Montag, 24. Dezember 2018

Jenseits der Blogroll - 12/2018


Weihnachtssondernummer

Pünktlich zum Fest die letzte Linksammlung des Jahres. Dies Format hat vor ziemlich genau einem Jahr ganz bescheiden mit gerade mal sieben zaghaften Links angefangen. Inzwischen muss ich aufpassen, dass das nicht jedes Mal viel zu viel Holz wird. Derlei Zurückhaltung habe ich mir für diesen Monat aber nicht auferlegt, denn es wollen bei einigen vielleicht ein paar (hoffentlich) ruhige Tage gefüllt werden. Lesen und sich bilden sind da zwei der nicht ganz schlechten Ideen. In diesem Sinne: Schöne Feiertage - ob, wie und mit wem sie nun begangen werden oder auch nicht.

Politik. Georg Seeßlen analysiert die Rechtswanderung der deutschen Presselandschaft. Beunruhigend.

Micky Beisenherz über das neoliberale Politfossil Hans-Olaf Henkel. Der hat allen Ernstes gedroht, sofort eine neue Partei zu gründen, falls sein alter Kumpel Fritze Merz wider Erwarten doch nicht zum CDU-Chefe gewählt würde. Feine Idee! Hat ja letztes Mal schon super funktioniert! Also los, Hans-Olli, wir warten! Wie soll sie denn heißen, die neue Partei? Alternative zur Alternative für Deutschland vielleicht?

Matthias Greffrath: Wie die SPD noch zu retten wäre. Ja, vielleicht. Wird aber nicht passieren. Jede Wette.

Leo Fischer über die Aktion 'Soko Chemnitz' des Zentrums für politische Schönheit.

Thomas Wagner über 'Soziale' Medien als große Radikalisierer.

Wer es noch nicht mitbekommen hat: Stephan Erdmann alias flatter hat ein Buch geschrieben. Das Inhaltsverzeichnis liest sich schon mal interessant. Zu beziehen über den Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Der überdrehte Motivationstrainer und "Tschakaaa!"-Schreihals Emile Ratelband war mir schon immer von Herzen unsympathisch. Noch einen Tick unsympathischer als der Rest dieser Zunft. Aber sein (leider gescheiterter) Versuch letztens, sein Alter ändern zu dürfen, weil ja neuerdings auch alle ihr Gender quasi frei wählen dürften, hatte schon was, muss ich zugeben. Jetzt hat Frau Annika den ultimativen Tipp für alle Ledigen mit Steuerklasse 1, sich den Lebensabend zu versüßen: Heiraten unter Freunden. Das ist dank 'Ehe für alle' jetzt erlaubt, und so schlägt man auch "Väterchen Staat ein Schnippchen, dem man jahrelang die Rentenbeiträge erschuftet hat und der davon profitiert, dass heutzutage eher getindert als geheiratet wird." Eine charmante Idee, ich bin am Überlegen.

Homosexualität, meinte Wiglaf Droste schon vor vielen Jahren, sei eben auch keine Lösung. Die so genannte queere Szene scheint sich, analog zur gesellschaftlichen Normalisierung, offenbar in eine höchst ungute illiberale Richtung zu entwickeln. Salomé Balthus verdingt sich in der Escort-Branche. Das kann man natürlich kritisch sehen, wie ihre Studienfreundin Caroline Rosales das tut. Was aber Gunhild Mewes, ihres Zeichens Vorsitzende der 'Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt' (IFGBS) veranstaltet hat, ist eine ganz andere Liga. Immerhin, ich habe als Außenstehender ein neues Wort gelernt: Retterlesbe. Ist das ein Gegenstück zum Opernschwulen?

Wissenschaft. Für alle zum Mitschreiben: Onkel Michael klärt auf, was der Unterschied zwischen Theorie, These und Hypothese ist. Wenn mal wieder irgendeine Flachpfeife mit Diplom von der YouTube-Universität erzählt, Relativitätstheorie, Reaktanztheorie, Evolutionstheorie etc. seien doch bloß Theorien und daher ja auch gar nicht bewiesen.

Beim 'Standard' hatten sie heuer die reizende Idee, einen Esoterik-Adventskalender zu bringen. Jeden Tag setzt Christian Kreil sich mit einer anderen Schnurre auseinander. Von Chemtrail-Flaks über Granderwasser bis zu Flacherdlern ist alles dabei. Auch die Homöopathen-Bagage fehlt natürlich nicht in dieser Geisterbahn. Das alles könnte man amüsant finden, hat aber einen ernsten Hintergrund. Inzwischen kommt es nämlich immer öfter vor, dass öffentliches Geld für solchen Hokuspokus verbraten wird, etwa wenn Schulen mit so genannten 'Harmonisierern' ausgerüstet werden.

Apropos: Für ein Weihnachtsgeschenk leider etwas spät, aber es gibt ja Geburtstage. Ein Fostac Maximus P 40 Gesamtharmonisierer für nur noch 2.170 statt 2.490 Ocken. Wenn das kein Schnäppchen ist! Geiz ist jetzt augenscheinlich auch in der Welt der Esoterik geil.

Kultur. Ein höchst lesenswertes Essay von Peter-Matthias Gaede über Wien um 1900, die Institution Kaffeehaus und die dort versammelte Literaten- und Denkerszene.

Katharina Cichosch über den Undertones-Hit 'Teenage Kicks' - niemand mit einem schlagenden Herzen im Leibe, der Feargal Sharkeys glühend bebende Stimme hier je gehört hat, wird sie vergessen können. Für den legendären John Peel war es schlicht der perfekte Song. Auf seinem Grabstein ist die erste Zeile eingemeißelt: "Teenage dreams so hard to beat".

Deana Mrkaja: Her mit dem schönen Leben! Puh. Berührt.

Nicht nur der großartige F.W. Bernstein (der mit den Elchen) hat uns verlassen, sondern auch der Soziologe Wolfgang Pohrt. Und auch er wird fehlen. Für undogmatische Linke vielleicht einer der wichtigsten Theoretiker der letzten Jahrzehnte. Arbeitete sich unter anderem an den autoritären Zügen sowohl der 'Achtundsechziger' als auch der Friedensbewegung ab (und bekam dafür ordentlich auf die Fresse). Sein Verleger Klaus Bittermann, in dessen Edition Tiamat gerade die große Pohrt-Gesamtausgabe erscheint, hat schöne Nachrufe auf Bernstein und Pohrt verfasst.

"Kritik am Kapitalismus ist, wie wenn die Maus dem Elefanten auf den Fuß tritt. Der Maus mag es Befriedigung verschaffen, sie kann vor anderen Mäusen damit angeben, der Elefant merkt davon nichts." (Wolfgang Pohrt)

Man lernt ja nie aus. Zum Beispiel von den Herren Katz und Goldt über die Schlacht von Wosiegrad.

Auch dieser Heiligabend soll nicht verstreichen ohne einen musikalischen Weihnachtsgruß. 'Joy To The World' nach Georg Friedrich Händel zählt zu meinen Lieblingsweihnachtsliedern, weil es erstens nicht so abgedroschen ist und zweitens einfach gute Laune macht, es so volles Rohr, ohne Wenn und Aber feierlich-fröhlich ist und auf jegliche tiefgründig-teutonische 'Besinnlichkeit' verzichtet. Hier improvisiert Ludwig Martin Jetschke alias Lingualpfeife auf der Orgel darüber.


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Kulinarik. Frank Geeraers, Bierimporteur und Betreiber von ratebeer.com, über die Unterschiede zwischen belgischer und deutscher Bierkultur. Höchst informativ und anregend. Man möcht‘ sich direkt ein Fläschchen köpfen. Nein, lieber nachher, als Betthupferl. Vertiefendes gibt es noch im Interview mit Geeraers zu lesen

Der schon letztens hier erwähnte Jay Rayner mahnt Restauranttester dazu, die möglichen Folgen einer positiven Kritik in Zeiten des Internet zu bedenken. Als er einmal ein unscheinbares Familienrestaurant über den Klee lobte, ist das dem Laden nicht gut bekommen. Kollabierte unter dem plötzlichen Ansturm, konnte die Qualität nicht halten und wäre beinahe Pleite gegangen.

Jasmin Schneider über die Tristesse von Kaufhausrestaurants. Vielleicht begann der Niedergang der klassischen Warenhäuser nicht mit dem E-Commerce der Nuller, sondern tief in den Neunzigern. Da begannen auf der grünen Wiese immer mehr große Verbrauchermärkte mit reichlich Parkplätzen und Gastronomieangebot aus dem Boden zu schießen, wenn man, wie hier in der Nähe in Oberhausen, nicht gleich das Prinzip der Shopping Mall importierte. Die Warenhauskonzerne reagierten darauf, wenn überhaupt, indem sie ihre Läden umräumten, sie einmal frisch strichen und sich verkrampfte pseudoweltmännische Bezeichnungen wie 'Galeria' verpassten. Und ihre einstigen Erfrischungsräume zu 'Dinea' genannten Café-Restaurants aufbliesen. Die aber den Gourmet-Anspruch, den sie so großsprecherisch-weltläufig verströmten, niemals einlösten.

Nigel Slater über die Freude, für sich allein zu kochen. Extravertierte, gesellige Menschen werden vielleicht nie verstehen, dass man es genießen kann, allein zu sein. Auch Koch und Rezepte-Guru Nigel Slater ist überzeugter Alleinleber, der sich standhaft weigert, sich einsam zu fühlen deswegen. Jetzt hat er dem 'Standard' ein Interview gegeben. Sympathisch.

Kochen tun wir natürlich auch wieder. Dieses Mal das berühmte britische Nationalgericht Chicken Tikka Masala. Das ist verschrien als ein Curry für Leute, die für Curry eigentlich zu feige sind, weswegen Tobi Müller die schöne Bezeichung 'Cliff Richard des Essens' gefunden hat.

In diesem Sinne!




1 Kommentar :

  1. Besten Dank für die Verlinkung. Das soll möglichst um die Welt gehen;)
    Vielleicht darf ich noch erwähnen, dass es mir bei dieser Idee um die Witwenrente geht.

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