Man wird wohl alt. Früher verstarb alle Jubeljahre mal ein Papst (oder ein:e britische:r Monarch:in). Und der Neue blieb dann erstmal eine Weile. Inzwischen geben die Bischöfe von Rom sich ja förmlich die Klinke in die Hand. Ah, und ist es wirklich bloß Zufall, dass der letzte Besucher, den Franziskus empfangen hatte, bevor er Tags darauf final zum Chef zitiert wurde, ausgerechnet DJ Wanz war? Aber das Timing ist schon 1a. Am zweiten Ostertag nach getanem Urbi et orbi gen Himmel dürfte schwer zu toppen sein für jemanden in seiner Position.
Dergleichen Gewitzel mal beiseite, muss man dem Verstorbenen zugute halten, dass er jegliches Gepränge und jeglichen Pomp ablehnte. In gülden bestickten Prunkgewändern einherzuschreiten und von Demut zu predigen, war seines nicht, Arroganz und Amtsdünkel lagen ihm fern. Oft schimmerte deutlich durch, dass das, was er qua seines Amtes zu vertreten hatte, nicht immer deckungsgleich war mit seinen persönlichen Überzeugungen. Mochte er in Sexualdingen teils recht konservativ gewesen sein, in politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen war er es definitiv nicht. Der erste Kapitalismuskritiker auf dem Stuhl Petri. Bei allen Versäumnissen, die man ihm auch wird ankreiden müssen, ist das für einen Papst, der immer auch 2000 Jahre Kirchengeschichte mit sich herumschleppt und immer für die gesamte Weltkirche spricht, keine Kleinigkeit.
Ach ja, einen schönen Überblick über das, was jetzt kommt, gibt es übrigens bei Onkel Michael.
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Pest auf Mittelaltermarkt ausgebrochen
— Der Postillon 📯 (@der-postillon.com) 17. April 2025 um 19:45
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Kaum zu leugnen: Bloggen ist zuvörderst eine sitzende Tätigkeit. Die durch fiese Schmerzen im Lendenwirbelbereich momentan erheblich erschwert wird. Glücklicherweise habe ich so einen Küchentresen mit Barhockern davor. Da geht das dann wenigstens zeitweise. Ich möchte dies Osterwochenende aber nicht verstreichen lassen, ohne auf die hervorragende ITV-Miniserie 'Unschuldig - Mr Bates gegen die Post' hinzuweisen, die in der vorzüglichen ARTE-Mediathek streambar ist. Es geht, nur wenig fiktional, um dem Royal-Mail-Horizon-Skandal, bei dem hunderte Postfilialenbetreiber auf den britischen Inseln wegen der mangelhaften Buchungssoftware 'Horizon' um ihre Ersparnisse gebracht, verurteilt und bestraft wurden. Einige kamen ins Gefängnis und es kam auch zu Selbstmorden. Von anderen Folgen wie Depressionen und Mobbing nicht zu reden.
"Man kann so etwas nur mit einem Computer machen. Die Bosse, die das tun, sind nicht böser als die Bosse von einst, sie haben nur bessere Werkzeuge. Und es sind noch nicht einmal Techbosse." (Cory Doctorow)
Die vier mal 45 Minuten lassen sich bequem an einem Abend wegsehen und es lohnt sich. Man kann monieren, gegen Ende werde es zuweilen ein wenig kitschig, aber das ist marginal. Die Besetzung, allen voran Toby Jones als unerschrockener Alan Bates, ist, wie von den Inseln gewohnt, hervorragend. Fun fact: Als der Produktionsgesellschaft gegen Ende das Geld auszugehen drohte, sollen Angestellte und Schauspieler auf 20 bis 30 Prozent ihrer Gagen und Gehälter verzichtet haben, weil ihnen das Projekt am Herzen lag.
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"Es müsse, so der kommende deutsche Kanzler Friedrich Merz in einer letzten Wahlkampfrede, Schluss sein mit linker und grüner Spinnerei, und zu dieser Spinnerei gehört die Idee, dass Autofahren in der Stadt meist überflüssig ist. Das ist noch nicht Kommunismus, sondern verdankt sich der schlichten Erkenntnis, dass es Wahnsinn sei, für achtzig Kilogramm Mensch zwei Tonnen Fahrzeug in Bewegung zu setzen, und dann ist der Hinweis aufs konsumistische Missverhältnis doch wieder Kommunismus, wenn Gemeinwohl wäre, den (über)motorisierten Individualverkehr aus den Städten zu kriegen." (Stefan Gärtner)
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Kunst im öffentlichen Raum. Das abgebildete Opus ist Teil einer Installation mit Namen 'Mückenhäuser'.
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Immer wenn sich irgendwo über die "Kriegsrhetorik" bzw. das "Kriegsgeheul" "kriegsgeiler" (westlicher) Medien echauffiert wird, frage ich mich, wie diese Leute wohl die Rhetorik der russischen Medien einschätzen, wo in einer Tour mit dem atomaren Säbel gerasselt wird und Welteroberungspläne zum besten gegeben werden. Verteidigen wahrscheinlich bloß "wohl verstandene Sicherheitsinteressen" bzw. wehren sich gegen die unerträgliche Aggression des "Wertewestens". Der Zynismus vom 'Wertewesten' bedeutet ja nichts anderes als: Der verlogene Westen ist keinen Deut besser als jedes autokratische Gewaltregime auf der Welt. Und das ist Quatsch.
Russland ist eine Scheindemokratie. Ungarn ist auf dem Weg dahin. Die anderen liberalen Demokratien in Europa verdienen den Namen wirklich nicht. Natürlich gibt es hier irrsinnige Ungerechtigkeiten, aber es ist in liberalen Demokratien immer noch möglich, das anzusprechen und öffentlich zu kritisieren, ohne dass man dafür drei Jahre ins Arbeitslager kommt. Und die Regierung lässt sich wieder abwählen. Diese Freiheit ist unglaublich viel wert und die setzt man nicht aufs Spiel, indem man Demokratie schlecht redet und den Pfad ebnet, dass dann erst recht eine Diktatur kommt, die ganz sicher nichts gegen das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich unternimmt.
"der letzte Besucher im Vatikan" ... Was will uns Gott damit sagen?
AntwortenLöschenGruß, Jens
Gläubige Katholiken würden da jetzt sagen, die Wege des Herrn seien eben unergründlich. Oder Moment, in der Apokalypse des Johannes steht was vom Antichrist...
Löschen"Franziskus wird in Erinnerung bleiben für seinen unermüdlichen Einsatz für die Schwächsten der Gesellschaft." Und Friedrich Merz wird einst in Erinnerung bleiben als einer, dessen Beschränktheit und Gemeinheit nur noch von seiner unermüdlichen Schamlosigkeit übertroffen wurde. Der Mann widert mich, obschon (oder weil, ich bin nicht sicher) ausgewiesener Wertewestler, mehr an der derzeitige Diktator im Kreml. Was nicht heißt dass ich lieber
AntwortenLöschenin Russland leben würde. In einem Land, in dem Figuren wie Merz in höchste Staatsämter gelangen können, leb ich allerdings auch nicht gern. Aber es ist wohl das kleinere Übel, das geb ich zu.
LöschenAutofahren in der Stadt IST meist überflüssig. Ich habe Anfang 1990 hier in Berlin für eine schnurgerade, mit dem Auto normalerweise in 5 bis 10 Minuten zu bewältigende Strecke 2 Stunden gebraucht, mit der U-Bahn und kurzem Fußweg wäre das in 15 Minuten zu bewältigen gewesen. Ich hab mir dann eine Umweltkarte (so hieß damals die Monatskarte, rotgrün versifftes Teufelszeug!) zugelegt und hab das Auto stehen "nur mal probehalber" lassen. Nach drei Monaten hab ich dann das Auto verkauft und diese Entscheidung keine Sekunde lang bereut. Man ist meistens schneller und immer entspannter unterwegs und spart dabei soviel Geld, dass man sich locker ein Taxi leisten kann, wenn's mit Bus und Bahn mal nicht passt. Auf dem flachen Land ist man ohne Auto hingegen wirklich aufgeschmissen.
AntwortenLöschen"Ah, und ist es wirklich bloß Zufall, dass der letzte Besucher, den Franziskus empfangen hatte, bevor er Tags darauf final zum Chef zitiert wurde, ausgerechnet DJ Wanz war?"
AntwortenLöschenIrgendwo habe ich gelesen, daß auch Trumpel seinen Besuch im Vatikan angedroht hatte - oder hatte man ihn gar einladen müssen...? Jedenfalls wollte sich Franziskus den nicht auch noch antun. (Über die Queen gab es einen ähnlichen Spruch - daß Her Majesty sich davonmachte, bevor sie womöglich nochmals Boris Johnson gratulieren müßte...)
Unabhängig von solchen Witzeleien fand ich den Mann aber schon irgendwo beeindruckend - obwohl ich schon lange aus der Kirche ausgetreten bin.
...auch Trumpel seinen Besuch im Vatikan angedroht hatte - oder hatte man ihn gar einladen müssen...?
Löschen"looking forward to..."
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Stimmt schon, gefùhlt hatten die Päpste mal eine längere Mindesthaltbarkeit.
AntwortenLöschenKann aber auch an langsameren Medien gelegen haben.