Samstag, 25. August 2012

Böser Blasentee


Ja, richtig, Bubble Tea ist pappsüß, sieht in der Regel aus, als käme er von einem anderen Planeten, enthält angeblich doppelt so viele Kalorien wie Cola und kleine Kinder könnten an den Kügelchen ersticken. Also ganz böse. Nun bin ich kein manischer Kalorienzähler, aber der Gedanke, dass man sich mit einem Becher mal eben 500 davon reinpfeift, ist auch mir nicht wirklich sympathisch. Ich selbst bin eh wenig gefährdet, weil ich mir nicht viel aus Süßigkeiten mache und auch ein Problem mit als Getränken feilgebotenen Chemiecocktails aller Art habe. Das war übrigens nicht immer so: Als Kind gab es für mich nichts Schöneres als diese aus Pulver angerührten Erfrischungsgetränke. Wenn da 'Orange' draufstand, dann konnte man davon ausgehen, dass er engste Kontakt, den das Zeug mit Orangen hatte, darin bestand, bei der Anlieferung im Supermarkt an einer Steige Orangen vorbei getragen worden zu sein. Diese Vorliebe hat sich, wie gesagt, gründlich ausgewachsen.

In den letzten Monaten wurde nun fieberhaft nach einem Vorwand gesucht, unter dem man den Kleinen das Bubble-Zeug verbieten kann, oder, wenn das schon nicht gehen sollte, wenigstens von oben bis unten mit gar erschröcklichen Warnhinweisen bekleben kann. Glücklicherweise haben Aachener Wissenschaftler jetzt endlich Spuren von Giftstoffen in den Blasentees gefunden. Vermutlich handelt es sich um welche, die beim Konsum eines Hektoliters am Tag das Risiko eines leichten Unwohlseins signifikant ansteigen lassen.

Nun ist es so, dass Teilen der jeweiligen Erwachsenengeneration grundsätzlich alles, was die Kids cool finden, erst einmal suspekt ist und sie mindestens den Untergang des Abendlandes heraufdämmern sehen. Wann immer irgendetwas Neues aufkommt, das sich unter Kindern und Jugendlichen einer gewissen Beliebtheit erfreut, sich gar zu einem vorübergehenden Massenphänomen entwickelt, dann kommen sie sofort erhobenen Zeigefingers angeschissen, die Mahner, und malen Horrorszenarien an die Wand. Vorzugweise salbadern sie was mit: Wehe, wehe, wir züchten eine Generation von [beliebige Schreckensvision einsetzen] heran! Verbieten, verbieten, oder es wird unser aller Ende sein!

(via cracked.com)
Mit einer gewissen Heiterkeit erinnert man sich zum Beispiel an die Neunziger, als Tamagotchis in Mode waren. In spätestens zehn Jahren, so hieß es, wäre das gute alte Haustier ausgestorben, alle Kinder würden nur noch an ihren elektronischen Viechern herumdaddeln und sich dadurch kollektiv in lebensuntüchtige Autisten verwandeln. Passiert ist, wie so oft – nichts. Nada. Niente. Spätestens als die Dinger im Discount auf dem Wühltisch zu haben waren, wurden sie so schnell uncool, wie sie cool geworden waren. Man kann diese Liste beliebig fortsetzen: Kriegsspielzeug, Videorecorder, Computerspiele, Jeans (machen impotent), Turnschuhe (machen krumme Füße) und so weiter. Im Moment stehen neben Bubble Tea soziale Netzwerke als Ursache des kommenden Untergangs ganz oben auf der Agenda der Hysteriker. Nächstes Jahr wird es was anderes sein.

Sicher gibt es ein paar Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, die das Bubblezeugs nicht nur gern mögen, sondern glauben, es sei ein ebenso geeignetes Alltagsgetränk wie Kaffee, Tee, Mineralwasser oder Apfelschorle. Die bekommen natürlich Probleme. Dasselbe gilt aber genauso für Schokolade, Kuchen und alle anderen Süßigkeiten, wenn man sie maßlos in sich hineinstopft. Warum sollen wieder einmal alle auf etwas verzichten, weil eine Minderheit damit nicht vernünftig umgehen kann?

Weil es für den deutschen Verbotsbürger nichts Schöneres gibt, als anderen Menschen Dinge abzuklemmen, die ihm selbst nichts bedeuten oder die er nicht versteht. Hilft alles Warnen und alles paternalistische Gehabe nichts, dann kann er immer noch die Kinder vorschicken, um deren Unversehrtheit es ihm schließlich nur geht. Die Kinder! Denkt denn niemand an die Kinder? Dann streicht er sich selbstzufrieden über den Lachs und kloppt sich ein Ei darauf, die Welt und vor allem jede Menge Kinder vor dem sicheren Tod gerettet zu haben. Dass er massenhaft anderen das Leben versauert, interessiert ihn weniger. Aber wehe, in der Nähe seiner Behausung soll ein Autobahnzubringer gebaut werden.

Überhaupt ist die Forderung, dieses oder jenes dringend zu verbieten, weil kleine Kinder sich daran verschlucken und infolgedessen ersticken könnten, so gut wie immer, vorgeschoben. Sicher, kleine Kinder stecken liebend gern alles in den Mund, das sie interessant finden und das kleiner ist als ein Fahrrad oder eine Carrerabahn. Es mag auch wirklich vorkommen, dass sie sich daran verschlucken. Das Problem ist nur, dass in vielen Haushalten wenig Hab und Gut übrig bliebe, würde man konsequent alles verbieten, bei dem diese Gefahr besteht. Tabletten zum Beispiel. Aber die kann und will man natürlich nicht verbieten, sondern die Eltern und Erziehungsberechtigten sind aufgefordert, das Zeug gefälligst so zu lagern, dass die Kurzen da nicht herankommen.

Übrigens: Auch an offen herumliegenden Hosenknöpfen kann man sich ganz prima verschlucken.



5 Kommentare :

  1. Vor vielen Jahren hatte es mich mal nach Taiwan verschlagen, und mein dortiger Gastgeber kaufte mir einen bunten Becher mit einem Getränk, von dem ich jetzt weiß, daß es sich um Bubble Tea handelte. Ganz stolz wies er mich darauf hin, daß dieses Getränk so nur in Taiwan zubereitet würde. Nach wenigen Schlucken war mir auch klar, warum. Niemals hätte ich gedacht, daß sonst jemand in der Welt diese Plörre freiwillig trinken würde. Schade - hätte ich weniger Geschmacks- und mehr Geschäftssinn aufgebracht, wäre ich durch den Import dieses Gesöffs vielleicht reich geworden! ;)

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  2. Also mal ehrlich, erhobener Zeigefinger hin oder her. Allein die Zubereitung dieses Gesöffs, aus jedem Giftfässchen etwas, erweckt starke Gedanken an illustre Zukunftswelten á la Philip K. Dick. Manche Eltern machen sich halt Sorgen, da kann´s dann aber trotzdem ne Cola geben. Und der ganze Alternativhype um Bionade, der ja schon oft in´s Lächerliche gezogen wurde (zu Recht) - die Blagen trinken auch DAS gerne.Bubble Tea ist halt der neueste Scheiß und dafür wird ordentlich kassiert.Ist Taschengeld eigentlich zu Schade für.

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    1. Ich habe weiß Gott nicht behauptet, das Zeugs sei in irgendeiner Weise eine Bereicherung und sollte dieser Eindruck entstanden sein, dann sei das hiermit entschieden dementiert. Es ist ja nicht Bubbeltee allein - man muss sich nur diese so genannten Sportgetränke ansehen, von denen einige die Farbe von Spülmittel oder Haushaltsreiniger haben - brrr.
      Trotzdem bleibe ich dabei, dass dieses verspannte Verbietenwollen mir mehr und mehr auf den Docht geht.

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    2. Außerdem, wirft meine Frau gerade ein, werde das Zeugs durchs Verbieten ja erst recht interessant. Zumindest für eine Weile. Insofern seien Verbote oft eher kontraproduktiv.

      Und was den Kalorienbombencharakter von dem Zeug angeht: Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis jemand eine niederkalorige Diätversion auf den Markt bringt, und dann wird wieder eifrig vor künstlichen Süßungsmitteln gewarnt. (Fragt übrigens ein Arzt einen Kollegen: "Zucker oder Süßstoff?" Antwortet der: "Diabetes oder Darmkrebs?")

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    3. Dass die Farben an Reinigungsmittel erinnern, kommt nicht von ungefähr, weil es die gleichen synthetischen Substanzen (sog. Azofarbstoffe) sind, die im Bubble Tea ebenso stecken wie in Glasreinigern, WC-Spülsteinen et al.
      Und inwieweit div. Verbote dem Kinderschutz zuträglich wären, ist tatsächlich recht fragwürdig. Immerhin ist es ja auch verboten, Kinder auf dem Schulweg mit dem Auto totzufahren. Nützt ja bekanntlich auch nix.

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