Samstag, 2. September 2023

Spaßige Kasse - The Sequel


Weil mein Wappentier bekanntlich ein Brontosaurus ist, der kurz vor dem großen Asteroideneinschlag noch genüsslich auf einer halben Tonne Blattwerk herumkaut, habe ich natürlich immer noch nicht das Geldinstitut gewechselt. So bin ich nach wie vor Kunde der örtlichen Spaßkasse, obwohl die mir in den letzten Jahren mehr und mehr Gründe geliefert hat, unzufrieden zu sein. Unter anderem ihre Geschäftspolitik, die offenbar dem Prinzip folgt: Service runter, Gebühren rauf. Letztens wollte ich eine höhere dreistellige Summe Bargeldes meinem Sparbuch überantworten. Ja, ich weiß, Sparbücher haben nur noch alte Leute und großzügige Ignoranten wie ich, die wegen der Kombination aus Inflation und quasi Nullzinsen unbedingt Geld verschenken wollen, aber das soll hier nicht unser Thema sein.

So betrat ich, nichts Böses ahnend, die mit blankem Marmor gepflasterte Kathedrale des Mammons. (Habe ich schon erwähnt, dass es in meiner bescheidenen, nicht eben metropolengroßen Heimatstadt gleich zwei Sparkassenzentralen gibt? Als vor wohl zwanzig Jahren Kreissparkasse und Stadtsparkasse fusionierten, blieben beide Hauptstellen erhalten und werden nach wie vor bespielt. Und der Aufsichtsrat war danach doppelt so groß. Nur so am Rande.) Nun bin ich mir bewusst, dass Geldinstitute, darunter das von mir mit am Kacken gehaltene, das Hantieren mit Bargeld teuer und lästig finden und das am liebsten komplett auslagern würden. Aber ganz ohne geht wohl noch nicht. Unter anderem wegen lebender Fossilien wie mir.

Wie ich also nun die Weihestätte der gemäßigten Hochfinanz betrat, stand ich gleich vor einer kniffligen Entscheidung: Sollte ich mich in die Warteschlange vor den Service-Countern einreihen oder gleich zum letzten verbliebenen, vollverpanzerglasten Kassenhäuschen in der Ecke, vor dem keine Menschenseele stand. Aus Erfahrung wusste ich, dass es bei ersterer Variante länger dauern kann. Weil ja die meisten Bankgeschäfte inzwischen per Online-Banking und/oder SB-Terminal abgewickelt werden, stehen hier überwiegend Härtefälle an. Senioren in unterschiedlichen Stadien der Tüddeligkeit und Mobilität. Die man natürlich vorlässt, wodurch die Warterei sich entsprechend verlängert. Menschen, die komplexe internationale Transaktionen abwickeln, aber der deutschen Sprache nur rudimentär mächtig sind. Teenager, die ihr erstes Konto eröffnen und die kompletten AGB vorgelesen bekommen. Und Leute mit Sparbüchern.

So wäre das Aquarium gleich die klügere Wahl gewesen. Doch was stand dort mahnend in Rot (HKS 13) auf die Scheibe gepinselt? "Geschäftskunden | Sorten" stand dort. Bin ich nicht. | Wollte ich nicht. Also reihte ich mich gottergeben in die Warteschlange ein. Und wartete. Wohl an die zwanzig Minuten. Als ich endlich an der Reihe war und mein Begehr vortrug, beschied man mir, ich solle rüber zur Kasse gehen. Aha. Als ich sagte: "Zu Eurer untertänigsten Information, Euer Liebden, o mächtige Hüterin unserer Reichtümer, weder bin ich Geschäftskunde noch sind Piaster und Dinare aus fernen Landen mein Begehr.", bekam ich zur Antwort: "Wir machen hier gar nichts mit Bargeld, wissen Sie."

Aha. Jetzt ja.

Fun fact: Bis vor gar nicht so langer Zeit gab es in diesem Institut noch eine Empfangskraft, die einem in sei einem Fall gleich geholfen und damit verhindert hätte, wieder zwanzig Minuten kostbarer Lebenszeit zu verplempern. Weil aber die Krise uns alle hart trifft, musste dieser überaus nützliche Fachkraft leider eingespart werden. Aber Service wird hier groß geschrieben, heißt es. Das will ich auch hoffen, denn es ist ein Substantiv.

Den SB-Bereich machen sie neuerdings auch um 22:00 Uhr dicht. Der Vollständigkeit halber.

Aber der Spaß geht noch weiter. Bzw. ist alles bereitet, dass der Spaß fürs erste nicht aufhört. Jenes Geldinstitut meines Vertrauens hat mir nämlich mit Ablaufen meiner treuen alten EC-, pardon, Maestro-Karte jetzt so eine neumodische, als "echtes Multitalent" behallelujate Debit-Karte zugeschickt. Laut beiliegendem Werbeprospekt kann das kunststoffene Übergerät so ziemlich alles außer Cappuccino, Lammrücken mit Bohnen, den Weltfrieden bringen und Krebs heilen.

Nun ist das ja nicht so, dass ich grundsätzlich was gegen Platikgeld hätte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als frischgebackener Zivi mein erstes Girokonto hatte und man es spätestens bis Freitag um 15 Uhr zur Bank schaffen musste, wenn man sich fürs Wochenende nicht irgendwo Geld pumpen wollte. Zwar hatte meine damalige Bank bereits einen von diesen modernen Geldautomaten, der aber stand in der Kassenhalle, da der Laden noch keine SB-Zone hatte. Lastschrifteinzug finde ich so cool wie größere Anschaffungen oder Benzin per Karte zu bezahlen. Wer erinnert sich nicht an Zeiten, in denen kontenlose Mitmenschen 'Zahlscheine' ausfüllten und Barbeträge einzahlten, die dann dem Empfänger bargeldlos gutgeschrieben wurden.

Nur beim Einkaufen bin ich halt ein haptisches Gewohnheitstier. Ich bin anfällig für Sonderangebote und kaufe gern vorsorglich ein. Zu Zeiten, in denen ich mit einem kargen studentischen Budget über den Monat mich irgendwie stottern musste, fiel mir auf, dass Einkaufen mit Karte bei mir meistens dazu führt, dass ich mehr kaufe als geplant. (Da ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der einzige bin, dem es so geht, halte ich es nicht für völlig ausgeschlossen, dass der Handel so was einkalkuliert.) Also ist seither nur Bares Wahres. Ebenso käme mir nicht in den Sinn, in der Kneipe anders als bar zu zahlen. Das ist für mich schlicht eine Stilfrage. Bin ich da etwas eigen? Mag sein. Und wenn schon. Wie sagte einst der Philosoph Tocko Tronik? Pure Vernunft darf niemals siegen.

Auch mache ich mir wenig bis Illusionen, dass ich es noch erleben werde, dass das Bargeld komplett aus dem Alltag verschwindet. Diverses Jungvolk sehe ich eigentlich nur noch mit Karte zahlen, und wenn die letzte Generation, die noch ohne Computer und Online-Dienste aufgewachsen ist, dereinst mal die Bühne verlassen wird, werden die das durchziehen, da bin ich mir einigermaßen sicher.

Zurück zum nicht enden wollenden Spaß. So ist jetzt zu erfahren:

"»Debitkarten akzeptieren wir nicht« -- diesen Satz hören Kundinnen und Kunden in Deutschland oft, wenn sie in Laden oder Restaurant bezahlen wollen. Beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sind nach einem entsprechenden Aufruf 1.745 Problemmeldungen von Debitkartenbesitzern eingegangen, wie der Spiegel berichtet. Schwierigkeiten gab es demnach auch bei Behörden, in Krankenhäusern, an Parkscheinautomaten oder beim Abheben von Bargeld an Supermarktkassen. [...] Selbst manche Banken täten sich mit den Debitkarten schwer. So berichteten Kunden, dass ihnen mit der Debitkarte der Zutritt zum Selbstbedienungsbereich ihrer Bank verwehrt worden sei."


Soso, das kann ja lustig werden. Weiters ist zu erfahren, dass viele Händler sich gegen die Debit-Karten sperren, weil Visa und Mastercard, die Unternehmen hinter dem Debit-System, die Gebühren für die Händler wohl satt verteuert haben. Apropos: Eine Visa-Karte habe ich jetzt automatisch auch, obwohl ich nie eine wollte. Ich habe nämlich bereits eine Kreditkarte. Ich bin aber irgendwie froh, meine alte Mastercard noch zu haben, mit der sich zur Not auch Geld abheben lässt.







6 Kommentare :

  1. "Hochfinanz" buche ich jetzt Mal als Jugendsünde...

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    1. Die Tatsache, dass Ihnen offenbar das Wort "gemäßigte" entgangen ist, buche ich jetzt mal als Leseschwäche...

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    2. Nun frage ich mich eigentlich nur noch, wie ein gemässigter Gottfried Feder wäre...

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  2. "Also ist seither nur Bares Wahres. Ebenso käme mir nicht in den Sinn, in der Kneipe anders als bar zu zahlen. Das ist für mich schlicht eine Stilfrage. Bin ich da etwas eigen?"

    nnnope. at least not in my book.

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    1. "Weihestätte der gemäßigten Hochfinanz" .... mich hatte seinerzeit (Anfang der Neunziger) eine Priesterin an die Hand genommen und mir die Funktionsweise des im Vorraum installierten Geldautomaten erklärt. Dazu sehr freundlich die Ermahnung, Ich solle doch bitte zukünftig darauf verzichten, mir meine wöchentlichen Barbeträge per Auszahlung am Schalter zu besorgen.
      Irgendwas mit Richtlinien der BfG etc. Na ja — so bin ich damals abgestillt worden.

      Gruß
      Jens

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  3. Dieses elende Bargeldgefummel … drüben in Frankreich kannste an jeder Wurstbude und auf jedem Wochenmarkt mit der Karte zahlen. Praktisch – Telefon hinhalten, pling, fertig. Ich verkaufe neuerdings freitagnachmittags am lokalen Wochenmarkt (Nordbaden, Touristenort mit stark frequentiertem Wohnmobilplatz) Obst und Gemüse am Bauernstand und werde immer öfter gefragt, ob Karte (will $Scheffe nicht, weil Bankgebühren) und wo der nächste Automat sei, weil keine 4€ in der Tasche für die schönen Beeren o.ä. Der steht zehn Minuten weit weg (mindestens pro Strecke) am anderen Ende der Hauptstraße. Wo ist schon wieder mein Schreikissen …

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