Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Sonntag, 11. Dezember 2016
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (12a)
Der Spaß geht weiter
Nach meiner vortäglichen, unerfreulichen Begegnung mit der Nacherhebungsstelle eines großen Transportunternehmens, dessen Namen ich mir nicht zu nennen vorgenommen habe, und einer überschlafenen Nacht, dachte ich, ich kontaktiere den Laden mal an zuständiger Stelle. In meiner Naivität, deren Ausmaß zu umreißen allenfalls Lichtjahre ausreichen, dachte ich nämlich, ein moderner Dienstleister nähme Kritik seiner Kunden - ich wiederhole mich: seiner zahlenden Kunden - ernst und veranlasste am Ende gar Nachforschungen und gegebenenfalls Verbesserungen, so sich bestimmte Vorfälle häufen. Anders gesagt: Narr, der ich war, hatte ich gedacht, man begriffe bei einem modernen Dienstleister Kritik auch als Anregung. Ist inzwischen eigentlich sogar üblich.
Samstag, 10. Dezember 2016
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (12)
Hin und wieder passiert es mir, leider. Gestern habe ich es wieder getan und ich bin nicht stolz darauf. Ich, der ich die Langmut in Person sein kann, bin ausgeflippt und habe am Telefon einen Menschen übel angeranzt, der nix dafür kann, aber irgendetwas bei mir getriggert hat. Es war wohl einfach jenes eine, entscheidende Gran zu viel. Mein Tonfall tut mir im Nachhinein natürlich leid und war auch nicht persönlich gemeint, aber ich hasse dieses Gefühl, wenn ein Laden, der sich nach außen hin Dienstleistung und Kundenorientierung auf die Fahnen schreibt, bei erster Gelegenheit auf jegliche Dienstleistung und Kundenorientierung pfeift, sobald er in entsprechender Position ist, statt dessen das Gebaren eines Königlich Preußischen Steuereintreibers annimmt und einem signalisiert: Wir haben dich an den Eiern, Freundchen, und du kannst absolut nichts machen. Du entkommst uns nicht. Zahl einfach.
Donnerstag, 8. Dezember 2016
Nice try
Das gestrige Spiel Real Madrids gegen Borussia Dortmund war eines, für das man als Fußballaffiner zwanzig öde Grottenkicks in Kauf nimmt. Obwohl beide Teams bereits fix im Achtelfinale waren und es 'nur' um den Gruppensieg ging, gab es 93 Minuten Tempo, Taktik und einen Schuss Wahnsinn. Am Ende hieß es im Bernabeu 2:2. Reus' Ausgleichstor kurz vor Schluss nach brillanter Vorarbeit von Aubameyang war schiere Wucht, Energie, Filigrantechnik und Eleganz. Ambivalenz des modernen Profifußballs: Nach so einem Spiel und erst recht den Gemeinschaftserlebnissen, die es zu stiften vermag, ist einem egal, dass da 22 Jungmillionäre auf dem Platz standen, von denen die meisten in Autos zum Training gefahren kommen, deren Anschaffung für die allermeisten Fans so weit entfernt ist wie eine Weltreise erster Klasse auf der 'Queen Mary'.
Montag, 5. Dezember 2016
Hofburg, zweiter Versuch
Dass gestern bei der österreichischen Präsidenten(stich)wahl der von der FPÖ aufgestellte Norbert Hofer nicht gewonnen hat, ist eine gute Nachricht, das lasse ich mir um keinen Preis wegdiskutieren. Wäre es nämlich anders ausgegangen, dann hätte diese Wahl, einem verbreiteten Bonmot zum Trotze, sehr wohl so einiges verändern können. Keine Frage, nicht nur im südöstlichen Nachbarland muss Leben in die muffige Bude des einseitig neoliberal verfilzten Politbetriebs, doch gibt es andere, muss es andere Wege geben, den etablierten Parteien Feuer zu machen, als einem Rechtsaußen mit Faible für Austrofaschismus in eine Position zu hieven, in der er zwar nicht viele Befugnisse hat, aber im Gegensatz zum deutschen Bundespräsidenten doch welche, mit denen er so einiges anrichten kann.
Dienstag, 29. November 2016
Herr S. wirft mit Dreck
Über den möglichen nächsten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz kann man sicher einiges Kritische sagen. Auf der untersten Ebene politischer Auseinandersetzung kann man ihn und seinen manchmal schwerzüngigen rheinischen Akzent schlicht unsympathisch finden oder sich meinetwegen auch ein wenig lustig machen darüber bzw. über seine provinzielle Herkunft, obwohl er dafür nichts kann. Wäre aber noch im Rahmen für mich. Ferner kann man ihn selbstverständlich für jede seiner Positionen angreifen, man kann ihn einen pupsgrauen Karrieristen nennen, einen abgehobenen Eurokraten, der die Knechtung Griechenlands und anderer angeblicher Pleitestaaten unter die Austeritätsknute mit entsprechend brachialer Rhetorik maßgeblich mitbetrieben hat. Kann man alles tun. Sollte man sogar. That's demoracy.
Samstag, 26. November 2016
Leistungsträger - im Cockpit und anderswo
Der legendäre Ewald Lienen meinte kürzlich in einem Interview, der Sektor des Profifußballs sei vor allem deshalb so üppig finanziert, die gezahlten Summen für Gehälter, Werbung und Übertragungsrechte so astronomisch, weil er - Panem et Circenses, der alte Klassiker - die Funktion habe, das Volk zu unterhalten, auf dass es nicht auf die Idee komme, an den herrschenden Verhältnissen etwas ändern zu wollen. Anders: Der Zirkus trage maßgeblich dazu bei, dass es noch ein wenig dauert mit der Revolution. Der kluge Mann weiß übrigens, wovon er redet, denn er hat 2012/13 bei AEK Athen gearbeitet. Einsichten wie die erstere jedenfalls hat er etlichen Redakteuren großer überregionaler Tageszeitungen definitiv voraus.
Freitag, 25. November 2016
Stolperstein
Termin in einer Schule in der Nähe. Es war mir vorher nicht bewusst, dass es sich um diese Schule handelt. So kam die Begegnung mit der an einer nicht zu übersehenden Stelle des Schulhofs angebrachten Gedenkstätte überraschend. Glupp. Einer dieser Momente im Alltagstrott, in denen einem unversehens klar wird, mit welch unwichtigem Kram man sich normalerweise so zu befassen pflegt.
Dienstag, 22. November 2016
Untote
Christian Krachts anstrengend ennervierender Roman 'Die Toten'
Jochen Malmsheimer, jener Großmeister des sprachlichen Floretts, merkte einmal schwer widerlegbar an, es gäbe Eigennamen, die in sich bereits ganze Sätze seien. Marion Kracht etwa. Oder Steffen Seibert. Den nicht mit Marion verwandten Christian Kracht hingegen erwähnte er nicht. Warum, will mir ein Rätsel bleiben. Was das mit dem Thema zu tun hat? Eigentlich nichts. Ich möchte halt ein Buch des Letztgenannten rezensieren und habe irgendwie nach einem Einstieg gesucht. Und weil es sein kann, dass es bei jenem Christian gewaltig kracht im Hirn. Sein 1995 erschienener Erstlingsroman 'Faserland' wirbelte damals einiges an Staub auf. Ein Jahrhundertbuch!, jubelte ditt noch janz frisch jesamtverdeutschte Föjetong. Der Retter und Erlöser der schwer an notorischer Walser-Grass-Sklerose leidenden deutschsprachigen Gegenwartsliteratur schien in dem schmalen blonden Jüngling endlich gefunden.
Sonntag, 20. November 2016
Über die Bleierne
"Ich glaube wirklich, dass Angela Merkels Technik darin besteht, Betäubungszonen auszudehnen. Also, ich habe in anderem Zusammenhang gesagt, "sie chloroformiert das Land", und zwar dadurch, dass sie bestimmte Dinge nicht mehr der Befragbarkeit übergibt. Dazu gehört, wenn Sie die Neujahrsansprache schon angesprochen haben: Es kommt NSU, NSA nicht vor. Es kommt nicht Lampedusa vor, Afghanistankrieg nicht vor, die neue Große Koalition kommt nicht vor, sondern sie hat begriffen, dass größtmögliche Reibungslosigkeit und damit auch kontinuierliche Unterforderungen unserer zerebralen Tätigkeit dazu führt, dass man sie mag, während Steinbrück mit einem einzigen Satz bereits etwas macht, was irgendwie Kontur hat.
Samstag, 19. November 2016
Die Neuerscheinungen
Und? Den Meilenstein mitbekommen? Gestern haben Metallica ihr neuestes Werk veröffentlicht. Angesichts der medialen Rezeption muss man feststellen, dass die vier älteren Herren einigen ihrer Rezipienten eine Erkenntnis offenbar voraus haben: Die, dass die Zeit sich nicht zurückdrehen lässt. Nicht falsch verstehen, ich finde es völlig okay, wenn Menschen sich halbwegs treu bleiben, alte Verbundenheit respektieren etc. Die Frage ist halt nur, ob man es nicht auch übertreiben kann. So frage ich mich mitunter, ob es Musikschreibern nicht irgendwann selbst zu blöd ist, jedes neue Album der kalifornischen Krachkünstler an den ganz alten Glanztaten zu messen. Jedes Mal aufs Neue: Sind sie noch so gut wie früher, bevor sie sich nach dem Schwarzen Album endgültig dem Kommerz an den Hals geworfen haben? Oder den Hardcore-Fans, die artig jedes neue Album kaufen in der Hoffnung, dieses mal endlich, endlich die neue 'Master Of Puppets' in Händen zu halten, die dort anknüpft, wo 'And Justice For All' einst aufgehört hat?
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