Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Samstag, 23. September 2017
Die Partei, die Partei...
... die hat nicht immer recht.
"Um die Moral zu heben, muß man die Ansprüche senken." (Stanislaw Jerzy Lec)
Gar heftig rauschte es die Tage im linken Blätterwalde, als bourgeoise Preßbengels wie Jörg Wimalasena und Martin Kaul sich erfrechten, die 'Partei' schnöde abzuwatschen. Jene einzige bzw. letzte politische Kraft, die desillusionierte, ironiegestählte Fastgarnichtmehrwähler eventuell doch zu wählen sich überlegen würden. Sogar Margarete Stokowski sah sich herausgefordert, dem Verein mit einem für ihre Verhältnisse durchaus unaufgeregten Beitrag beizuspringen und sah erstaunlicherweise darüber hinweg, dass dort fast ausschließlich Männer das Sagen haben. Die Reaktionen in Kleinbloggersdorf indes waren teils dermaßen heftig, dass man fast glauben mochte, da habe wer aber einen empfindlichen Punkt getroffen. Die Empörung frommer Katholiken im Angesichte einer geschändeten Hostie könnte nicht größer sein.
Es gibt Leute, die sind offenbar leicht zu triggern. Könnten wir uns jetzt alle mal ein wenig abregen? Danke.
Man muss Sonneborn und der 'Partei' zugutehalten, schon mit einem ihrer frühen Slogans sehr genau auf den Punkt gebracht zu haben, worum es im modernen Politikbetrieb eigentlich geht: Inhalte zu überwinden nämlich. Lindners FDP, Merkels CDU und erst recht die AfD haben das längst kapiert, weswegen sie morgen vermutlich auch als große Gewinner des Urnengangs gefeiert werden werden. Weil sie nur mehr diffuse Gefühlslagen bzw. Ressentiments bedienen. 'Urnengang' übrigens ist eines dieser unnachahmlich deutschen Müffelwörter. Ähnlich schwer zu übersetzen wie 'Auslegeware'. Hat was von 'Opfergang', dazu die Konnotation mit einem Totenaschegefäß - Hammer! Kein Wunder, dass immer weniger sich damit gemein machen wollen. Aber zurück zum Thema.
Ein Kern der Kritik war ja, die 'Partei' bewege überhaupt nichts, sondern diene vor allem einer elitären Minderheit von Leuten, die sich aus der Politik weitgehend verabschiedet haben, dazu, sich als große, abgeklärte Durchblicker abfeiern zu können. Mein Thema ist, wie soll ich sagen? Nun ja, es geht darum, dass ich das Gefühl nicht loswerde, dass die 'Partei'-Kritiker vor allem in diesem Punkt nicht völlig unrecht haben. Schlimmer noch: Ich werde das dumpfe Gefühl nicht los, dass solche Form der Subversion am Ende auch furchtbar nach hinten losgehen könnte. Puh. Jetzt ist es raus. Ich weiß, ich habe Strafe verdient und erwarte eine gehörige solche.
Wie komme ich zu dieser Ungeheuerlichkeit von Meinung? Erfahrung. Biografie. Vielleicht sollte ich ein wenig ausholen. Innert zehn Jahren, zwischen 2002 und 2012, war ich, so mein alterndes Gehirn mir keinen Streich spielt, insgesamt vier Mal bei einem Liveauftritt des inzwischen verrenteten Volker Pispers zugegen. Und mit jedem Male stanken mir diese Veranstaltungen mehr. Das lag nicht an der Qualität des Gebotenen, im Gegenteil. Es lag am Publikum bzw. an dessen Entwicklung, die ich da zu beobachten glaubte.
Rauchen hat neben vielen Nachteilen, die's mich letztlich haben drangeben lassen, unbestreitbar auch den einen oder anderen Vorteil. Etwa den, dass man in der Raucherzone vor der Tür normalerweise leicht und problemlos mit Menschen ins Gespräch kommt. Weil's halt ein gemeinsames Thema gibt, das schon mal das Eis bricht. Und was ich während der Pispersschen Pausen so zu hören bekam, gefiel mir immer weniger. Zu Beginn, Anfang der Nuller, es waren die Amtsjahre eines George W. Bush und seines wahnwitzigen Irak-Unterfangens, fühlte ich mich pudelwohl. Anwesend war größtenteils eine Ansammlung von Nonkonformisten. Man sah sogar aus den Medien bekannte Leutchen da herumlungern. Du wurdest das Gefühl nicht los: Hier rührt sich was, hier ist Avantgarde. Das sollte sich grundlegend ändern.
Das Problem ist, dass so genannte alternative Sichtweisen noch keine Werte an sich sind. Und es wird problematisch, wenn diese alternativen Sichtweisen nur mehr Einladung zur großen Vereinfachung sind. Wurde bei meinem ersten Pispers-Abend noch geistreich und leidenschaftlich diskutiert, sah ich mich beim letzten Mal nur mehr umgeben von selbstgewissen Rechthabern. Einmal waren da mittelalte bis alternde Gnatterköppe. Die kloppten Parolen, mit denen sie kurz darauf auch auf einer Pegida-Demo hätten mitlaufen können. Alles Verbrecher da oben! Alle aufhängen! Wir wissen ja alle, von wem und von wo diese Welt regiert wird, aber wenn der Herr Pispers das auch nur einmal offen sagen würde, dann würde er vermutlich sofort verhaftet, weil er dann ja wieder der böse Nazi wäre. Bah!
Dann war da noch massig bestens situierte Mittelschicht. Teils mit gelangweilt dreinschauenden Teenagern im Schlepptau, die offenbar politisch imprägniert werden sollten. Die, also nicht die Teenager, versicherte sich selbst und gegenseitig in einer Tour, hach, wie recht der Mann doch habe, was man doch einfach nur mal müsste und wie irre doll man doch auf der moralisch richtigen Seite stünde - um dann, kaum dass das Saallicht wieder anging und man sich gen Heimat wandte, weiter zu machen mit dem doofkapitalistischen Sklaven- und Ausbeuterdasein, als sei nichts gewesen. Mir ward nur noch unwohl. Hier war nirgends mehr Aufbruch zu spüren oder Bewegung, sondern nur noch satte Selbstzufriedenheit, wenn nicht glatter Faschismus. Ich halte jede Wette, dass Pispers das alles sehr wohl mitbekommen hat und deswegen auch aufgehört hat mit dem strapaziösen Job. Finanziell werden die Schäfchen wohl im trockenen gewesen sein. Zu gönnen wär's ihm allemal.
Anderes Beispiel: 'Die Anstalt'. Die hatte zu Beginn ihrer Neuausrichtung mal einen echten Coup gelandet, indem sie die diversen Verstrickungen führender deutscher Großjournalisten aufdeckte. Es gab mächtig Krawall, man wurde verklagt, man gewann. Alles schön. Und, was ist seither geschehen? Die Enthüllung über die Medien gehört längst zum 'Lügenpresse'-Repertoire der AfD bzw. ihr nahestehender Kreise, ansonsten kann man sicher sein, dass es die Sendung noch sehr lange geben wird. Weil die Programmverantwortlichen genau wissen, wie folgenlos sie ist. Weil sie, wegen oder trotz aller inhaltlichen Brillanz und manchmal auch Schärfe, bei ihrem Stammpublikum längst die Funktion einer Sonntagspredigt eingenommen hat. Oder die einer Kuschelecke. Ich schaue die 'Anstalt' längst nicht mehr immer. Und wenn doch, dann denke ich zuverlässig: Ja, alles richtig, genau auf die Zwölf. Und? Die frenetischen Reaktionen des Publikums rufen das ungute Gefühl hervor, dass dort vor allem mal längst Bekehrte missioniert werden. Satire kann auch sehr bequem sein.
Was ich sagen will: Wie bei den genannten Beispielen sind bei der 'Partei' nicht die Aktiven das Problem, sondern das, was ihr Publikum aus dem Gebotenen macht. Es gibt diesen Punkt, und er kommt mitunter sehr bald, an dem Satire aufhört sich zu bewegen und sich einrichtet in einer wohlig warmen Nische. Dann droht die Sache zu kippen und, wie gesagt, nur mehr der Selbstbestätigung derer zu dienen, die sich auf ihre meist zugeschriebene Unangepasstheit und Ironiefähigkeit gern einen runterholen. Oder, schlimmer noch, mit einiger Verzögerung zum intellektuellen Selbstbedienungsladen für Rechte und Faschisten zu verkommen. Spätestens dann sollte man aufhören und etwas anderes machen, wenn einem die innere Hygiene lieb ist. Bei der 'Partei' könnte dieser Punkt möglicherweise bald erreicht sein.
Was ich noch sagen will: Wer für sich in Anspruch nimmt, anderen ans Bein zu pinkeln, sollte vielleicht weniger empfindlich sein, wenn ihm dasselbe widerfährt. Das könnte sonst als Indiz dienen, dass sich da jemand tatsächlich moralisch höherstehend dünkt. Einen Fehler nämlich, und da hat Martin Kaul völlig recht, sollte man auf keinen Fall machen: Sich für klüger halten als den blöden Rest, weil man mit der 'Partei' sympathisiert bzw. sie wählt. Tut keiner hier? Schön, dann will ich nichts gesagt haben.
Dass ich übrigens vieles von dem, was sie sich bei der 'Partei' so ausdenken, höchst amüsant finde, steht auf einem anderen Blatt.
7 Kommentare :
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So oder so, mach keinen Scheiß mit Deinem Kreuz ;)
AntwortenLöschenMan mag viele (berechtigte) Vorbehalte dagegen haben, Die PARTEI zu wählen.
AntwortenLöschenWenn man denn aber Protestwähler ist (sprich: die Illusion, zu verleugnen, via Wahlen expliziert irgendwas am neoliberalen Konsens zu verändern), ist es dann nicht zu befürworten, eine Alternative zur AfD zu haben?
Wenn man sich denn gegen eine Partei (Die PARTEI) ausspricht, sollte man dann doch argumentieren, warum eine andere Partei die eigene Stimme (mehr) verdient.
Ich finde es unglücklich, unmittelbar vor der Wahl, sich gegen eine Partei auszusprechen, die Protestwählerpotential jenseits der AfD auffängt.
Meiner Wahrnehmung nach drohen größere Gefahren, als das ausgerechnet Die PARTEI zu viele Stimmen bei sich vereinigt.
Bei allen beschissenen Parteien, die lediglich das neoliberale Weltgefüge verwaltem wollen, muss kurz vor der Wahl ausgerechnet vor Der PARTEI gewarnt werden?
Was wäre denn so schlimm, wenn Sie an Macht gewinnen würden?
Dass Bundestagsdebatten kontroverser und wieder spannend würden?
Oder ist der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet, durch Die PARTEI?
Stefan, ich verstehe nicht, dass Du gegen eine Partei argumentierst, die eh nicht die 5%-Hürde packen.
Anders als die FDP und die AfD, die vielleicht mehr Kritik (kurz vor der Wahl) verdient hätten.
Die PARTEI bündelt das Protestwählerpontial ohne es Rechtsgerichteten zu überlassen.
Sollte es Dir nicht lieber sein, dass Protestwähler die AfD wählen, so ist Deine Kritik vielleicht gerechtfertigt, aber kurz vor der Wahl möglicherweise nicht Deiner eigenen Haltung entsprechend.
Ich halte es (kurz vor der Wahl) für ausgesprochen ungeschickt, gegen die Partei anzuschreiben, die Protestwähler jenseits nationalistischen Weltanschauungen (AfD) bündelt.
In der Sache mag Deine Kritik ja teilweise berechtigt sein.
Aber in der Konsequenz leistest Du einen Bärendiest für die Zementierung bestehender politischer Verhältnisse.
Es gibt so viele Gründe und Argumente gegen die etablierten Parteien anzufügen.
Und ausgerechnet gegen eine linksgerichtete, satirische Oppositionspartei muss man kurz vor der Wahl anschreiben?
In der Sache kann man wahrlich jeder Partei etwas vorwerfen.
Besonders gegen jene, die die Reichtumsverteilung von unten nach oben organisieren.
Warum (aus linker Stoßrichtung) die Kritik ausgerechnet gegen eine oppositionelle Partei unterhalb der 5%-Hürde zielt, erschließt sich mir nicht.
Trotzdem nix für ungut.
Liebe Grüße
Duderich
Chill mal, Alter!
LöschenIch habe mich nicht gegen die 'Partei' ausgesprochen. Ich habe auch nicht die Absicht, jemanden davon abzuhalten, sie zu wählen (könnte ich auch gar nicht, glaube ich). Ich halte lediglich die von einigen Seiten in sie (und in Satire generell) gesetzten Erwartungen für heillos überzogen. Anders gesagt: Es würde mich nicht wundern, wenn wir das, was wir heute bei der 'Partei' sehen, schon sehr bald bei AfD und 'Identitären' wiederfinden.
@gnaddrig: Keine Sorge. ;-)
Hast ja Recht.
LöschenDeine Kritik geht ja nicht gegen Die Partei sondern, dass sie möglicherweise aus den falschen Gründen gewählt werden/wurden.
Mein Grund sie zu wählen, waren aber natürlich die richtigen!
;-)
Ich habe NPD gewählt, um die AfD zu schwächen.
AntwortenLöschenSchöne Analyse. Mich hat auch die Heftigkeit der Debatte erstaunt. Der abgeklärte Zynismus der Parteiwähler hilft dann irgendwann auch nicht mehr weiter, wenn es wirklich ernst wird.
AntwortenLöschenEs gibt keine Protestwähler. Diese Leute bringen ihren ganz bestimmten Willen und ihre konkreten Interessen unter dem Label des Protest zum Ausdruck.
AntwortenLöschenSolche Typen will ich auch nicht mit dem falschen Glauben an die Überzeugungskraft des besseren Arguments "abholen". Dort wo sie sind, sollen sie gefälligst bleiben, damit ich sie besser identifizieren und bekämpfen kann.