich beteiligt war.

Immerhin, sie hat ihren menschgewordenen Airbag Peter Altmaier vorgeschickt, ein paar Streicheleinheiten in Richtung Spezialdemokratie zu verteilen. (Der allerdings  zuvor noch fix die Infamie in die Welt gesetzt hatte, Linke seien mindestens genau so schlimm wie rechter Terror. Klar, was sind schon so ein paar ermordete, verstümmelte, verprügelte Zuwanderer, wenn die herrschenden Besitzverhältnisse in Frage gestellt werden?)

Und zack, wieder hat sie sich in den Wind gedreht. Das Ausmaß an Opportunismus, das diese Frau aufzubringen in der Lage ist, sollte einen nach zwölf Jahren Kanzlerinnenschaft eigentlich nicht mehr überraschen. Trotzdem schüttelt man immer wieder aufs Neue ungläubig den Kopf ob solch völliger Prinzipienlosigkeit. Obwohl man es hätte wissen können.




8 Kommentare :

  1. Diese Treffen von Politoberbonzen sollten in eine Wüste verlegt werden, Gobi z.B., denn da kommen den sich Treffenden keine Flüchtlinge in die Quere wie in der Sahara.
    Ausstattung: Zelte, Plumpsklo, eine Schüssel Waschwasser und zwei Liter Trinkwasser pro Tag und Nase. Als Speisen Reis oder Bohnen oder Bohnen mit Reis oder Reis mit Bohnen.
    Das wäre total kostengünstig für die Steuerzahler, beförderte durch eigene Erfahrung einen Bonzenblick auf die Armut in der Welt und wäre wahrscheinlich das letzte Treffen dieser Art.
    Also ab in die Uno, denn dort gibt es fließend Wasser.

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  2. Siewurdengelesen10. Juli 2017 um 21:01

    In Anbetracht der Argumente, welche Du selbst bringst wie Veranstaltungsort und dort noch die Lage, welche trotz aller Warnungen in den Wind geschlagen wurden, der Profilierungsversuche einiger Verantwortlicher, dem Vorgehen vor Ort und alleine das Gehabe der zuständigen Minister vor!!! dem Beginn des Gipfels und das Auftreten der Polizeikräfte im Zeitraum desselbigen beim Camp und den Demonstrationen, dann nicht zum Schluss das inzwischen anlaufende Geheule der Hardliner und der Blick Richtung Wahl - wie anders als bewusst und provokant statt billigend in Kauf genommen sollte es zu bezeichnen sein?

    Das ist IMHO von langer Hand so plusminus angedacht gewesen, weil zumindest in solchen Fällen die Strategen der Politik viel weiter denken als wir in mancher Hinsicht überhaupt ahnen, genauso wie ich in Vielem dieses Verhalten bei Einschnitten in Bürgerrechte nicht mal eben so für Zufall halte, sondern für von langer Hand geplant. Dieses Hinwerfen von Brocken, um sukzessive dann trotzdem grössere Stücken durch zu bekommen, als es einzeln sonst möglich wäre, das hat Geschichte.

    Schaue nur an, wie im Fall von Einschnitten bei Arbeiterrechten mit Gewerkschaften umgegangen wird, da tönt man dann von soundsoviel abzubauenden Arbeitsplätzen, dann kräht der Betriebsrat und die Gewerkschaft herum und am Ende "einigt" man sich dazwischen und hat bei angekündigten tausend und verhandelten 700 Entlassenen immer noch mehr gefeuert als die vielleicht aus Unternehmersicht notwendigen 500 Arbeiter. Umgekehrt kommt als ultimatives Argument bei solchen Einschnitten immer der Erhalt von Arbeitsplätzen, der dann über´s Stöckchen springen lässt.

    Etliches hat sich hinterher bei solchen Vorfällen meist als noch perfider herausgestellt, als es ohnehin schon zu ahnen war und davon dürfte auch das Wochenende in Hamburg nicht auszunehmen sein.

    Vielleicht werden wir und ich noch alt genug, um diesen Teil der nicht bekannten Wahrheit zu erfahren. Das könnte dann allerdings mit heftigem Brechreiz verbunden sein inklusive der tatsächlichen Intention der eher wenigen Krawalltouristen, die den ganzen Protest in den Dreck gezogen haben.

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  3. Unsere vielleicht 250.000 auf Verkehrsdelikte abgerichteten Polizisten sind doch zur absoluten Lachnummer verkommen. Weder in der Lage auf dem G20-Gipfel die „staatlich“ bezahlten Links-Terroristen, noch die „staatlich“ bezahlten Rechts-Terroristen festzunehmen. Die POLIZEI wird ja noch nicht einmal mit den rund 10.000 „Reichsbürgern“, die gar keine sind, fertig!

    Wie willst Du denn mit diesen „staatlich“ alimentierten Wegguckern und Eierkratzern, die sich nur noch als uniformierte Erfüllungsgehilfen der Geldeintreiber und Denunzianten-MAFIA eignen, ein Land gegen zigtausende irre Schwerstkriminelle aus Afrika und militärisch ausgebildete IS-Kämpfer verteidigen? Das ist ja so, als wenn ein Säugling dem Klitschko gegenübersteht und behauptet er solle sich in Acht davor nehmen, er hätte einen Faustschlag, wie einen Hufschlag.

    Und pünktlich war die deutsche POLIZEI doch noch nie! Komm´ machen wir uns nichts vor. Wenn Du die POLIZEI anrufst und denen erzählst, daß in Deiner Nachbarschaft geschossen wird, dann kommen sie erst ´raus, wenn sie wirklich sicher sind, daß nur mit Platzpatronen geschossen wird oder das Geballer schon längst vorüber ist. Oder wenn es sich um einen unbewaffneten vermeintlichen „Reichsbürger“ handelt oder wenn ein privater Inkasso-Heini als „Gerichtsvollzieher“ ein GEZ-Opfer abmelken soll.

    Mit einem solchen Abschaum kann man doch kein Land verteidigen!

    Die POLIZEI hat keinen Respekt verdient, weil sie …
    https://aufgewachter.wordpress.com/2016/01/19/die-polizei-hat-keinen-respekt-verdient-weil-sie/

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  4. @Anonym:
    Differenzierung scheint Deins nicht zu sein. Mit dem großen Hammer auf die Polizei einzuschlagen folgt dem Irrschluss, dass es DIE Polizei überhaupt gibt. DIE Polizei ist eine Ansammmlung von Individuuen (wie jede andere Gruppe auch) die zudem (meist) nur das ausführt, was von Oben befolhlen.

    Und wenn die Polizei Eskalationsstrategien verfolgt, dann eben genauso auf Befehl, wie beim zelteabbauen oder stillhalten, wenn das Schanzenviertel brennt.

    Mit Deiner äußerst oberflächlichen Polizeischelte nimmst Du die Verantwortlichen auf den verschiedensten Ebenen aus der Schußlinie. Das ist ziemlich kurz gedacht.

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    1. [Im Auftrag von altautonomer]

      "DIE Polizei ist eine Ansammmlung von Individuuen (wie jede andere Gruppe auch) die zudem (meist) nur das ausführt, was von Oben befohlen."

      Die Berufung auf den Befehlsnotstand ist seit 1945 abgeschafft. Strafbare Handlungen können Beamte verweigern. Rechtswidrige Handlungen können remonstriert werden. Hat aber keiner gemacht.

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    2. Also hat JEDER Polizist auf unschuldige Demonstranten eingeprügelt? Ernsthaft?

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  5. Siewurdengelesen12. Juli 2017 um 10:27

    "Also hat JEDER Polizist auf unschuldige Demonstranten eingeprügelt? Ernsthaft?"

    Genauso ernsthaft, wie jeder Teilnehmer dort per Vorveruteilen ein vermummter enthemmter Krawallo-Gewalttäter aus linksextremistischen Kreisen war nach öffentlich vorgegebener Lehrmeinung der entsprechenden Regierungsvertreter und den Medien und das bereits vor! dem Eskalieren?

    Ein Differenzieren findet dort jedenfalls genauso höchstens am Rande statt und die dialektische Sicht auf Demonstranten, den Protest, Polizei, Polizisten und den für die Einsätze und den Austragungsort Zuständigen kann man so oder so in die Tonne kloppen.

    Hier geht es nach wie vor um ein weiteres Exempel der Macht und welches mehr als nur Symbolcharakter hat, dass statuiert werden sollte. Dem hat sich alles unterzuordnen inklusive Medien und Behörden. So nebenbei diffamiert man dann noch herrlich "linke" Organisationen grundsätzlich und die Linke vor den Wahlen speziell, sei es auch nur über das gehaltlose Fordern nach Distanzieren von den dortigen Tätern.

    Einer AfD ist natürlich das Thema auch nicht zu blöd, um neben TdM und Co. die Blendgranate Linksextremismus zu zünden und dann mal wieder zu fordern, was schon Usus ist: Den Fokus mehr auf das linke Spektrum zu legen und dort den Verfassunsschutz aktiver werden zu lassen. Wenn´s der eigenen Verharmlosung dient, ist das doch in Ordnung - oder?

    Wenn ich sehe, was da heran- und im Zweifel zusammenwächst, dann könnte ich jetzt schon kotzen ohne Ende.

    [Ironie on]

    Wenn die Salonnazis mehr als nur Prozente bekommen und erwartungsgemäss die jetzigen Hardliner zum Wendehals mutieren und lieber die Scheisse mitspielen als zu kontern, dann gute Nacht ihr lieben Menschen hier...

    [/Ironie off]

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    1. Ganz meine Meinung.
      Mir geht's auch um Differenzierung. Und wenn die Anderen einen alle über den Kamm scheren, dann muss man ja aus Reflex den gleichen Fehler nicht auch noch machen.

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