Sonntag, 14. Februar 2016

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (10)


Sprüche, nichts als Sprüche!

Wann hat das eigentlich angefangen? Geschäfte, in denen mit mehr oder weniger (meist weniger) witzigen Sprüchen versehene Sachen zu kaufen sind, kenne ich, so lange ich denken kann. Klo-Ordnungen. Türschilder. Lustige Abreißkalender und Kaffeepötte fürs Büro. Solange mein Chef so tut als würde er mich bezahlen, tue ich so als würde ich arbeiten. Hahaha, so funny because it's true! Diddelmaus-, Namens- und Sternzeichentassen. Fußmatten, auf denen "Tritt mich!" steht. Nur galt so was einmal als Scherzartikel und es gab das ausschließlich in einschlägigen Läden oder eigenen Kaufhausabteilungen. Heute ist das überall. Schaut man sich das Sortiment gewisser Etablissements so an, dann könnte man auf die Idee kommen, der Großteil der hiesigen Wohnungen sei inzwischen irgendwelchen Sentenzen zugepflastert.

Wann haben sie angefangen zu glauben, ein Oberbekleidungsstück sei ohne irgendeine Aufschrift, gleich wie dämlich, irgendwie nicht vollständig? Nicht mal mehr vor den Kleinen machen sie Halt. Seit einigen Jahren gibt es auf jeder Kirmes Strampelanzüge und Kinderklamotten zu kaufen, auf denen brüllkomische Sachen stehen wie "Nachwuchszicke", "Princess", "Arschloch im Training“, "Kleiner Casanova" oder noch Ordinäreres. Bei Kleidung kann ich's ja sogar noch ein wenig verstehen. Sachen mit Sprüchen und Parolen drauf galten einmal als rebellisch und als Zeichen für eine gewisse Unangepasstheit. Heute hofft man im Stillen darauf, dass die wehrlosen Kinder, die in so was hineingesteckt werden, es ihren Eltern später einmal gebührend heimzahlen werden, wenn sie die alten Fotos sehen.

Am Wochenende war ich auf der Suche nach einem Behälter für das in der Küche immer gebrauchte Salz. Damit ich nicht in alle Ewigkeit mit diesen Pappschachteln herumhantieren muss, in denen es geliefert wird. So geriet ich in diverse Läden, von denen ich annahm, dass sie so was vorrätig haben müssten. Blocker, xenos, Nanu-Nana, Depot. Weil ich mich sonst kaum da herumtreibe, war mir nicht bewusst und ich wurde daher umso schmerzlicher daran erinnert, in welchem Maße inzwischen so ziemlich jedes Haushaltsuntensil mit nichtssagenden Allerweltsweisheiten oder etwas vom Dalai Lama vollgeklötert wird, das offenbar witzig sein oder zum Nachdenken anregen soll.

Be Happy!
Träum nicht dein Leben, lebe deinen Traum!
Gähnen ist ein stummer Schrei nach Kaffee.
Lebe jeden Tag als sei es dein letzter.
Hinfallen. Krönchen richten. Weitergehen! (Und andere Klassiker des Feminismus)
Neuer Tag, neues Glück.
Liebe ist...
Die einen sagen so, die anderen so.
Nachts ist es kälter als draußen.
Wenn du das Licht ausmachst, wird es dunkel.
Salomon der Weise spricht: Laute Fürze stinken nicht.
And so on.

In der DDR bekam man Durchhalteparolen zwangsweise aufgenötigt, heute geben die Menschen ihr eigenes Geld aus dafür und hängen sich's freiwillig in die Küche oder saufen ihren Kaffee daraus. Das nennt man wohl Fortschritt. Honecker und Mielke haben auf ihren Wolken eh längst aus Frust ihre Harfen in die Ecke gefeuert, als sie gesehen haben, was die Leute heute freiwillig und ganz ohne teure, verhasste Stasi so alles an Daten rausrücken.

Aber wir haben ja Kapitalismus. Daher saugen vermutlich unbezahlte Praktikanten, die sich für kreativ halten und was mit Design machen wollen, sich das aus den Fingern oder klöppeln es gleich aus dem Internet zusammen und mailen das in den ostasiatischen Sweatshop, in dem das unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wird. Zwei Wochen später landet der Kram dann als kreischbunte oder voll authentisch auf alt gemachte Irdenware per Container im Hamburger Hafen, von wo aus das Gerümpel in die Läden kommt. Dort wird es dann von grenzenlos gelangweilten Menschen gekauft, die wegen originell und witzig auch Olivenschiffchen und Baguettewannen kaufen. Weil sie nicht mehr wissen wohin mit ihrer Kohle, zum Spenden aber zu geizig sind.

Inhalt? Egal! Farbe? Egal! Hauptsache Spruch drauf...
"Be your own kind of beautiful" - etwas vergiftet für meinen Geschmack.





Da vorn ist die Kasse. Noch jemand ohne Spruch? Dann aber schnell!
Früher hieß es Wort zum Sonntag. Oder Abreißkalender.
Ja gut, auch ein blindes Huhn...

Lieber nicht nachdenken sollte man darüber, welche Halbwertszeit der ganze Klumpatsch im Schnitt so haben dürfte und wie schnell die glücklichen Käufer das wieder über haben. Was soll's, die Wegwerfgesellschaft frisst sich halt durch den gesamten Warenkorb. Früher waren's nur Kulis und Feuerzeuge, heute ist dank Billighökern wie Primark auch Kleidung zum Wegwerfartikel geworden und jetzt eben Haushaltswaren mit kürzestem MHD.

Meine Suche verlief übrigens erfolglos. Beziehungweise nicht. Eine geeignete Gerätschaft fand sich nämlich im eigenen heimischen Bestand. Ein leerer nicht mehr genutzter und gründlich ausgespülter Senftopf vom braven Senfmüllersmann Guido Breuer aus Monschau (dessen Produkte hiermit offiziell und wärmstens empfohlen werden). Stabil, zeitlos schön aus Salzkeramik, mit Korkdeckel. Und komplett umsonst auch noch. Nimm dies, Wegwerfgesellschaft!



13 Kommentare :

  1. Ganz schlimm sind auch diese Wandtattoos, die sich irgendwelche armen Seelen an die Wand im Wohnzimmer, Küche oder Schlafzimmer kleben. Dann klebt da auf einmal so ne tibetanische Weisheit aus der Gruft oder ein anderer gut abgehangener Spruch an der Wand und wenn man fragt, was das soll, kommt dann immer: "Das ist mein Lebensmotto, hihi". Das Hauptproblem ist, dass die meisten Menschen keinen Stil haben. Null Geschmack für Ästhetik besitzen. Deswegen konnte die Diddl-Maus so lange überleben. Oder dieser auf alt gemachte und überteuert verkaufte Krempel aus dem Einrichtungsgeschäft. Mit Sprüchen drauf.

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  2. "Daher saugen vermutlich unbezahlte Praktikanten, die sich für kreativ halten und was mit Design machen wollen, sich das aus den Fingern."

    Das für einen Blödsinn immer Praktikanten verantwortlich gemacht werden...tztz. Die meisten von denen haben in ihren Betrieben sowieso nichts zu melden, da dürften sie mit ziemlicher Sicherheit auch nicht an Design-Entscheidungen teilhaben. Ich vermute, es ist häufiger wohl eher so, dass die bezahlten Vollzeitkräfte sich für wahnsinnig kreativ, toll, begabt und witzig halten. Die verüben dann solche Sachen. Genauso wie auf den offiziellen Twitter- und Facebook-Präsenzen von allerlei Unternehmen. Nur mal so nebenbei, um diesem ewigen Klischee vom "Praktikanten Bockmist" zu widersprechen ;-)

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  3. Hallo Herr Rose, wie üblich - ich war sonst immer anonym - dank für den Artikel. Mir missfällt so etwas auch. Ich möchte Sie ja nicht desillusionieren, aber ich kenne Leute, die so was selbst herstellen und das für Kunst halten. (Ich will den Leuten die Fähigkeiten deshalb nicht absprechen.) Nix Praktikanten. Es gibt eben einen Markt und eine Zielgruppe für so was, und was gekauft wird...

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    1. Danke fürs Offenbaren - sehr interessanter Blog, den Sie da am Start haben. Und klar geht es um Angebot und Nachfrage. Ist halt nur so interessant, dass Durchhalte- und Motivationsparolen jenseits der Mauer früher meist sehr heftig belächelt wurden.

      @epikur: Nu ja, vieles sieht halt aus wie von Praktikanten. Ich glaube ja eh, die machen in der Kreativbranche die eigentliche Arbeit. Bin schließlich auch nicht frei von Vorurteilen... ;-)
      @MT: "Lebensmotto" - ja, da fällt mir immer spontan Charlie Brooker ein, der einmal sagte: "If you need a role model, you are a dick."

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    2. Interssant ist das tatsächlich in so weit als dass die Zielgruppe gern darüber fabuliert wie gut es einem doch geht (es ist zumindest in meine Stadt eher die SUV-Fraktion), aber so etwas braucht um sich ihren Selbstbetrug täglich immer wieder zu bestätigen. Wahrscheinlich ist so Zeug der neue Schmuseteddy, der einen vor bösen Träumen schützt. Ist zumindest zeitweise mein Eindruck.

      Und danke fürs Kompliment!

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    3. @fädenrisse
      es gibt auch Zielgruppen für Crack, Snuffpornos und Leitungswasser in Flaschen.

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  4. kevin_sondermueller15. Februar 2016 um 17:28

    Der Senfpott ist toll! Wenn der Inhalt auch so Spitze is:
    wo kann man diesen Senf kriegen? Ohne gleich nach »Mon-jau« pilgern zu müssen?? Hat der nen Internetshopp?!

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    1. Der Inhalt ist mindestens so spitze und den Preis allemal wert. Diesen Pott gibt es aber nur für den (grobkörnigen) 'Kaisersenf', der sich hervorragend zum kochen eignet. Und, nein, man muss nicht nach Montjoie pilgern, die haben selbstredend einen Onlineshop.
      Monschau ist aber trotzdem sehenswert. In der Altstadt ist kein Haus jünger als 300 Jahre - nur an Wochenenden übelst überlaufen.

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    2. kevin_sondermueller26. Februar 2016 um 18:18

      Ich kenn das Städtchen – unsere Eltern haben mit uns
      Kindern damals vor Ü40 Jahren oft Sonntagsausflüge
      dorthin unternommen.

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    3. kevin_sondermueller2. März 2016 um 14:19

      Und in »meiner« Stadt gibt's tatsächlich einen
      Marktstand (Käse und Zubehör), der ihn im
      Sortiment hat!

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  5. Bei allen meiner Einkäufe sehne ich mir folgenden Spruch auf meine Oberbekleidung:
    "Nein, ich besitze KEINE Kundenkarte!"

    Das würde mir und der Kassiererin den sinnlosen Verbrauch von Atemluft ersparen.

    Grundsätzlich aber folge ich dem Autor und lehne (sinnentkernte) Sinnsprüche ab.

    LG
    Der Duderich

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  6. Ich bin kein Roboter18. Februar 2016 um 23:13

    Schöner Artikel! Ich finde diese sinnentleerten Sprüche auch einfach nur furchtbar ...("Lebe deinen Tag, als wäre es dein letzter" - mit Hartz4 gar kein Problem!)

    Leckeren Senf aus "Handarbeit" kann ich auch nur empfehlen; ich bestelle immer hier:
    http://www.erzeugergemeinschaft-thueringen.de/produkte/?id=1

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