Samstag, 31. März 2018

Empathie, Empatha


Unter Empathie versteht man ganz allgemein die Fähigkeit, sich mehr oder weniger in andere Menschen hineinzuversetzen. Es wäre kein Problem, wenn Empathie in wesentlichen so begriffen würde. Wird es aber nicht. So ziemlich jeder, der irgendwie eine Meinung zum Weltverbessern absondert, sondert auch diese wichtig klingende Vokabel mit hoher Wahrscheinlichkeit mit ab. So im Sinne von: Wir müssen alle empathischer werden. Dabei wäre eine Welt, in der es nur noch empathisch zuginge, nichts weniger als ein Alptraum. Was in mir vorgeht, ist meine Sache, mein Gemütszustand, meine Sorgen Und NöteTM, meine Gefühle etc. gehen exakt mich und handverlesene Menschen meines engeren Umfeldes etwas an, alles andere empfinde ich als höchst übergriffig.

Abgesehen davon, dass andauernd immer empathisch zu sein, höchst anstrengend ist, ist es gruselig, wenn wildfremde Menschen auf empathisch machen, wo schlichte Freundlichkeit mehr als ausreichte. Genauer gesagt, ist das Problem doch, dass es dort, wo Empathie Not täte, oft fehlt an ihr, und dass sie einem dort, wo sie absolut nichts zu suchen hat, andauernd aufgezwungen wird. Etwa um einem was aufzuschwatzen oder um Inkompetenz zu verschleiern. Ich habe nix davon, wenn die Dame von der Hotline total empathisch meinen Ärger über mein zum wiederholten Male defektes Handy ganz doll verstehen kann, der Arzt irre mitfühlt mit mir, der Busfahrer scheinbar total an meinem Befinden interessiert ist. Mir reicht es völlig, wenn diese Menschen ihren Job ordentlich machen und sich ansonsten an ein paar Mindeststandards im menschlichen Umgang halten, mehr muss nicht. Erst recht verdächtig wird es, wenn Politiker und Firmenbosse plötzlich empathisch werden. Umgekehrt leisten wir uns dort, wo der Sozialstaat sein Werk verrichtet an Hilfebedürftigen, eine Kälte und Herzlosigkeit, die einen zuweilen sprachlos macht.

Keine Ahnung, ob und inwieweit das Empathiegehuber ein vorwiegend deutsches Phänomen ist, aber wenn dem so wäre, täte es mich nicht wundern. Mit Freundlichkeit als schlichter Kulturtechnik dagegen hat man's in vielen Gegenden Deutschlands nicht so. Und versuchen wir's trotzdem, die Globalisierung schläft ja nicht, kommt nicht selten ein entsetzlicher Krampf dabei heraus.

"Ein grummeliger, aber ehrlicher Saalchef ist mir [...] lieber als jeder falsch lächelnde Mitarbeiter, der sein Mundwinkeltraining gerade auf der Serviceschulung der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) erfolgreich absolviert hat. Da möchte man den Schaumlöffel aus der Küche holen und ihn zum Teufel jagen." (Philipp Mausshardt)

Freundlichkeit darf bei uns auf gar keinen Fall 'aufgesetzt' sein, sondern muss 'von Herzen kommen', 'authentisch' oder 'echt' sein, sonst ist sie 'oberflächlich' und man kann sie glatt vergessen. Daraus wird hierzulande dann gern das Recht abgeleitet, sich Mitmenschen gegenüber zu benehmen wie offene Hose. Das gilt dann als 'Offenheit', ist aber Blödsinn und nervt vor allem. In Ländern, in denen vermeintlich aufgesetzte Freundlichkeit weithin praktiziert wird, dient sie, wie auch die Kunst des scheinbar belanglosen Small Talk, allein als Mittel, den Alltag angenehmer zu machen, als zivilisatorisches Schmiermittel gleichsam. Auf den Britischen Inseln habe ich oft erlebt, wie stressfrei ein bisschen Freundlichkeit, und sei sie meinetwegen noch so unecht, das Leben machen kann. Vor allem, wenn man sich, kurz nachdem der Flieger wieder gelandet ist, in einer S-Bahn voller sich keinerlei Zwang antuenden Muffköppen und Nervensägen wiederfindet.



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