Samstag, 23. Februar 2019

Geframt geschwurbelt


Die Sprachwissenschaftlerlin Elisabeth Wehling, die uns seit der Wahl Donald Trumps zum POTUS unermüdlich das Phänomen des Framing erklärt, ist Absolventin der University Of California, Berkeley. Sie betreibt das International Berkeley Framing Institute, das 2017 von der ARD beauftragt worden ist, einen Leitfaden zu entwickeln, wie diese linguistische Allzweckwaffe eingesetzt werden kann im Kampf gegen marktradikale Heuschreckenmedien. An sich eine charmante Idee, denn eine Kommunikationstechnik, mit deren Hilfe sich einer wie Donald Trump zum US-Präsidenten und eine Partei wie die AfD zur ernstzunehmenden politischen Größe pimpen lässt, kann nicht völlig unpfiffig sein.

Ganz im demokratischen Geiste wurde das interne Papier von netzpolitik.org freundlicherweise ins Netz gestellt, worüber auch eifrig berichtet und debattiert wurde die letzten Tage. Auch ich habe das Werkchen in Angriff genommen, aber auf Seite 11 schon wieder damit aufgehört. Weil es in einem derart schlechten Deutsch verfasst ist, dass man es schier nicht glauben mag. Ein paar Beispiele:

"Es ist aber nicht nur so, dass moralische Narrativen bei der Mobilisierung von Zustimmung zu oder Ablehnung von einer Sache über die größte kognitive Zugkraft verfügen." (S. 4)

Der Nominativ Plural von 'Narrativ' lautet meines Wissens nach 'Narrative'. Ein Wiederholungsfehler übrigens, der sich durch das gesamte Dokument zieht. Dieser Fehler kann auftreten, wenn z.B. englische Muttersprachler auf deutsch schreiben. Was natürlich voll toll und irre global ist, aber auch durch Gegenlesen korrigierbar.

"Etwa die Überzeugung, dass jeder Bürger wichtig und wertig ist..." (S. 4)

Ist hier vielleicht 'gleichwertig' gemeint? Warum das Kind dann nicht beim Namen nennen?

"Nehmen wir die Inklusion als schnell begriffenes Beispiel." (S. 8)

Gemeint ist wohl 'schnell' bzw. 'leicht zu begreifendes Beispiel', oder? Dann wäre es auch nett zu sagen, von wem zu begreifen. Oder ist "die Inklusion" ein 'schnell herausgegriffenes Beispiel'? Dass es eleganter wäre, den Artikel vor 'Inklusion' wegzulassen - geschenkt.

"Fakten sind also zentral. Aber sie werden in einer öffentlichen Auseinandersetzung erst zu guter Munition, wo ihre moralische Dringlichkeit kommuniziert wird." (S. 9)

Gibt es auch 'schlechte Munition'? 'Ungeeignete' vielleicht. Besser: im Zweifel auf Metaphern verzichten und Begriffe verwenden wie 'geeignete Mittel' ö.ä. Über die hohle Modewendung, dies oder jenes zu 'kommunizieren', breiten wir lieber gnädig den Mantel des Schweigens. Sowie darüber, dass die schiefe Präposition 'wo' nicht ganz so arg quietschte, wenn im Hauptsatz 'dort' stünde.

"Jedes einzelne Wort aktiviert einen Frame im Kopf des Rezipienten. Das trifft zu für alle Sprache." (S. 10)

Weil ich von Neurolinguistik nichts verstehe, halte ich mich mit inhaltlicher Kritik am ersten Satz zurück. Nur so viel: Bei Kommunikation geht es selten um "einzelne Worte". Schwerwiegender: Was genau ist mit "alle Sprache" gemeint? Alle Sprachen der Welt? Jeder Sprechakt?

"Das Wort »Salz« etwa aktiviert einen Frame, der automatisch auch Konzepte wie Essen und Geschmack, und sogar Durst, impliziert." (S. 10)

Wer die beiden überflüssigen Kommas/Kommata findet, die der Satz impliziert, darf sie behalten.

"Sprache ist das wirkvollste Instrument für die Mobilisierung von Mitbürgern, aufgrund einer einfachen Wahrheit: Sprache aktiviert Frames." (S. 10)

Ehrlich, ich liebe es, wenn jemand kreativ mit Sprache umgeht, sich neue Wörter ausdenkt, sich existierende phantasievoll zurechtbiegt etc. In Texten, in denen Sprache für Klarheit sorgen soll, wirkt das aber leicht unbeholfen oder gar kindisch und somit unseriös. Warum hier also nicht das bewährte 'wirkungsvoll' oder 'wirksam' verwenden?

Das waren die ärgsten Klopper, die ich allein auf den ersten zehn Seiten des Elaborats gefunden habe. Weiter bin ich, wie gesagt, noch nicht gekommen. Ich bin weiß Gott kein Pedant und erst recht kein Sprachpurist, aber wenn ich so was lese, fühle ich mich gefoppt und nicht ernst genommen als Leser (der ich ja streng genommen gar nicht bin, da das nicht für meine Augen bestimmt ist - sollte man erwähnen).

Klar, Stilkritik wie die oben von mir praktizierte wirkt leicht oberlehrer- bzw. deutschlehrerhaft, wenn nicht gar kleinkariert. Nur geht es hier nicht um den Klassenaufsatz einer pubertierenden Schülerin, die später mal etwas Praktisches machen will, sondern um den Fachtext einer promovierten Sprachwissenschaftlerin. Den sie vielleicht nicht höchstpersönlich verzapft, so aber doch mit ihrem Namen abgesegnet hat. Und weil Sprachwissenschaftler in den Worten meines alten Linguistik-Profs K.-D. Bünting "Sprachprofis" sind oder zumindest sein sollten, wirkt dergleichen nebulöses, semantisch schiefes, grammatisch nicht gekonntes Geschreibsel schon ein wenig peinlich. Als Masterarbeit in Germanistik bekäme man das Machwerk wahrscheinlich wieder um die Ohren, verbunden mit der Aufforderung zur gründlichen sprachlichen Überarbeitung. Hoffe ich zumindest.

Was die ARD dafür überwiesen hat, möchte ich als Gebührenzahler lieber nicht wissen. Und wenn ein von einer Sprachwissenschaftlerin verantwortetes Dokument schon derart übel gestrickt ist, dann möchte ich ebenfalls lieber nicht wissen, was in den ganzen teuren Gutachten steht, die im Auftrage unserer geliebten Regierung jahrein, jahraus so verbrutzelt werden.

Vielleicht aber auch bloß ein Einzelfall. Interessant ist jedenfalls  die Information, dass das von Frau Wehling betriebene Institut lediglich den als Ortsnamen nicht geschützten Begriff 'Berkeley' im Namen führt, ansonsten aber in keiner Verbindung zur berühmten University of California, Berkeley steht. Ist da am Ende gar Framing im Spiel?

Erfrischend aber ist, das sollte unbedingt lobend erwähnt werden, dass Madame auf jegliches Gegender verzichtet. Dann wäre das Teil vermutlich vollends unlesbar geworden.





8 Kommentare :

  1. 120.000 Euro hat der Spaß gekostet. Dafür könnte man über 571 Jahre in die Röhre gucken, wenn die "Demokratieabgabe" stabil bliebe.

    Ich habe mal eine NLP-Tante kennengelernt, die war so gruselig wie die Zeugen Jehovas.

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    1. Das macht bei einem Umfang von 89 Seiten inklusive Titelseite, Rückseite und Inhaltsverzeichnis knapp 1.300 Euronen Seitenhonorar - da müssen freie Journalisten weiß Gott lange für stricken. Sage nur niemand, mit schreiben ließe sich nix verdienen.

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    2. Ich warte auf einen entsprechenden Auftrag von dir. Zufällig habe ich noch Kapazitäten frei.

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Meines wissens ist frau Wehling keine Englische sondern Deutsche muttersprachlerin. Ehrlich gesagt hatte ich mich noch nicht mit diesem machwerk befaßt. Anhand der fehler, die oben im text genannt werden, habe ich den eindruck, daß da versatzstücke zusammengeschmiert wurden, die in Englischer sprache bereits existierten und dann ohne übermäßig viel verstand ins Deutsche übersetzt wurden.

    Leicht verdientes geld für frau Wehling. Peinlich für die ard, die unsere knete für einen scheiß verschleudert hat. Nur ist es leider scheißegal, weil man das »abo« bei den öffentlich-rechtlichen nicht kündigen kann.

    Den öffentlich-rechtlichen rundfunk finde ich an sich relativ prima. Allerdings sollten die öffentlich-rechtlichen ihre gelder anders verteilen als sie es derzeit tun. Und den gebührenzahlern rechenschaft schuldig sein.

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  4. Frau Wehling und ihr "Institut" sind wohl ein Scheinriese. Man findet keine Mitarbeiter und auch keine wissenschaftlichen Publikationen.
    Nur Zeitungsartikel und populärwissenschaftliches Zeug. Kann es sein, dass da jemand ganz prächtig im feministisch / poststrukturalistischem Mainstream mit segelt und einen fetten Batzen Geld absahnt?

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    1. Auf dergleichen ketzerische Ideen könnte man in der Tat glatt kommen...

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