Samstag, 4. November 2017

Warum immer reden?


Jetzt, gut siebzig Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, da die, die ihn noch erleben mussten, nach und nach leiser werden, bis sie bald ganz verstummen werden, geht der politische Diskurs in Deutschland ungefähr so: Mögen Rechte provozieren, pöbeln, prügeln, morden, brandschatzen gar, die wahre Gefahr geht von Linken aus. Denn die wollen irgendwie alle enteignen, zünden Autos an und sind derart arrogant und von Hass zerfressen, dass sie besorgten, allein von Sorge ums deutsche Vaterland getriebenen Bürgern roh das Gespräch verweigern. Man müsse mit Rechten reden, so lautet der momentan durchs Dorf getriebene Imperativ, als handele es sich um ein paar Lausejungs, die etwas ausgefressen haben. Aktuell wird das per Buch ventiliert von Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn, die einen 'Leitfaden' zum Thema verzapft haben.

Mittwoch, 1. November 2017

Asterix am A...


So denn, der neue 'Asterix'-Band ist vorletzte Woche erschienen. Der dritte, nach dem Albert Uderzo eingesehen hat, dass er's nicht mehr wirklich bringt und an Jean-Yves Ferri und Didier Conrad übergeben hat, die die Reihe seitdem fortsetzen. Nach Italien soll es unsere beiden Lieblingsgallier dieses Mal verschlagen, dort waren sie erst zwei Mal. Um ein Wagenrennen über die gesamte Halbinsel soll es gehen, so war zu erfahren. Klang nicht unreizvoll für mich. Zumal das an 'Tour de France' anknüpft, nach Meinung vieler, unter anderem meiner, einer der gelungensten Bände der ganzen Reihe. Grund zu vorsichtigem Optimismus gab es ja. Die beiden letzten Bände 'Asterix bei den Pikten' und 'Das Papyrus des Cäsar', waren eingermaßen gelungen und enthielten nicht unflotte Anspielungen auf aktuelle Entwicklungen. Noch nicht die alte Qualität, so das überhaupt möglich ist, aber mit Potenzial, habe ich gedacht.

Dienstag, 31. Oktober 2017

Großer Kürbis reloaded


(Zweite, durchgesehene Auflage)

Es ist wieder so weit: Das Fest des großen Kürbis ist da. Bizarr bis gruselig herausgeputzte Kinder erpressen von den Nachbarn Süßigkeiten und nicht minder zurecht gemachte Erwachsene strömen in Scharen zu Halloween-Partys, auf denen sie die Nacht zum Tage werden lassen, um den folgenden Morgen des stillen Allerheiligen-Tages in gebührender Wortkargheit zu begehen. Schließlich sind auch die Supermärkte seit einiger Zeit nicht nur voller Weihnachtsgebäck, sondern auch voller Horror-Zubehör. Das gefällt nicht allen. So bezog zum Beispiel in Polen die katholische Kirche schon vor Jahren mutig Stellung gegen das satanische Fest, an dem Okkultismus und Zauberei gehuldigt werde. Auch hierzulande ist man auf der Hut: Weil gewisse, sehr deutsche Dödel sich nicht nur in jeder freien Minute auf Traditionen besinnen, sondern auch sonst voll kritisch durchblicken, ist man in diesen Kreisen schwer um die einheimische Kultur besorgt. Von amerikanischem Kulturimperialismus wird da gern gemoppert. Müssen wir denn wirklich immer alles mitmachen, was von dort kommt? Und überhaupt sei das doch alles eh nur Kommerz und jappjappjapp.

Sonntag, 29. Oktober 2017

Burgermeister Attila


Vielleicht ist es ein Fehler, diesen Beitrag zu schreiben. Denn er verschafft Attila Hildmann, seines Zeichens Oberveganer und Chefmimose der Nation, weitere Aufmerksamkeit, wenn auch in bescheidenem Rahmen. Und darum allein scheint's ihm, hierin nervenden Epigonen wie Til Schweiger und Oliver Pocher nicht unähnlich, bestellt zu sein. Für alle, die es nicht mitbekommen haben sollten: Eine Mitarbeiterin des 'Tagesspiegel' war nach einem Besuch in Hildmanns Berliner Schnellrestaurant ein wenig unterwältigt. Ihr Fazit lautete in etwa, dass Hildmanns Besserweltbutze mitnichten ein weltlicher Wallfahrtsort des Genusses und der Achtsamkeit gegenüber Bruder Brathuhn und Schwester Spanferkel ist, sondern im Prinzip nichts anders als eine fettmiefende Frittenschmiede, in der hygienisch herausgeforderte Stiernacken zwar tierfreien, aber schwer genießbaren Fraß zu überteuerten Preisen verabfolgen.

Freitag, 27. Oktober 2017

Fundstücke (2)


Diskrete Gabel

Da hatte ich doch in meiner mit galaktisch nur rudimentär umrissenen Ignoranz immer geglaubt, es gehöre in fernöstlichen Regionen geradezu zum guten Ton, beim essen möglichst geräuschvoll zu schlürfen. Doch weit gefehlt! The times, they are-a changin', auch in Japan wird allzu lautes Geschlabber, man liest es mit Erstaunen, von immer mehr Menschen offenbar als lästig empfunden. Daher hat ein Hersteller von Fertignudelsuppen eine Hightechgabel entwickelt, die derartige Geräusche, analog zur diskreten Toilette, in Zukunft dämpfen soll, wie der 'Standard' meldet:

Dienstag, 24. Oktober 2017

Ein Jubiläum (4)


Heute vor 100 Jahren, am 24. Oktober 1917, begann die Schlacht bei Caporetto.

Im Nachhinein, oder ex post facto, wie's distinguierter heißt, ist man bekanntlich immer schlauer. In der Rückschau erscheint uns nachfolgenden Generationen die Niederlage der Mittelmächte am Ende des ersten Weltkrieges geradezu zwingend. Die katastrophale Versorgungslage, der nach Jahren des Gemetzels langsam versiegende Nachschub an Soldaten (ab 1917 war man dazu übergegangen, auch 17jährige einzuziehen), während die Ententemächte solche Sorgen nicht hatten. Ihnen standen nicht nur die Weltmärkte offen, sondern ab 1917 auch das Menschenreservoir der USA. Konnte nicht anders kommen. Zeitgenossen sahen das Ende 1917 ganz anders. Mochten die Deutschen schlecht ernährt sein und in Uniformen herumlaufen, die immer mehr Lumpen glichen, vor ihrer Kampfkraft hatte man gehörigen Respekt und sah sich keineswegs auf der Siegerstraße.

Samstag, 21. Oktober 2017

Alte Tugenden im Sündenbabel


Dank eines lieben Menschen mit Sky-Abo und HDD-Recorder war ich als Nurgebührenberapper nunmehr in der Lage, die ersten Folgen der mit 40 Mille Kosten teuersten deutschen und vom nationalen Föjetong bejubelten Serie 'Babylon Berlin' anzuschauen. Und? Habe ich das Licht gesehen? Hat deutsches Fernsehen nunmehr endlich Weltniveau? Sind wir endlich wieder wer? Nun ja. Nennen wir es einen Rückfall in alte Tugenden.

Es geht um den Kölner Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch), der 1929 für Ermittlungen nach Berlin entsandt wird. Weil er durchaus Eindruck hinterlässt und er vom quirligen Leben der Roaring Twenties fasziniert ist, verschlägt es ihn, obwohl familiär im Rheinischen gebunden, bald ganz nach Berlin. Parallel dazu wird die Geschichte von Charlotte 'Lotte' Ritter (Liv Lisa Fries) erzählt. Die hat einen Schlafplatz im Hinterhaus einer heruntergekommenen Mietskaserne und verdingt sich tagsüber als Tagelöhnerin im Polizeipräsidium, wofür sie sich immer wieder einer unwürdigen Prozedur unterziehen muss. Jeden Morgen prügeln sie und ihre Konkurrentinnen sich förmlich um einem der raren Arbeitsaufträge wie Hungernde um Brotkrumen, die ihnen hingeworfen werden. Als sie einen Auftrag für mehrere Wochen am Stück ergattert, wird sie allgemein beneidet. Nachts tanzt sie sich im 'Moka Efti', das als eine Art Berghain Anno Tobak inszeniert wird, die Seele aus dem Leib und prostituiert sich im Hinterzimmer. Eine von geschätzt knapp 50.000 'Halbseidenen' im damaligen Berlin. Meist schläft sie überhaupt nicht - ein Pensum, das auch für eine junge Frau eigentlich nur durch das seinerzeit reichlich verfügbare Kokain erklärbar ist. Aber auch verständlich ist, denn so wie sie sollte niemand schlafen müssen.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Auch mal schön...


so zwischendurch, so eine kleine Pause vom üblichen Politgebrassel: Indian Summer (na ja, noch nicht so richtig) im Freilichtmuseum Hagen. Eine sehr schöne, bis auf den üblichen (und wohl unvermeidlichen) Museumsshop vergleichsweise wenig durchkommerzialisierte Einrichtung übrigens, ein Besuch bei gutem Wetter ist sehr zu empfehlen. Was aber heuer nur noch bis 31. Oktober möglich ist. Und zum Weihnachtsmarkt am ersten Dezemberwochenende. Aber das stelle ich mir, sagen wir mal, gut besucht vor.

Montag, 16. Oktober 2017

Schmerzfrei originalverkorkst


Es gibt diese herrlich verstörenden Momente im Leben, in denen Fiktion, besser noch Satire, von der Wirklichkeit nicht nur ein-, sondern überholt wird. Vielen dürfte zum Beispiel das Weingut Pallhuber und Söhne aus dem Sketch von Loriot ein Begriff sein. Für das Weingut war dort ein trinkfester, rotgesichtiger, schnapsnasiger Vertreter namens Blümel auf Reisen, um arglose Hausfrauen zu beschickern und ihnen, sobald genügend beschwipst, die Produkte des Hauses aufzuschwatzen ("abgefüllt und originalverkorkst..."). Als die Konkurrenz von der Staubsaugerbranche hinzukam ("Es saugt und bläst der Heinzelmann..."), endete der Vormittag in allgemeinem Besäufnis und Chaos.

Samstag, 14. Oktober 2017

Zur Causa Weinstein


Der Önophile weiß: Steinwein ist gut, Weinstein verdirbt den Tag. Spitzengag als Aufhänger! Ab jetzt wird es weniger lustig. Mein Problem mit Männern wie Harvey Weinstein ist, dass Typen wie er wieder mal die ganze Innung in Verruf bringen, weil er Männer per se als schwanzgesteuerte Wüstlinge erscheinen lässt. (Wenn die Vorwürfe gegen ihn sich denn als begründet erweisen.) Dergleichen sozialdarwinistische Alpha-Männlichkeit ist nicht meine und mir daher fremd. Diese Wahrnehmung der Welt als sexueller Selbstbedienungsladen, in der ich glaube, wegen ein paar beschissener Dollars auf meinem Konto das Recht zu haben, mit Frauen frei nach Mutwillen umzuspringen und meine Frau, die mehr eine Art Statussymbol ist, nach Lust und Laune zu hintergehen. Nicht mein Menschenbild, nicht meine Werte, so was.

Ja, ich weiß, jeder Macho behauptet im Zweifel, ganz anders zu sein. Kennen wir. Trotzdem, bin ich der einzige, dem es ein wenig schwummrig wird, ob der Sicherheit, mit der Weinstein überall bereits behandelt wird wie ein rechtskräftig verurteilter Verbrecher?