Samstag, 15. September 2018

Stei! Polizop!


Wie die Prioritäten liegen

3.500 bis 4.000 Polizeibeamte mit schwerem Gerät bietet das Land Nordrhein-Westfalen nach Medienangaben auf, um 200 Hektar rheinischen Restwald roden zu können. Dazu war es nötig, amtlich festzustellen (vermutlich nachdem man neueste Supercomputer angeschafft und die brightesten US-Hochschulabsolventen rekrutiert hatte), dass die 50, zum Teil seit Jahren existieren Baumhäuser den Bestimmungen des Brandschutzes nicht genüge tun (ein Glück, dass die Waldbrandsaison...). Gut, spätestens seit dem Berliner Flughafen weiß jedes Kind, dass in Deutschland Gebäude, die die Auflagen des Brandschutzes nicht erfüllen, qua ministerieller Verfügung unverzüglich durch die Polizei per Bulldozer abzuräumen sind. Bei Gefahr im Verzuge darf Der RechtsstaatTM kein Pardon kennen, es geht schließlich um unser aller Sicherheit.

Dass es sich beim Hambacher Forst um den Lebensraum zahlreicher geschützter Tierarten handelt? Nix da, Recht muss Recht bleiben und für alle gelten.

Fun fact: Beim Kuchenessen auf der Terrasse eine Wespe ohne vernünftigen Grund zu töten, kann 5.000 Euro Bußgeld kosten. Eine Wespe einer besonders geschützten Art wie der Kreiselwespe oder der Knopfhornwespe sogar bis zu 50.000. Ist ja nicht so, dass man hierzulande Naturschutz nicht ernst nehmen würde.

Der Fairness halber sollte erwähnt werden, dass es seitens der Baumbesetzer vereinzelt zu Gewaltanwendung unter anderem mit Zwillen gekommen sein soll. Nicht schön, das, keine Frage.

"Am 3. September 2018 präsentierte die Polizei den Medien ein buntes Arsenal  [sic!] an beschlagnahmten Waffen der Aktivisten. Neben einigen Zwillen handelte es sich vor allem um forstliches Gerät (Beile, Äxte, Macheten). Einen Tag später musste das Innenministerium NRW einräumen, dass ein großer Teil der gezeigten Gegenstände bereits im Sommer 2016 beschlagnahmt worden war und somit nichts mit den aktuellen Aktionen zu tun hätten. Das Ministerium teilte mit, die Waffen seien »exemplarisch« gezeigt worden." (Wikipedia)

Aha. Auch böse Worte wie 'Bullenschweine' o.ä. mögen da und dort gefallen sein. Weiß man nicht, ist aber im Rahmen des Möglichen. Nicht schön auch das. Werden Ordnungskräfte derart geschmäht und und wird ihre Legitimität auf diese Weise infrage gestellt, dann muss selbstverständlich mit aller Härte reagiert werden.

Als sich am Montag, den 27. August 2018, erneut zirka 5.000 zum Teil gewaltbereite Demonstranten in Chemnitz versammelten, bot das Land Sachsen nicht weniger als 600 Polizeibeamte auf, um die Lage unter Kontrolle zu halten. Was aber teilweise misslang. "Die Beamten wurden von ihnen als »Fotzen« beschimpft. Wenn Polizisten herumstreunende Demonstrationsteilnehmer aufforderten, sich zum Versammlungsort zu bewegen, kamen die der Aufforderung zuweilen nicht nach. »Interessiert mich einen Scheiß, was du willst.« Ein Mann spuckte diese Worte einem Beamten geradezu ins Gesicht. Folgen: keine." (Antonie Rietzschel) Schon am Vortag war die Lage eskaliert, die man zuvor falsch eingeschätzt hatte und es waren Polizisten tätlich angegriffen worden. "Der Zulauf habe das erwartbare Maß überschritten, sagte noch am Abend ein Sprecher der Polizei." (Rietzschel, ebd.) So geht‘s zu, wenn man in Sachsen eine Stadt 'nicht den Chaoten überlässt'.

Fun fact: Beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg sollen mehr als 31.000 Polizeibeamte im Einsatz gewesen sein. Und was passieren würde, wenn man unterhalb von Chemnitz auf größere Braunkohlevorkommen stieße, mag man sich gar nicht erst ausmalen.

Mal so eine Idee, liebe Sachsen: Warum tauschen wir nicht einfach? Wir leihen euch ein paar von unseren NRW-Waldbewohnern aus, die mit ihrem 'bunten Arsenal' den Platz vor diesem klobigen Marx-Klotz besetzten. Dafür karren wir, sagen wir, 1.000 von euren Fascho-Hooligans in den Hambacher Forst. (Nur vorübergehend natürlich. Nicht, dass diese Migranten sich am Ende noch breitmachen hier.) Jede Wette, in Chemnitz gönge es in Nullkommanix wieder so ruhig und ordentlich zu wie in Karl-Marx-Stadt 1981, und der Braukohleabbau hier würde auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Weil der Zulauf das erwartbare Maß überschreiten würde. Win-win. Deal?





5 Kommentare :

  1. In Chemnitz stand die unterbesetzte Polizei bulligen Typen gegenüber, die sich vermutlich alle in Fitness-Studios ihre Muskelpakete durch Bankdrücken usw. zugelegt haben. Mit diesen Anabolikazüchtungen, von denen jeder einzelne eine Kampfmaschine ist, sind die veganen Spargelaktivisten im Hambacher Forst nicht zu vergleichen. Hools hätten sich nicht so leicht von den Bäumen pflücken lassen.

    Um die politische Verantwortung für das Schmierentheater im Hambacher Forst nicht zu verschweigen: Es war die rot-grüne NRW-Landesregierung, die der RWE sorgfältig das Bett gemacht hat, in das sich die CDU/FDP-Regierung nur noch hineinlegen brauchte. Jetzt demonstrieren dort Grüne gegen ihre eigenen Entscheidungen. Nicht zum ersten Mal.

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    1. Chemnitz war wieder einmal eine beeindruckende Demonstration des sog. Volkswillens derjenigen, die vom Staat das nationale Selbstbestimmungsrecht einfordern, zu entscheiden wer zum Volk gehört und wer nicht.

      Wer skandiert "Wir sind das Volk", der bekundet damit nicht seinen Anspruch auf Individualität und seine besonderen Interessen, sondern nur seine Unterwürfigkeit gegenüber dem Staat, mit dem er sich identifiziert.

      Da braucht es kein grosses Polizeiaufgebot, wenn man sich dem Staat so andient. Was dann doch nicht so ganz ins Bild passt ist, dass dieser Pöbel sich total enthemmt, anstatt sich sinnlos zu besaufen.

      Im Hambacher Forst hat das ganz andere Dimensionen und führt deshalb zu einer massiven Aufgebot an Polizeipräsenz. Hier verteidigt die bürgerliche Gesellschaft, das Kapital, ihre/ seine Menschenrechte. Und das sind vor allen hinzugefügten Zutaten das Recht auf Freiheit und das Recht auf Eigentum.

      Für mich geht es dabei um den unbedingten machtpolitischen Willen zu demonstrieren, dass keinerlei Einschränkungen oder Behinderungen an der Verwertung des Eigentums geduldet werden.





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    2. @Troptard:
      "Für mich geht es dabei um den unbedingten machtpolitischen Willen zu demonstrieren, dass keinerlei Einschränkungen oder Behinderungen an der Verwertung des Eigentums geduldet werden."

      Im Hambacher Forst verläuft eine symbolische Grenzlinie zwischen Kapitalverwertung und außerparlamentarischem Widerstand.
      Dieser Wald wird allmählich (auch durch die wachsende Medienpräsenz) ein Schauplatz für Widerstand gegen genau jene Kräfte, die Du beschreibst. Und lockt wohl immer mehr sich Sollidarisierende an.

      Und ein Wald ist nun mal schwieriger zu räumen, als irgend ein Platz oder ne Straße.
      Bin mal gespannt, wie das weiter geht...

      LG

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  2. Wieder mal sehr lesenswert ein Kommentar von Thomas Fischer:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/hetzjagd-migration-und-maassen-offenkundig-ausser-kontrolle-kolumne-a-1228154.html

    Auszug: "II. Guben, Chemnitz
    Am 13. Februar 1999 sprang in Guben, einem bezaubernden Städtchen in Brandenburg, ein junger algerischer Mensch, verfolgt von elf rechtsradikalen Schlägern, die auf der Jagd nach einem Kubaner waren, in Todesangst durch eine Glasscheibe. Er verletzte sich dabei so schwer, dass er verblutete. Sein Freund wurde so lange verfolgt und zusammengeschlagen, bis man ihn für tot hielt und liegen ließ. Ein drittes Opfer wurde von der Polizei aus einem belagerten Bistro gerettet. Die Täter verfolgten das Polizeifahrzeug und versuchten, in die Polizeiwache einzudringen. "

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  3. https://www.heise.de/tp/news/Hambacher-Forst-Tausende-bei-Waldspaziergang-4166167.html

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