Montag, 28. April 2025

Jenseits der Blogroll - 04/2025


Höchste Zeit wieder einmal für die Links und Fundstücke des Monats. Ein dominantes Thema war sicher das Ableben des römischen Bischofs am Ostermontag. Bei der taz scheinen sie ungewohnterweise ganz vernarrt in Francesco zu sein (und über die repressive Sexualmoral, die er vertrat, großzügig hinweg zu sehen). Eine Frage aber ist schon interessant: Folgt auf den argentinischen Befreiungstheologen und Kapitalismuskritiker, der für Klimaschutz und die Armen eintrat, ein Reaktionär, der auf der rechten Welle reitet und als Bruder im Geiste den Trumps, Orbáns, Melonis et al. dieser Welt den Segen gibt? Immerhin ist die Mehrheit der Kardinäle, die das Konklave bilden, von Franziskus ernannt worden.

Politik. Donald Trump wird zuweilen mit Kaiser Nero verglichen. Jörn Schulz hält das für unfair. Nero gegenüber.

Dietrich Krauß über Pazifismus.

"[Die] Geschichte hält ganz unterschiedliche Lektionen für Aggressor und Opfer bereit. Das deutsche »Nie wieder Krieg« kann ernsthaft nur gemeint sein als Versprechen der Täternation Deutschland, nie wieder ihre Nachbarn mit Waffengewalt zu überfallen. In Kreisen der Friedensbewegung wird die Losung jedoch oft verallgemeinert oder verabsolutiert als ein »Nie wieder« zu jeder Form von militärischer Gewalt, auch defensiver. Das hieße ja auch von den Nationen, die wie die Ukraine im Zweiten Weltkrieg Opfer der NS- Terrors wurden, Gewaltverzicht zu verlangen -- selbst im Falle eines Angriffs. Und das auch noch im Namen der Geschichte, in der Juden und Osteuropäer mit dem Preis der Vernichtung dafür bezahlen mussten, dass sie der Mordmaschine der Nazis wehrlos ausgesetzt waren, auch als die militärischen Kampfhandlungen beendet waren.“ (Krauß, a.a.O.)

Paul Simon zu Ole Nymoens Antikriegsbestseller.

Sebastian Bartoschek hat sieben Strategien, mit denen man den Grünen auch weiterhin die Schuld für alles geben kann.

Interview mit der Literaturwissenschaftlerin Sylvia Sasse über Desinformation, die Umkehr von Realität und Fiktion und über Strategien, um Demagogen zu entlarven.

"Putin betreibt eine rückwirkende Politik. Er schafft Ursachen, um seine Ziele nachträglich zu rechtfertigen. Wir sehen das bei den Verhandlungen mit Trump: Putin will die Ukraine nicht entnazifizieren, sondern die internationale Gemeinschaft erpressen. Er überfällt ein Land und stellt dann Forderungen. Das sind Mafia- oder Geheim­dienst­methoden. Zudem will er seine Macht nach innen absichern und Russland als imperiale Macht aufstellen. Was im Westen lange nicht verstanden wurde: Autokratie und Oligarchie harmonieren perfekt mit dem Kapitalismus. Diese Mischung imponiert offenbar auch Trump." (Sasse, a.a.O.)

Jan Priewe über den Mythos von der 'Schuldenorgie', die die neue Regierung angeblich veranstaltet.

Micky Beisenherz sieht in der aufdämmernden Ära Merz goldene Zeiten für Parodisten anbrechen. 

Leider dräut aber auch Spahn. Und das kann weniger lustig werden.

Als zukünftiger Fraktionschef wird Spahn so mächtig wie nie. Ein Eigentor für Merz, eine Last für die Koalition und eine Gefahr für das Land. Denn: Wenn einer aus Machtgier 2029 mit der AfD koalieren würde, dann Spahn! Hier meine Analyse im Video: youtu.be/uFuvqKEtHfs

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— Maurice Höfgen (@mauricehoefgen.bsky.social) 25. April 2025 um 16:02


Martin Rücker zur permanenten Bürgergeld-Hetze des Springerblatts.

Interessante Analyse, wie Medien das Framing rechter selbsternannter Pädophilenjäger übernehmen.

Leo Fischer über Schmutz im öffentlichen Raum.

Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Herr Uhle war in Hamburg. Und es hat ihm offenbar sehr gefallen.

Dominik Graf über die Arbeiten des tschechoslowakischen Regisseurs Zbynek Brynych, der einst in einem Atemzug mit Milos Forman genannt wurde, nach dem Prager Frühling emigrierte und sich in der BRD unter anderem mit dem Dreh von 'Der Kommissar'- und 'Derrick'-Episoden durchschlug. Es ist übrigens viel zu wenig bekannt, dass Graf nicht nur ein brillanter Regisseur, sondern ein ebenso begnadeter Filmtheoreriker und Essaist ist. (Hier noch das Interview mit Brynych, auf das Bezug genommen wird.)

Musik. Gisela Thrams über Otis Reddings 'Sittin' On The Dock Of The Bay'.

John Cale wollte ich schon ewig mal hier verbloggen, aber es kam irgendwie immer was dazwischen. Das Album 'Fragments of a Rainy Season' hat mich damals, 1992, schon ziemlich gepackt. Weniger das darauf erstmals veröffentlichte, inzwischen leider arg abgenudelte Cohen-Cover 'Hallelujah', sondern eher 'Paris 1919'. Hier mit etwas dickerer Besetzung und etwas flotter als das Original von 1972


(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)


Sport. Andreas Rüttenauer verabschiedet Thomas Müller.

Essen/trinken/gut leben. Elle Hunt probiert sich durch diverse Mixgetränke. Würg.

Vince Klink über Mundgefühl und Spargel.

"Die Leute sagen, es hat immer bei der Oma geschmeckt, so kann es weiter bleiben. Mit dieser Ansicht haben wir das Essen grundsätzlich ruiniert." (Wolfram Siebeck)

Meike Steenblock flicht der Zunft der Spüler:innen, die unbeachtet Ganz hinten in der Küche rackern, ohne die aber kein Restaurant der Welt funktionieren würde, die gebührenden Kränze.

Das Rezept. Reden wir mal über Salat. Da wäre etwa die meist arg traurige Veranstaltung namens 'Beilagensalat'. Oft lieblos auf einem Desserttellerchen zusammen Geklatschtes. So man nicht gehalten ist, das lieblose Zusammenklatschen am Salatbuffett freundlichst selbst zu übernehmen. So kann man dem Gast elegant die Schuld an dem Elend in die Schuhe schieben. In anderen Küchen hingegen ist der Beilagensalat eine wahre Kunstform:

"Es ist übrigens ein Kennzeichen der Wiener Küche, dass viele Speisen unbedingt eine bestimmte Salatbegleitung brauchen. Ein Wiener Schnitzel ohne saftigem Erdapfelsalat ist für Kenner auch unvorstellbar. Es geht dabei um haptisch erlebbare Kontraste -- kalt-warm und frische Saftigkeit als Kontrapunkt!" (Kochgenossen)

Auch ein kleiner Salat als Vorspeise hat seine Berechtigung. Es tut dem Stoffwechsel gut, wenn man sich nicht heißhungrig auf Kohlenhydrate stürzt, sondern dem nüchternen Magen als erstes ein paar Ballaststoffe gibt, was Zuckerspitzen vermeiden hilft, und die Magensäureproduktion ankurbelt durch die Säure des Essigs.

Es soll in Paris immer noch Restaurants und Bistros geben, in denen Gäste per mehrsprachigem Schild darauf hingewiesen werden, dass ein Salat allein keine Mahlzeit sei. Das kann jedoch als snobistisches Gehabe eingeordnet werden, es sei denn, es stellt sich heraus, dass der im Sommer als Hauptspeise beliebte Salade Niçoise doch nicht in Frankreich erfunden wurde. Also, Salate dürfen durchaus auch sättigen.

Apropos: In einer hiesigen Szenekneipe konnte man bis vor einigen Jahren einen gemischten Salatteller ordern, der es kalorisch locker mit jeder Pizza aufnahm. Ideal, wenn einem der Arzt dringend geraten hatte, mehr Salat zu essen und man beim nächsten Termin nicht lügen wollte. Neben ein paar Blättern Eisbergsalat, Tomatenschnitzen und Gurkenscheiben als Alibi bekam man einen wahren Berg aus Kidneybohnen, Thunfisch, Mais, Käsewürfeln, Feta, Schinkenstreifen, gekochtem Ei, Zwiebeln  und Oliven. Kann sein, dass ich noch was vergessen habe. Natürlich mit reichlich French Dressing, das Ganze, und kaum unfallfrei zu Tisch zu bringen. Vinaigrette? Essig und Öl? Ist das eine Kurklinik hier? 6 (oder 8?) Pizzabrötchen mit Kräuterbutter waren auch inklusive. Hinterher brauchte man einen Verdauungsschnaps.

'Hugenottensalat', kein klassisches Gericht, sondern die Erfindung eines berliner Kochs, hat so eine Achtziger-jahre-Aura. Nicht alles nur roh, sondern auch gegartes Gemüse ist dabei wie Spargel, Erbsen, Blumenkohl, Möhren und Champignons. Sieht nach einem bekömmlichen frühsommerlichen Spargelsaison-Mittagshappen aus, der nicht beschwert, oder einer delikaten Grillbeilage für all jene, die die ewige Trias aus Nudel-, Bulgur- oder Kartoffelsalat nicht mehr sehen können. Wer vegan unterwegs ist und nicht essen mag, was Schwester Henne sich aus dem verlängerten Rücken drückt, lässt die Eier weg.








6 Kommentare :

  1. ... diverse Mixgetränke ...
    komplett gelesen und jetzt habe ich Kopfschmerzen.
    Ich sage nur "Weißwein mit Sprite"
    Gruß, Jens

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  2. Vielleicht hat es ja die Frau Sasse früher nicht verstanden, dass Autokratie und Oligarchie perfekt mit dem Kapitalismus harmonieren, der "Westen" weiß es schon lange, und er nimmt es gern in Kauf, wenns ihm in den eigenen kapitalistischen Kram passt. Ungutes Beispiel, und nur eins von vielen: die Unterstützung von Pinochets Regime durch die USA und Großbritannien (echt eklig: wie sich die schon halbdemente Maggie T. einst beim greisen Diktator für seinen Einsatz für die Demokratie bedankte), und auch so einige deutsche Politiker fanden die chilenisch-faschistische Lösung durchaus zielführend. In China funktioniert diese Harmonie übrigens auch nicht erst seit gestern ganz prächtig.

    PS.
    Was da ein ehemaliger SWR-Unterhaltungsredakteur zum Thema Pazifismus absondert, das kommentier ich lieber nicht. Nur soviel: für die Heute-Show reichts.

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  3. Schade, dass die zahlreichen Varianten von Wurst- und Fleischsalat, vitaminreiche Jungbrunnen und von zahlreichen Ernährungswissenschaftlern (Homann, Popp, Gut & Günstig) empfohlen, hier keine Erwähnung finden.

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    1. Auch sehr lecker und leider noch immer relativ unberühmt: Ochsenmaulsalat. Schmeckt am besten mit Musik.
      PS.
      Es gibt sogar ein Lied dazu.

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    2. Fun fact: Neben 'gut & günstig' hat E.D.K. jetzt eine neue Produktlinie: 'schlecht und teuer'.

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  4. Ich bin ein großer Fan von Salat NACH dem Hauptgang. Ich hab das zum ersten Mal bei einem Italiener erlebt, bei dem ich mir ein etwas aufwändigeres Menü einverleibt habe, da stellte man nach dem Hauptgang, einem einigermaßen mächtigen Braten, einen kleinen Teller mit grünem Salat vor mich hin. Ich hielt das zuerst für ein Versehen und wollte den Salat zurückgehen lassen, aber der Kellner meinte, nein, das gehört so, ich sollte mal probieren. Das Ablehnen schmackhafter Speisen gehört nicht zu meinem Repertoire, also hab ich ein paar Gabeln gegessen und war sehr angetan: das hat ungemein erfrischt und belebt, hatte in etwa den gleichen Effekt wie ein Sorbet.

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