Heute: Leo Fischer über Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine
"Soeben ist Gerhard Schröder von seiner Spezialoperation aus Moskau zurückgekommen. Spötter meinen, die Reise habe vor allem den Bedürfnissen seines Privatvermögens gegolten. [...] Sein alter Erzrivale Lafontaine hingegen ist aus der Linkspartei ausgetreten, seiner eigenen Gründung. Sie sei ihm nicht mehr »friedenspolitisch« genug, womit er wahrscheinlich meint, dass es auch noch Vertreter der Partei gibt, die nicht eins zu eins die Kremlpropaganda nachplappern. Jetzt sind sie beide, Schröder und Lafontaine, zuguterletzt auf ihr publizistisches und unternehmerisches Glücksrittertum heruntergefallen; skurrile Gestalten, denen man kaum anmerkt, dass sie vor 20 Jahren noch Berge versetzt haben; [...]
Der ehemalige Brioni-Kanzler Schröder stellte [...] seinen Oligarchenwohlstand zur Schau, lieferte bizarre Haushaltsszenen auf Instagram und fixierte die SPD auf einen Pro-Putin-Kurs, dessen Preis Europa, allen voran die Ukraine, gerade jeden Tag zahlt. Lafontaine hingegen forderte noch am 14. Februar mehr »Putinversteher« für den Frieden - wenige Tage, bevor die ersten Raketen einschlugen.
Ihr mäandernder Lebensweg hat sie am Ende in der gleichen griechischen Fabelhölle zusammengeführt: Der quälende Ehrgeiz, der sie einst an die Macht brachte, wird es ihnen bis zum Tode unmöglich machen, einen Ruhestand in Würde und Bequemlichkeit zu führen. Noch bis zum letzten Atemzug Seite an Seite mit dem Intimfeind Diktatoren verteidigen müssen - eine Strafe, die sich Dante nicht plastischer hätte ausdenken können." (nd, 18. März 2022)
Anmerkung: Oskar Lafontaine und seinen Erzrivalen Gerhard Schröder mag vieles trennen, aber sie verbindet auch vieles. Vielleicht konnten sie sich deswegen nicht riechen, weil sie irgendwann im jeweils anderen ihr Spiegelbild erblickten. Beide aus 'einfachen' klein(st)bürgerlichen Verhältnissen stammend, ohne Vater aufgewachsen, großgezogen von starken Müttern, die den Laden irgendwie ohne Ehemann und Vater wuppen mussten. Beide einte stets eine emporkömmlerische Verbissenheit, es der Welt zu zeigen.
Auch einen Hang zum ostentativ gelebten Hedonismus teilten sie - Schröder war mehr der Typ des zu Geld gekommenen Baulöwen, der seinen neuen Wohlstand gern herzeigte. Lafontaine, intellektuell zweifellos der brillantere, wurde eher der 'Toskana-Fraktion' zugerechnet, jenen Nachkriegssozialdemokraten, die mit dem proletarischen 3B-Gedeck aus Bier, Bratwurst und Biko nichts mehr am Hut hatten und statt dessen lieber Antipasti und Chianti schnabulierten. Beide konnten Mengen mitreißen, Mag Lafontaine auch die feine Klinge beherrscht haben und das große Ganze, war Schröder besser im Bierzelt. Abgesehen davon, dass Intellektuelle kaum jemals erfolgreiche Politiker sind (die Reihe großer Denker, die in politischen Ämtern versagten, ist lang), war die SPD vermutlich zu klein für zwei Egos dieser Größe. 1999 kam es zum Showdown, den Lafontaine verlor.
Man kann spekulieren. Ob es vielleicht die Bundestagswahl 1990 war, die in Lafontaine jenen Zynismus aufkeimen ließ, der ihn später anfällig machte für Gekuschel mit Rechten und Rassisten. Nur knapp hatte er ein Attentat überlebt und er lag im Wahlkampf richtig mit seiner Einschätzung, die Einheit würde mitnichten eine gemähte Wiese sein, sondern ein schmerzhaftes, beschwerliches Generationenprojekt mit offenem Ausgang. Die Wähler aber straften ihn ab und wählten statt dessen Kohl, der ihnen "Blühende Landschaften" versprach. Man weiß es nicht.
Und schließlich beide hatten das Talent, das, was sie mit den Händen aufgebaut hatten, später mit dem Hintern wieder einzureißen. Beide zogen sich selbst den Stecker: Lafontaine trat als Finanzminister zurück, Schröder quasselte sich 2005 bei der 'Elefantenrunde' um Kopf und Kragen. Schröder wurde im Alter schmerzfrei, Lafontaine verbiss sich immer mehr in die Obsession, seine alte Partei zu demütigen und zu bestrafen und öffnete sich, wie gesagt, nach rechts. Genützt hat es ihm nichts.
Gern wird moniert, im Bundestag säßen zu wenige Abgeordnete aus so genannten ‚einfachen‘ Verhältnissen. Der Blick auf Schröder und Lafontaine zeigt: Das allein ist noch keine Lösung. Eine bestimmte soziale Herkunft macht einen nicht automatisch zu einem empathischeren, sozial eingestellten Menschen. Im Gegenteil: Gerade die Aufsteiger, die sich von ganz unten durchgebissen und durchgekämpft haben, sind oft die härtesten. Zumindest im Falle Schröders ist das allemal safe.
... irgendwie trotzdem ein Plädoyer für die SPD? Zumindest sehe ich dort mehr dererlei Karrieren als bei den anderen etablierten Parteien. AfD ausdrücklich wegen ähemm ... ausgenommen.
AntwortenLöschenGruß
Jens
Die Sozialnarzisstische Partei Deutschlands, kurz auch SPD genannt hat es damals nicht gekonnt und kann es auch heute nicht reißen. Das Cum-Ex-Gefolge der Pfeffersäcke soll es im US-America-Only-Gespann nun zu neuen Rekorden treiben. Das ist so lächerlich, dass selbst ein Atomkrieg nicht auszuschließen ist. Nicht, dass die anderen Parteien je viel besser waren, aber immerhin nicht ganz so schlimm für das einfache Volk.
AntwortenLöschen....deine letzten zwei Sätze treffen es genau: wer von ganz unten hochkommt, der verachtet die "Unterschicht" am meisten. Huber von der CSU war auch so einer.
AntwortenLöschenEntschuldige, was ist Biko?
AntwortenLöschenDie Abkürzung für 'Billiger Korn. Gibt auch 'Gabiko'. Das muss ich hoffentlich nicht erklären. ;-)
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