Mittwoch, 20. Dezember 2017

Praktisches Geschenkelexikon, A-Z


2., durchgesehene Auflage

Es lässt sich nicht mehr übersehen: Der Geburtstag des Religionsstifters naht wieder einmal mit Riesenschritten. Und Weihnachtszeit ist hier von jeher auch Servicezeit gewesen. Nachdem letztes Jahr bereits die Neuauflage des Weihnachtslexikons erschienen ist, um umfassend über die zahlreichen rätselhaften Bräuche zu informieren, die in den Wochen vor dem Jahresende so praktiziert werden, ist dieses Jahr der Brauch des Schenkens bzw. dessen zahlreichen Fallstricke an der Reihe.

Bei Kindern ab einem gewissen Alter tut man eh gut daran, sich an ihre Wuschzettel zu halten, wenn einem der häusliche Frieden lieb ist. Schwieriger wird es schon, wenn man sich für Erwachsene etwas Passendes ausdenken muss. Nun transportieren Geschenke bekanntlich immer auch Botschaften über den Schenkenden selbst und was er so vom Beschenkten hält. Dadurch kann so eine Veranstaltung leicht heikel werden. Hunderttausende von Polizeieinsätzen während der Feiertage wegen häuslicher Gewalt sprechen da eine deutliche Sprache.


Weil zudem inzwischen nicht mehr nur innerhalb der Familie und der Verwandtschaft geschenkt wird, sondern immer öfter auch unter Freunden und Bekannten, steigt damit auch die Dichte an potenziellen Fettnäpfchen dramatisch an. Um schlimmerem vorzubeugen, sollen daher hier in praktischer A-Z-Reihenfolge die mehr oder minder versteckten kleinen Botschaften aufgeschlüsselt werden, die die häufigsten Geschenke durch die Blume vermitteln können. Also Obacht beim Schenken und Geschenktbekommen! 

Blumenstrauß: Hui, da hätten wir doch fast verschwitzt, etwas für euch zu besorgen. Zum Glück ist dieser kleine Laden neben dem Krankenhaus auch am zweiten Weihnachtstag offen.

Buch (Helmut-Kohl-Biografie): Ja, ich weiß, dass du in der Ortsgruppe der Linken bist. Aber so übel war der Dicke gar nicht. Du weißt doch: Wer mit vierzig nicht konservativ ist und so weiter...

Buch (Ratgeber): Wir finden ja, Geschenke sollen vor allem den Schenkenden Freude machen und dem Beschenkten zur Erziehung gereichen. Weil es uns tierisch auf die Nerven geht, dass du immer noch nicht mit dem Rauchen aufgehört hast, überreichen wir dir hiermit als letzte Warnung einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl. Nächstes Jahr gibt es ein Buch über effiziente Selbstorganisation, denn eure Wohnung könnte schon etwas ordentlicher sein.

Buch (SPIEGEL-Bestseller, aktueller): Hier, das lesen im Moment sowieso alle. Ach, ihr habt das heute schon zwei Mal geschenkt bekommen? Uh, das ist aber unangenehm jetzt. Müssen wir das eben umtauschen. Das nächste Mal bekommt ihr halt einen → Gutschein.

Dessous (der Dame des Hauses von einem Single geschenkt): Mir ist nichts peinlich, ich halte mich für unwiderstehlich und finde, Dörte würde darin wirklich scharf aussehen. Obacht, Baggeralarm! Je nach Reaktion der Beschenkten auch: Seitensprungalarm, Stufe dunkelrot!

Dessous (von einem Paar geschenkt): → Sexspielzeug.

Einladung, Brunch: Mann, was sind wir alt geworden! Man hat bei dem ganzen Stress ja nur noch am Sonntagvormittag Zeit.

Einladung, Museum: Die neue Waschmaschine war echt teuer, daher sind wir im Moment und in nächster Zeit knapp bei Kasse. Wir haben uns gedacht, wir gehen am besten in diese Ausstellung über Haushaltsgegenstände der Nachkriegszeit im Gemeindezentrum. Die kostet nämlich nur zwei Euro Eintritt pro Person und der Erlös ist auch noch für einen guten Zweck. Hat übrigens keine Eile, die läuft noch bis Ende März. Am allerliebsten wäre uns aber, wenn ihr das baldmöglichst vergessen würdet. Daher werden wir euch auch nicht daran erinnern. Und ihr werdet uns auch nicht daran erinnern, weil das dreist wirken würde.

Einladung, Musical: Wir wissen natürlich, dass ihr Barockmusik und Jazz liebt, eine Konzertvormiete habt und dass ihr Musicals für oberflächlichen, minderwertigen Kitsch haltet. Wir finden das aber irgendwie total arrogant, denn Musicals sind doch sooo schööön! Man muss das einfach nur einmal live erlebt haben. Das hier wird euch also hoffentlich eines Besseren belehren. Die Karten einfach weiter zu verschenken, läuft übrigens nicht, weil wir da natürlich mit euch zusammen hingehen werden.

Einladung, Restaurant: Die Autoreparatur letztens war echt teuer, daher sind wir im Moment und in nächster Zeit knapp bei Kasse. Wir wären euch dankbar, wenn ihr einen Laden auswählen würdet, in dem ein Hauptgericht nicht mehr als zehn Euro kostet, am Besten irgend so ein All you can eat-Buffet. Am allerliebsten wäre uns aber, wenn ihr das baldmöglichst vergessen würdet. Daher werden wir euch auch nicht daran erinnern. Und ihr werdet uns auch nicht daran erinnern, weil das dreist wirken würde.

Film (DVD, BluRay etc.): Hier, das ist der Film, von dem wir euch schon seit Monaten vorschwärmen. Weil ihr nun ja keine Ausreden mehr habt, werden wir euch übrigens ab jetzt einmal pro Woche darauf ansprechen und fragen, wie ihr ihn fandet.

Fotobuch vom eigenen Urlaub: Tja, WIR haben das nötige Kleingeld für drei Wochen Neuseeland all inclusive.

Fotobuch vom gemeinsamen Urlaub: Diaabende sind ja leider so gut wie ausgestorben. Wie toll, dass es jetzt diese Dinger gibt. Zwar haben wir euch schon längst unsere zirka 3.000 Fotos auf DVD gebrannt, aber nachher setzten wir uns trotzdem alle auf die Couch und schauen uns das ganz gemütlich gemeinsam an. Das ist mindestens genau so langweilig wie drei Stunden Dias ansehen müssen.

Gutschein, Buch/CD/DVD: Man wird eben alt. Früher, als wir noch mehr Zeit miteinander verbrachten, da wären mir auf Anhieb drei, vier, fünf Bücher/CDs/DVDs eingefallen, die dir gefallen hätten. Heute hat man ja gar nicht mehr die Zeit dazu.

Gutschein, digital (z.B. von Amazon): Das ist zwar extrem unpersönlich, aber die letzten drei Gutscheine, die wir euch geschenkt haben, habt ihr ja leider verfallen lassen, weil ihr den ganzen Tag mit euren Bratärschen in der Bude hängt und im Internet rumdaddelt. Daher haben wir uns gedacht, dass ihr wenigstens das hier auf die Reihe kriegt. Wir wünschen euch übrigens von Herzen, dass der Paketbote genau in der einen Stunde der Woche klingelt, in der ihr eure Butze zum Einkaufen verlasst.

Gutschein, Fitnessstudio: Ja, wir finden auch, dass Heinz-Dieter etwas abnehmen könnte.

Gutschein, Hilfe beim Umzug oder Renovieren: Mein Körper ist alles, was das Jobcenter mir gelassen hat.

Gutschein, Kino: Hier, macht euch doch mal einen schönen Abend miteinander und geht vor die Tür, anstatt immer nur jeden Samstag vor dem Fernseher zu hängen und RTL zu gucken. Wie, nächstes Wochenende schon? Ob wir die Kinder nehmen können? Oh Mist, ich glaube, da haben wir schon was vor.

Gutschein, Wellness-Oase: Wäre cool, wenn wir da zusammen hingehen könnten. Ich würde Helga nämlich gern mal nackt sehen.

Halstuch/Schal: Eigentlich wollten wir uns ja nichts mehr schenken. Aber weil man nie wissen kann, ob sich wirklich alle daran halten und wir auf keinen Fall riskieren wollen, am Ende mit leeren Händen dazustehen, schenken wir was total Ironisches. Wir hoffen, ihr findet das genau so witzig wie wir. (→ Nichts, Schlips, Socken)

Kaffee aus der neuen Edel-Rösterei: Ich nehme meinen schwarz mit zwei Stück Zucker, Annette nimmt Milch. Aber laktosefreie, wenn's geht.

Kekse, selbst gebacken: Die Kinder haben im Advent zirka zehn Kilo davon an einem Nachmittag gemacht. Wir können die Dinger nicht mehr sehen, die Verwandtschaft und die Kollegen auf der Arbeit auch nicht. Außerdem ist da so viel Butter drin, dass die bald ranzig werden, und wir schmeißen doch so ungern Lebensmittel weg. Die hübsche Dose hätten wir übrigens bei Gelegenheit gern zurück.

Kleidung: Hihi, in diesem knallbunten, etwas zu engen Norwegerpullover sieht Günter aus wie ein Dorftrottel. Außerdem kommt seine Plauze richtig gut zur Geltung. Die Hose betont Reginas breites Hinterteil wirklich ganz entzückend. Und jetzt sofort anziehen, den Plunder. Und tut gefälligst so, als ob ihr euch freuen würdet.

Kochbuch (italienisch/asiatisch/molekular): Das alljährliche Geschenk eines Geschäftspartners. Haben wir schon fünf mal.

Körperpflegeserie: Frag gar nicht erst. Ja, du stinkst manchmal ganz schön.

Kriegsspielzeug (Modellpanzer/-flugzeuge/-schiffe, Plastiksoldaten etc.): So, ihr findet das also ein unpassendes Geschenk für euren Kurzen. Wann habt ihr euch das letzte Mal mit Verstand angesehen, was Thorben-Malte so am PC und auf dem Tablet spielt?

Küchengeräte (Stabmixer, Entsafter, Küchenmaschine, Sandwich-Grill u.a.): Wir haben schon vor unserer Hochzeit jahrelang zusammen gelebt und waren voll ausgestattet. Nur Tante Trude aus Buxtehude hat das leider nicht kapiert.

Lebensmittel: Mensch, stimmt! Ihr seid ja seit letztem Jahr Vegetarier! Und da kommen wir mit dieser herrlichen italienischen Salami an! Das ist uns jetzt aber echt peinlich. Kein Problem, ihr bekommt nächste Woche was anderes von uns, versprochen. (Puh, das hätte geklappt, ich wollte den Prügel eh selbst essen.) Den französischen Ziegenkäse hier müsst ihr übrigens schnell essen, denn der gammelte noch bei uns im Kühlschrank rum. Hat Brigitte vorletzte Woche aus Versehen gekauft, wir mögen doch keinen Ziegenkäse.

Lebensmittel, selbst gemacht (Marmelade, Chutney u.ä.): Ein Nachmittag Arbeit, ein Jahr Ruhe vor dem Geschenke kaufen.

Nichts: Klappt nicht, grundsätzlich nicht. Niemals, nie, nicht, nada, in Ewigkeit amen! Einer tanzt immer aus der Reihe, garantiert. Und dann ist die Stimmung im Eimer.

Parfum: Sei so gut und verwende in Zukunft bitte das hier. Von dem Stinkezeugs, mit dem du dich sonst immer eindieselst, tränen einem ja die Augen.

Pralinen: Nein, Eva-Maria, wir wollen wirklich nicht, dass du fett wie eine Tonne wirst. Jetzt wein' doch nicht gleich, du siehst hinreißend aus! Wir haben nur gedacht, das ist mal was anderes.

Sauteures aus diesem Öl-und-Essig-Chichiladen: Wir sind beruflich so ausgepowert, dass wir außer exklusiven Fressalien absolut nichts mehr haben, das uns interessiert. Also verschenken wir immer Essige, Öle, Pesto und anderes Zeugs. Weil wir aber auch absolut kein Rückgrat haben, müssen wir zwanghaft auf Äußerlichkeiten schauen. Damit das alles also schön exklusiv aussieht und nicht wie aus dem Supermarkt, kaufen wir das in diesem überteuerten Laden. Keine Sorge, wir können uns das leisten, weil wir ja so viel arbeiten.

Schlips: Eigentlich wollten wir uns ja nichts mehr schenken. Aber weil man nie wissen kann, ob sich wirklich alle daran halten und wir auf keinen Fall riskieren wollen, am Ende mit leeren Händen dazustehen, schenken wir was total Ironisches. Wir hoffen, ihr findet das genau so witzig wie wir. (→ Nichts, Halstuch, Socken)

Selbst Gemachtes (von erwachsenen Kindern): Damit ihr's wisst, Eltern: Studieren ist teuer. Der Eintritt für die X-Mas-Party auch. Und jetzt rückt den Laptop raus, den ich mir gewünscht habe. Ich werde auch so tun, als sei ich überrascht.

Selbst Gemachtes (von kleinen Kindern): Im Kindergarten haben sie gesagt, selbst gemachte Geschenke seien die schönsten überhaupt. Wenn ihr euch jetzt nicht mindestens ein Bein abfreut, dann ist hier Terror in der Hütte.

Selbst Gemachtes (von erwachsenen Freunden): Weil in unserem Leben absolut nichts los ist, hat Hermann diesen Holzschnitzkurs an der Volkshochschule gemacht und ich den Töpferkurs. Seitdem steht bei uns überall Gerümpel rum. Ihr braucht den Kram auch nicht jedes Mal extra aufzustellen, wenn wir zu Besuch kommen. Hermann hat mir übrigens so ein Fensterbild-Set geschenkt.

Sexspielzeug: Och kommt schon, nun seid doch nicht so verklemmt! Eigentlich wollten wir euch nur mal zeigen, was für ganz Wilde wir trotz unseres kreuzbiederen Lebensstils sind. (→ Dessous)

Socken: Eigentlich wollten wir uns ja nichts mehr schenken. Aber weil man nie wissen kann, ob sich wirklich alle daran halten und wir auf keinen Fall riskieren wollen, am Ende mit leeren Händen dazustehen, schenken wir was total Ironisches. Wir hoffen, ihr findet das genau so witzig wie wir. (→ Nichts, Halstuch, Schlips)

Spirituosen: Wie? Hubert war im Sommer vier Wochen in der Entzugsklinik? Ach komm, ein Gläschen in Ehren hat doch noch niemandem geschadet.

Tischware, nutzlose (Olivenschiffchen, Baguettewannen, Tapas-/Fingerfood-Schälchen u.a.): Wir haben zu Hause dieses Fach im Schrank. Da wandern immer die Geschenke rein, die wir doof finden, die wir schon haben oder die wir absolut nicht gebrauchen können. So haben wir immer was da, wenn wir mal wieder vergessen haben, etwas zu besorgen. Alles ungebraucht und original verpackt. Hoffentlich haben wir das damals nicht von euch geschenkt bekommen. Ach ja, Garantie und Gewährleistung könnt ihr übrigens vergessen.

Tupperware: Wir wissen beim besten Willen nicht mehr, wohin mit dem ganzen Zeug. Das nächste Mal kommt ihr mit zur Tupperparty. Warum soll es euch besser gehen als uns?

Unverhältnismäßig teures (Schmuck, Goldbarren, Kaffeevollautomaten etc.): Damit gleich mal klar ist, wo in diesem Raum in puncto Einkommen der Hammer hängt. So was zahlen wir aus der Portokasse. Wir scheißen euch zu mit unserem Geld.

Weihnachtsdeko, billige: Und jetzt alle zusammen! Im Ein-Euro-Shop war Schlussverkauf, Schlussverkauf, Schlussverkauf...

Wein, Flasche: Stand bei Aldi als Aktionsware rum. Routinierter Impulskauf. So hat man immer ein Mitbringsel zur Hand. Dass Martin von Rotwein immer Ausschlag bekommt, ist uns im Moment entfallen.

Wein, Kiste: Wagt es bloß nicht, den ohne uns zu trinken! Überhaupt könntet ihr uns mal wieder zu euch zum Essen einladen und dieses wunderbare Hirschragout machen. Der würde dazu wirklich hervorragend passen. Wir werden euch den Rest des Abends regelmäßig daran erinnern.

Werkzeug: Ich habe absolut keinen Bock mehr, andauernd hinter dem Kram herzurennen, den ich dir immer ausleihe. Und jetzt rück endlich den Akkuschrauber wieder raus, den ich dir im Sommer geliehen habe.

Wichteln: Eigentlich hängt uns allen die Schenkerei zum Hals raus. Weil wir aber nicht konsequent genug sind, das einfach bleiben zu lassen (→ Nichts), haben wir uns als Kompromiss darauf geeinigt. Dadurch muss jeder nur noch ein Geschenk besorgen.

Wohn-Accessoires: Ihr könnt euch nicht vorstellen, was letzte Woche bei IKEA los war.




2 Kommentare :

  1. Musste unwillkürlich an "Der Schatten bringt es an den Tag" von Sergio Aragones aus der Abt. "Hinters Licht geführt" im alten MAD denken. ;-)

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  2. Sehr amüsante Liste. Rd. 80 % der Geschenkeliste sind Realität meiner jährlich stattfindenden familiären Weihnachtsfeiern. Für die Kinder gibt es extra einen Ort im Wohnzimmer neben der Tanne als "Geschenkeabwurfstelle".

    Entsetzen jeweils vorher über meine Antwort auf die Frage: "Was wünscht Du Dir denn zu Weihnachten?" "Gar nix, ich hab alles, was ich brauche."

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