Montag, 24. Oktober 2016

Die Jungsantwort - was fehlt


"Es hilft alles nichts, die zweite Lebenshälfte beginnt inzwischen, und da geht es eigentlich nur noch darum, dem Verfall irgendwie würdig zu begegnen." (Don Alphonso)

Zu den unpolitischen Belanglosigkeiten im hiesigen Medienschaffen, bei der ich zuweilen hängen bleibe oder auch nicht, gehört, hiermit sei's offen und ehrlich ventiliert, die Rubrik 'Mädchenfrage/Jungsfrage' bei 'jetzt', jenem irre coolen, hippen Talentelaufstall der ehrwürdigen 'Süddeutschen'. Junge oder auf jung machende Frauen (hier: 'Mädchen') fragen junge oder auf jung machende Männer (hier: 'Jungs') Dinge, über die sie sich bei den jeweils anderen schon immer gewundert haben bzw. vice versa, und bekommen dann eine Antwort. Das ist meiner kursorischen Kenntnis nach meist recht oberflächlich, manchmal auch amüsant. Was völlig okay für mich ist, begehrt man schließlich gar nichts anderes zu sein.

Jetzt fiel mein entzündetes Auge auf eine Mädchenfrage, die streng genommen nur von einer Frau unter dreißig kommen kann, die sich ausschließlich mit knackigen, durchtrainierten Hardbodys umgibt. Wieso, fragt Katharina Mau, haben Jungs eigentlich so eine panische Angst davor, einen Bierbauch zu bekommen? Erst wollte ich die Sache keines weiteren Blickes würdigen, doch meine Neugierde war stärker. Man muss sagen, dass Jakob Biazza, der mit der Antwort beauftragte Junge, seine Sache wirklich nicht schlecht macht. Was er schreibt, ist gut beobachtet und nett formuliert.

Einige von uns machen ja in der Tat den Fehler, zu glauben, eine andere Lebensweise ginge spurlos an einem vorbei. In jungen Jahren kommt der mittels bolzen, rumtoben, schwimmen, radfahren und ein, zwei täglichen Schachteln Kippen auf Hochtouren ratternde Stoffwechsel mit zuckrigen Softdrinks, fettigen Pizzen, Süßigkeiten, Chips, Bierchen und nächtlichen Absackerdönern weitgehend folgenlos klar. Ab Mitte, Ende zwanzig sieht das unter den Bedingungen eines meist der Erwerbsarbeit geschuldeten Sesselpuperdaseins, dank morscher werdenden Gelenken und eines altersbedingt langsam sich herunterdimmenden Metabolismus' schon ganz anders aus. Und da wähnen die eitleren unter uns Jungs sich irgendwann tatsächlich von nur geringfügig älteren Hefeklößen umgeben, bekommen panische Angst, bald schon selbst so auszusehen und beginnen aus eigenem Antrieb heraus manisch zu sporteln und zu diäten. So weit, so richtig.

Nur deucht mir das leider noch nicht die ganze Wahrheit zu sein. Könnte es sein, dass da was fehlt? Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, ein Teil wird unterschlagen. Vermutlich weil man Gentleman sein, das Problem bei sich sehen, niemandem weh tun will. Das ist zwar auf eine anrührend altmodische Weise irre liebenswürdig, nur leider nicht ganz aufrichtig.

Der fehlende Teil lautet meiner Erfahrung nach: Nicht wenige Männer sind im Prinzip ziemlich uneitel bzw. halten übertriebene Eitelkeit für eine jugendliche Verirrung, die sie irgendwann ablegen. Die haben in der Regel kein Problem damit bzw. finden sich damit ab, in zunehmendem Alter zum gesetzten Herrn mit entsprechendem Embonpoint unterm Hemd zu mutieren. Nun ist es so, dass, wie soll ich sagen, ich mich des Eindrucks nicht immer erwehren kann, dass es Ehefrauen und Lebenspartnerinnen gibt, die damit ein Problem haben. Ja, es soll sogar Frauen, vulgo: Mädchen, geben, in deren Leben Fragen um Ernährung bzw. Gewicht eine wichtige, um nicht zu sagen: zentrale Rolle einnehmen. Was sie dann auch an ihren jeweiligen Ehemännern, Lebens- oder Lebensabschnittspartnern exekutieren. Beziehungspraktisch könnte eine solche Entwicklung dann, rein hypothetisch, dafür halbwegs chronologisch, in etwa so verlaufen:

"Aaach, so ein Bäuchlein stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich mag gestandene Mannsbilder."
"Ui, du hast aber ganz schön zugelegt. Wie viel wiegst zu jetzt genau? Keine Angst, stört mich nicht, ich bin bloß neugierig."
"Naaaa, wie viel Bierchen sind's denn heute wieder geworden bei eurem Jungsabend? Sei ehrlich."
"Ja, ja, hier ein Bierchen, da ein Burger mit Pommes - das läppert sich."
"Findest du nicht, dass du mal ein bisschen auf deine Ernährung achten solltest?"
"Jetzt sag' schon! Wie viel wiegst du? Naaa? Ach komm, jetzt stell dich doch nicht so an."
"Also, ich verzichte ab jetzt auf Kohlenhydrate. Wir essen ab sofort nur noch Low Carb. Meine Kollegin XY macht das seit ein paar Monaten auch, und ihr Jonas hat schon fünf Kilo runter."
"Übrigens, ich habe morgen früh um acht bei Doktor Eisenschmidt einen Termin zum Blutabnehmen für dich gemacht. Du musst nüchtern hin. Möchtest du noch etwas Bolognese?"
"Nimm dir doch mal ein Beispiel an Jonas. Der hat sein Leben in den Griff bekommen. Keine Kohlenhydrate, kein Alkohol, jeden zweiten Tag drei Stunden mit Sabine ins Studio und am Wochenende Marathontraining. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt."
"Ich habe uns zum Zumba angemeldet. Du kommst doch mit?" (Unausgesprochen: Wenn deine Antwort 'nein' lauten sollte, kannst du dir für die nächsten drei Monate sämtliche sexuellen Aktivitäten abschminken. Außer eigenhändig vorgenommenen, aber das solltest du lieber nicht wagen.)
"Entschuldigung, mein Mann hat sich vertan. Er nimmt nicht die Bratkartoffeln zum Steak, sondern die Folienkartoffel. Ohne Kräuterbutter. Für mich bitte nur einen gemischten Salat. Das Dressing extra. Die Putenstreifen ohne Fett gegrillt. Ach, den Brotkorb können Sie wieder mitnehmen, den brauchen wir nicht."
"Schau dich doch mal an! Wie du aussiehst! Wie kann man sich bloß so gehen lassen? Aber das wird jetzt anders, mein Lieber! Jetzt ist Schluss mit dem süßen Leben."
"Ich gehe *schluchz* walken, ich verkneife mir *schnief* alles mögliche, damit ich nicht aussehe wie eine ekelhafte, fette Qualle, und du *pröööt*, was machst du?"
"Jessica hat dich gesehen, wie du vor zwei Monaten in der Mittagspause an der Frittenbude warst. Und mir erzählst du, du nimmst in der Kantine immer den Salatteller. Du liebst mich nicht! Es ist aus zwischen uns!"

Und auf sowas haben viele 'Jungs' halt keinen Bock. Also fangen sie frühzeitig an, gegenzusteuern. Den 'Mädchen' zuliebe und um des lieben Friedens willen. Es gibt eben noch Gentlemen.




8 Kommentare :

  1. Um es mit einem Comic-Helden des Gespanns Uderzo und Goscinny (R.I.P) auszudrücken:

    WER IST HIER DICK?

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    1. À propos – Herr Goscinny ist gestorben wie? Auf dem Hometrainer.

      (Ich kannte ihn nicht persönlich, war aber trotzdem traurig. – Mir kommt kein Hometrainer ins Haus.)

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  2. Ihre Chronologie und auch der Eindruck, dem Sie sich nicht erwehren können kommt mir (obwohl "Mädchen") irgendwie bekannt vor, Herr Rose.

    Ansonsten schließe ich mich den Vorrednern an.

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  3. Was hab’ ich für ein dickes Glück mit meiner Frau!

    Danke übrigens für die Bildung, die man hier so en passant erwirbt. Ich hab’ gerade mit „Embonpoint“ ein neues Wort gelernt und sogar eine gewisse Ahnung, was es bedeuten könnte. ;-)

    Im Übrigen: was Wold-Dieter sagt.

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  4. Fluchtwagenfahrer26. Oktober 2016 um 14:07

    Schönet Dingen Hr. Rose,
    aber wie du schon richtig schriebst. Jungs & Mädchen.
    MÄNNER & FRAUEN sind darüber hinweg.
    p.s.
    Denn wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Slimfast werfen
    p.p.s.
    wer noch Zeit für Muckibude hat, ist entweder erwerbslos
    oder arbeitet nicht im Hamsterrad, hat keine Wohnung, kein Kinder, muss nicht einkaufen, sauber machen, zu maloche hin & retour etc. oder fährt nen Delorean (Fluxkompensator)

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  5. Ich vermute, es gibt ein ganzes Bündel von möglichen Erklärungen (wie so oft). Sexistische Werbung ist eben schon lange auch bei Männern angekommen: beispielsweise hier. Dann erwarten viele Frauen einen durchtrainierten, gutverdienenden, tier- und kinderlieben, humorvollen, kreativen, intelligenten, charmanten -plus zwanzig weiterer Eigenschaften- Mann (Also Mister Perfect; den es natürlich nicht gibt und Frau dann immer wieder sagt: "Scheiss Männer!"). Auch die Eitelkeit wird bei vielen Männern zugenommen haben. Zumindest im Vergleich zu früher. Wir leben eben in einer krass medial-fixierten Umgebung. Ach ja, und nicht zu vergessen: die übersteigerte, krankhafte Selbstoptimierung ;-)

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  6. Ein dicker Bauch ist nicht nur ein ästethiches Problem.

    Es gibt zwei Arten von Fett in der Bauchregion. Die eine Art, die die Bauchmuskeln verdeckt, heisst subkutanes Fett und liegt direkt zwischen der Haut und oben auf den Bauchmuskeln.

    Die zweite Fettart, die in der Bauchregion auftritt, heisst viscerales Fett und liegt tiefer im Bauchraum zwischen den Muskeln und um die inneren Organe. Das viscerale Fett spielt bei einigen Männern eine Rolle, da es für den "Bierbauch" verantwortlich ist und extrem hervorsteht und sich hart anfühlt, wenn man dagegen drückt.

    Beide, sowohl das subkutane Fett als auch das viscerale Fett sind ernsthafte Gesundheitsrisikofaktoren. Die Wissenschaft hat aber gezeigt, dass das viscerale Fett sogar noch gefährlicher ist als das subcutane Fett. Beide erhöhen das Risiko Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes, Schlafapnoe, verschiedene Krebsarten und andere degenerative Erkrankungen zu entwickeln.

    Ein Grund warum viscerales Fett besonders gefährlich ist, dass es anscheinend regelmässig mehr entzündliche Moleküle gleichmässig an den Körper abgibt

    Das Testosteron spielt im Gegensatz zum Östrogen dabei einige zentrale Rolle. Dr. Google gibt hierzu weitere Informationen.

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