Dienstag, 31. Oktober 2017

Großer Kürbis reloaded


(Zweite, durchgesehene Auflage)

Es ist wieder so weit: Das Fest des großen Kürbis ist da. Bizarr bis gruselig herausgeputzte Kinder erpressen von den Nachbarn Süßigkeiten und nicht minder zurecht gemachte Erwachsene strömen in Scharen zu Halloween-Partys, auf denen sie die Nacht zum Tage werden lassen, um den folgenden Morgen des stillen Allerheiligen-Tages in gebührender Wortkargheit zu begehen. Schließlich sind auch die Supermärkte seit einiger Zeit nicht nur voller Weihnachtsgebäck, sondern auch voller Horror-Zubehör. Das gefällt nicht allen. So bezog zum Beispiel in Polen die katholische Kirche schon vor Jahren mutig Stellung gegen das satanische Fest, an dem Okkultismus und Zauberei gehuldigt werde. Auch hierzulande ist man auf der Hut: Weil gewisse, sehr deutsche Dödel sich nicht nur in jeder freien Minute auf Traditionen besinnen, sondern auch sonst voll kritisch durchblicken, ist man in diesen Kreisen schwer um die einheimische Kultur besorgt. Von amerikanischem Kulturimperialismus wird da gern gemoppert. Müssen wir denn wirklich immer alles mitmachen, was von dort kommt? Und überhaupt sei das doch alles eh nur Kommerz und jappjappjapp.

Aufmerksamen Lesern dieser kuscheligen kleinen Ecke im endlosen Netz dürfte nicht entgangen sein, dass ich es normalerweise reichlich armselig finde, wenn Menschen nur deswegen irgendwas tun, weil es gerade in Mode ist und weil sie Angst haben, sie könnten eventuell out sein, wenn sie sich nicht jedem Diktat der Freizeitindustrie unterwerfen. Bekannt sein dürfte auch, dass es mir erst recht auf die Nerven geht, wenn bei so was auch noch unbeteiligte Mitmenschen behelligt werden, auch wenn ich in der Regel gegen Verbote bin. Daher mag es vielleicht überraschen, dass mir das aktuelle Getue komplett egal ist. Es nervt nicht mal, es ist mir einfach nur so egal wie die Spargelsaison. Als vom WDR bestrahlter Nichtjeck finde ich Rheinischen Karneval deutlich lästiger, daher wäre es schlicht kleinlich, sich über das bisschen Halloween aufzuregen.

Zumal ich mir eh nichts aus Kürbis mache. Im Moment wird ja Kürbis gemacht, als gäbe es kein Morgen. Meine bislang drei Begegnungen mit den angeblich essbaren orangenen Medizinbällen dagegen verliefen allesamt wenig überzeugend. Als Kind bekam ich bei den Großeltern einmal süßsauer eingelegten Kürbis vorgesetzt. Weil ich das für eingemachten Pfirsich gehalten hatte, waren Schreck und Enttäuschung nach dem ersten Bissen so groß, dass ich in kindlichem Trotz schwor, das labbrige Kriegsgemüse nie wieder im Leben anzurühren. Dann gab es irgendwann einmal bei einer herbstlichen Einladung zum Essen Kürbissuppe mit Möhren, Ingwer und Chili. Zum Glück waren Möhren, Ingwer und Chili so großzügig bemessen, dass die mumpfig-gurkige Note des Kürbisses kaum wahrnehmbar war. Das Süppchen hätte auf Basis von Kartoffeln und Gemüse vermutlich genau so geschmeckt, wäre nur weniger orange gewesen. Dann fragte mich mal eine Arbeitskollegin, ob ich ein Stück Kürbis haben wollte, sie hätte zu Hause gerade geerntet. Mutig geworden, bejahte ich und brummelte was von mal wieder Kürbissuppe machen. Am nächsten Tag lag mit besten Grüßen ein Trumm von zirka fünf Kilo auf meinem Schreibtisch. Nachdem ich einen großen Topf Kürbissuppe fertig hatte, waren immer noch mehr als drei Viertel des Monsterteils übrig. Die wanderten dann in die Biotonne, auch wenn die Kinder in Afrika sich vielleicht darüber gefreut haben mochten. Die Suppe? Nun ja. Nach nicht einmal einer Portion hatte ich den Geschmack über. Wer also wie ich, bei allem, was mit Kürbis zu tun hat, nicht in spontane Verzückung ausbricht, ist beim großen Kürbisfest daher möglicherweise leicht gehandicapt.

Sicher, man kann Halloween lästig finden. Wer sich aber allein über die kommerzielle Seite des Treibens erregt, möge sich ähnliche Anlässe im Jahr ansehen. Auch die sind so durchkommerzialisiert, dass es auf einen Tag mehr oder weniger wirklich nicht ankommt. Man kann sich auch entrüsten über heidnisches Treiben, wie es die polnisch-katholische Kirche tut. Nur muss man dazu über die heidnischen Wurzeln gewisser Weihnachts- und Osterbräuche geflissentlich den Mantel des Schweigens breiten. Man kann sich auch so verspannen wie die ebenfalls eingangs erwähnten deutschnationalen Kulturpessimisten, die jedes Jahr aufs Neue wacker in Stellung gehen angesichts der existenziellen Bedrohung des christlichen, vor allem aber des deutschen Abendlandes und seiner Kultur. Nur muss man dazu großzügig übersehen, dass Halloween ursprünglich ein irischer Brauch war, der von Auswanderern in die USA exportiert wurde. Ferner sollte man kein Problem damit haben, dass umgekehrt im Ausland deutsches Brauchtum, wie etwa Weihnachtsmärkte gern adaptiert werden. Der Gedanke, dass so was ein Zeichen von Offenheit ist und man dort normalerweise nicht über die Verwässerung der heiligen nationalen Kultur durch teutonisches Tamtam jammert, scheint die patriotischen Glühweinglommsen regelmäßig zu überfordern. Ihrer eigenen Logik zufolge, müssten die so konsequent sein und gegen solche Globalisierung deutscher Besinnlichkeit auch auf die Barrikaden gehen. Aber zurück zum aktuellen Anlass.

Wenn man nicht in einem  Viertel wohnt, in dem überwiegend Familien mit Kindern siedeln, braucht einem normalerweise nicht bange zu sein, durch "Süßes oder Saures!"-Attacken belästigt zu werden und man kann sich problemlos einen gruselfreien Abend machen. Und wer par tout keine Lust auf Horrorpartys hat, kann sich, wie bei anderen Einladungen auch, eine der üblichen Ausreden einfallen lassen und gut. Ich bin ziemlich sicher, wäre Halloween zu meiner Kindheit bereits so angesagt gewesen wie heute, ich hätte einen Riesenspaß daran gehabt, verkleidet mit Freunden durchs Viertel zu ziehen, massenhaft Süßigkeiten abzugreifen und makabre Gruselpartys zu veranstalten. Solange es nicht irgendwas mit Kürbis zum Essen gegeben hätte.

Die Halloween-Folgen der Simpsons sind übrigens immer wieder sehenswert.

(Dieser Beitrag erschien bereits in etwas anderer Form im Oktober 2012. Es ist also genügend Gras darüber gewachsen.)




5 Kommentare :

  1. Volle Zustimmung. Und ich finde es niedlich, wenn die Kleinen Süßwerk einfordern. Hab schon mal eine Tüte klargemacht.

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  2. Ich mache das Licht aus und schließe mich ein. Mann, wie mir dieses Halloween und die Kinder auf den Keks gehen.

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  3. Hätten wir stattdessen doch den dias de los muertes der Mexikaner
    kulturell inkorporiert – es gäbe jetzt Zuckerskelette und Schokosärge mit z.B. Marzipanleichen drin ;)

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  4. Ich kann mich immer noch nicht entscheiden, ob mir die klassisch vertonte- oder die von Marylin Manson besser gefällt. Letztere ist ein bisschen hässlicher, aber erstere ist atmosphärisch einfach dichter.

    https://www.youtube.com/watch?v=srmqqbpg4TA
    https://www.youtube.com/watch?v=kGiYxCUAhks

    But anyway
    Tim Burton for President, und im Zweifelsfalle auf Seiten der Kinder.
    (Ersatzweise, hätten wir da noch was mit Luther)

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    1. Manson natürlich, wer sonst?
      @ert_ertrus: Ja, das wäre auch mir weit sympathischer...

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