Samstag, 15. Juli 2017

Ronny des Monats - Juli 2017


Puh, über den Ereignissen in Hamburg ist die fällige Ronny-Verleihung des Monats ein wenig nach hinten gerückt (einen hervorragenden Beitrag zum Thema, der einen weitgehend vernachlässigten Aspekt des ganzen Affentheaters aufgreift, lieferte übrigens noch Herr Droste). Zunächst aber ein Nachtrag: Wer gewisse Freunde hat, der benötigt, einer alten Weisheit zufolge, keine Feinde mehr. So bekam der hier bereits ausführlich gewürdigte Xavier Naidoo nicht nur Schützenhilfe vom Jürgen Elsässers Wahrheitssucher-Postille 'Compact', sondern auch eine eigene, haarsträubende Ballade gewidmet. Und zwar vom mehrfach vorbestraften Holocaustleugner und Neonazi Gerd Honsik. Wenn das nicht was für die Wettsing- und Wettheulshow 'Sing meinen Song' ist, dann weiß ich auch nicht.

Auch für vom Jobcenter Geknutete gibt es neuerdings einen hervorragenden Tipp: Einfach sich aufführen wie SS-Siggi und schon hat man seine Ruhe. Sonderbehandlung quasi. Hohohohoho, wird man ja wohl noch sagen dürfen. Habe ich ja auch gar nicht, sondern die Funke-Gruppe. Was gab es noch zu vermelden an kleinen, anrüchigen Pikanterien, die es nicht unter die Top 5 geschafft haben? Vielleicht die Kommunikationspolitik der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Genug der Vorrede. Die Top 5 des Monats:


Platz 5: Höchst kreativer Protest gegen die 'Ehe für alle'
Die Po-litik ist fürn Arsch! Huhuhu! Po-litik!! Gecheckt? Po-litik! Fürn Arsch!!! Vastehste? Kennste? Kennste? Weeßte? Ick schmeiß mer weck, Alda! Warum muss ich bei solchen Verkrampfungen bloß immer an das hier denken?



Platz 4: Brückenkopf am Ballermann.

Schon letzten Monat wurde berichtet, dass rechte Recken die Amüsierviertel der außerhalb der Touristenzentren durchaus reizenden spanischen Insel Mallorca verstärkt als Spielplatz entdeckt haben. Sehr zum Unmut der humorlosen Einheimischen übrigens. Tja, könnte man da schadenfroh sagen, das könnte am Ende herauskommen, wenn man fahnenwedelnde, bierfurzsaure Partydeutschtümelei in Frakturschrift über Jahrzehnte nicht zur Kenntnis nehmen will bzw. als völlig normales, nicht weiter ernst zu nehmendes Feierverhalten angeheiterter, erlebnisorientierter Touristen verharmlost.



Platz 3: Deutschland den Deutschen
Die übliche Frage, die sich anhand gewisser Meldungen stellt: Wie rechts ist die AfD? Antwort: In Teilen wohl ziemlich. Als ob das was Neues wäre. In ihrem chronischen Überfordertsein mit dem politischen Tagesgeschäft aber scheinen diverse AfD-Landtagsabgeordnete nahtlos an die Leistungen bzw. Nicht-Leistungen der NPD anzuknüpfen.


Platz 2: Gewalt, Übergriffe, Angriffe
Dresden. Tunesier mit Bierkrug angegriffen.
Nochmal Dresden. Pärchen von Betrunkenen attackiert.
Guben. Flüchtlinge bei Attacke verletzt.
Jena. Strafe muss sein. Wer kein Deutsch kann, kriegt aufs Maul.


Platz 1: Bürgerliche Kulturförderung a'la Saltzwedel
Es ist eine alte Weisheit. Faschismus wird unter anderem möglich, wenn linke Kräfte sich lieber gegenseitig zerfleischen als Widerstand zu leisten und wenn einem übersättigten, gelangweilten Bürgertum in grenzenloser Nonchalance irgendwie alles recht ist und es halt mal ein bisschen mit rechts rumflirtet. Um der Meinungsvielfalt willen. So gerät dann verschwörungstheoretischer, kulturpessimistischer, im einschlägigen Anthaios Verlag verlegter Schwurbelschwatz eines im Alter offenbar umnachteten Historikers wie Rolf Peter Sieferles 'Finis Germania' [sic!] dank des Engagements und der Trickserei eines gelangweilten Bourgeois wie SPIEGEL-Redakteur Johannes Saltzwedel auf der NDR-Bestenliste 'Sachbücher des Monats'. Den, also den Schwurbelschwatz, fasste Adam Soboczynski sehr knapp und pointiert zusammen:

"Der Holocaust rottet die Deutschen aus, denn die Antifaschismus-Keule sorgt heute dafür, dass wir jeden Migranten ins Land lassen und somit untergehen. Wer diese verschwörungstheoretische Verspanntheit ablehnt, muss gewiss nicht unter 'ästhetischer Desensibilisierung' leiden. Und wer glaubt, die Migrationspolitik kritisieren zu müssen, braucht dazu nicht diese völkischen Nachtgedanken."


Aufmerksamen Beobachtern wird aufgefallen sein, dass es bei den Top 5 dieses Mal eher knapp, geradezu wortkarg zugegangen ist. Das hat seinen Grund. Es soll nämlich vor allem um Ehrenronny des Monats gehen.

Und der geht im Juli postum an:


Ryke Geert Hamer (1930-2017)
Es ist die eine Sache, dass dieser kürzlich verstorbene Wunderheiler jahrzehntelang mit seiner höchst eigenwilligen, nein, hochgradig spinnerten Version von Medizin auf Tour war, die er 'Neue Germanische Medizin' nannte. Die hat mit einiger Sicherheit etliche Menschen das Leben gekostet. Nur sind durchgebratene 'Alternativ'-Mediziner und deren Anhänger normalerweise nicht Thema bei der Ronny-Verleihung. Für so was gibt es gerade mal das Goldene Brett. Nein, für einen Ronny des Monats, einen Ehrenronny zumal, bedarf es schon einer kräftigen Prise Rassismus und/oder Antisemitismus. Und was letzteres angeht, hat Hamer zu Lebzeiten einiges Ambitionierte vom Stapel gelassen, mit dem er sich locker in eine Reihe mit Koryphäen wie Alfred Rosenberg und Julius Streicher stellt. Wussten Sie schon, dass...

- ...die 'Schulmedizin' eine jüdische Erfindung ist (Denken Sie mal drüber nach. Na, knattert's im Karton? Päng, päng!),
- … die Juden die Chemotherapie erfunden haben, um alle Nichtjuden zu vergiften (Beweis: In Israel stirbt so gut wie niemand an Krebs - muss man wissen!),
- … auch AIDS von Juden ersonnen wurde, um die nichtjüdische Menschheit auszurotten (einself!)?

(Ein paar weitere Kostproben u.a. hier.)

Und weil der Mann wie alle Quacksalber nicht nur ein medizinisches Genie, sondern ein wahrer Universalgelehrter war, hatte er auch mächtig was von Musik und Musiktheorie auf der Pfanne. Weil Krebs im Weltbild des Dr. Hamer lediglich ein innerer Konflikt ist und demnach was mit Schwingungen zu tun hat, ist er auf den grenzgenialen Trichter verfallen, dass ein schnulziges Liebeslied namens 'Mein Studentenmädchen', das er mal für seine Frau komponiert hat, in Dauerschleife abgespielt, heilkräftige Wirkung zu entfalten vermag (Beipackzettel). Für sich genommen esoterischer Dummfug auch das, keinen Ronny wert, erst recht keinen Ehrenronny. Sollte man meinen.

Doch mitnichten! 'Mein Studentenmädchen' funktioniert, so wrang Meister Hamer es sich zu Lebzeiten aus der Runkel, weil es sich um eine uralte germanische Zaubermelodie handelt, die - wie kann es anders sein? - von einer jüdischen Weltverschwörung, aus dem Weg geräumt werden soll.

"Unsere alten Kompositionsmeister Bach, Haydn, Händel, Beethoven, Mozart, Brahms etc. haben fast alle und stets mit Kammerton A = 432 Hz komponiert. Das war normal.
1939, unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg, haben aus angeblich unerfindlichen Gründen die sämtlichen jüdisch-englischen Agenten, Pius XII, Sohn des jüd. Rothschildbankdirektors in Rom, Roosevelt, Hitler, Stalin, beide jüd. englische Tavistock-Agenten, Churchill, Franco und Mussolini plötzlich mit gemeinsamem Beschluß den Kammerton A auf völlig unnatürliche 440 Hz umgeändert, offenbar um aus der Musik und unseren Gehirnen die Harmonie herauszunehmen zu Gunsten einer Aggressivität, vermutlich für den Krieg, den sie gemeinsam gegen das deutsche Volk führen wollten und geführt haben. Die 8 Hz Unterschied bedeuten etwa einen Viertelton Höhenunterschied (höher). […] Auch Mein Studentenmädchen, die uralte Zaubermelodie des Gottes Wodan, sollte man unbedingt mit Kammerton A = 432 Hz singen und hören. Jetzt habe ich nochmals die Zauermelodie gesungen mit Kammerton 432 Hz, weil ich mir davon eine Optimierung der therapeutischen Wirkung verspreche.
Weshalb wollten 15 jüdische Chorleiter Mein Studentenmädchen nur unter der Bedingung singen lassen, daß sie zuvor die Partitur Meines Studentenmädchens ändern dürften ('verbessern' dürften)? Das habe ich natürlich strikt verboten weil dann die Zauberkraft Meines Studentenmädchens zerstört worden wäre." (Quelle)


Das ganze wäre ja noch lustig, wenn deswegen, wie gesagt, nicht Menschen gestorben wären. Ich sag's mal so: Wenn auch nur ein Mensch geheilt würde auf der Welt, weil sämtliche Krankheitserreger und Tumorzellen ob des unsäglichen sexualneurotisch-antisemitischen Geschwurbels und/oder heillosen Gesinges des Meisters freiwillig Selbstmord begehen, dann würde ich noch nicht mal was gesagt haben wollen.


Es heißt ja, man solle über Tote nichts Schlechtes sagen und erst recht niemandem den Tod wünschen. Tue ich selbstverständlich nicht. Beides nicht. Aber dass Hamers nunmehrige Abwesenheit dafür sorgen könnte, dass jetzt wohl mehr todkranke Menschen eine wirksame medizinische Behandlung bekommen werden, halte ich dennoch für eine gute Nachricht. Wobei man sich nicht zu früh freuen sollte. Einer seiner glühendsten Adepten ist immer noch Helmut Pilhar, Vater der als Kind an Krebs erkrankten Olivia Pilhar und Reichsbürger. Er wird die Fackel gewiss weitertragen, kein Zweifel. Sein abstruser, leider inzwischen gelöschter Brief an den österreichischen Bundespräsidenten zwecks Wiedergutmachung und Rehabilitierung kann durchaus als Bewerbung aufgefasst werden.

Psiram konnte diesen Ausschnitt retten





3 Kommentare :

  1. Den »Ehrenronny« hat Hamer wirklich verdient. Der Johann Andreas Eisenbarth den vergleich mit Hamer hingegen nicht. Den doktorgrad hat er meines wissens selbst nie geführt, er war ein handwerkschirurg im ausgehenden 17. und frühen 18. jahrhundert, als es die wissenschaftliche medizin noch nicht gab.

    Im gegesatz zu Hamer hat Eisenbarth nach den seinerzeit aktuellen kenntnissen behandelt und konnte damit leben retten, was man von Hamer wohl eher nicht behaupten kann. Wäre Eisenbart unser zeitgenosse, wäre er höchstwahrscheinlich kein anhänger der sogenannten alternativmedizin, sondern ein moderner chirurg.

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  2. Hitler und Stalin jüdische Agenten....meinen Respekt, der Mann stellt selbst Himmler noch locker in den Schatten, was vollständigen esoterischen Irrsinn angeht, und das mag was heißen.
    Wär mal interessant,zu erfahren, welche Drogenmischung notwendig ist, um so drauf zu kommen.

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