Dienstag, 19. März 2019

$tudio$i


Jetzt haben die doch tatsächlich herausbekommen, was niemand für möglich halten konnte: Dass Reiche und Prominente ihre eher durchschnittlich begabten Sprösslinge mittels großzügiger Spenden an US-Privatunis quasi auf der Überholspur dort hinein und da durch bugsiert haben sollen nämlich. Das hat mein Weltbild schon ein wenig ins Wanken gebracht. Ich meine, wir leben doch in einer Leistungsgesellschaft, oder? Ist es etwa nicht so, dass Reiche aus purer Menschenliebe heraus spenden ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten? Und wer würde schon auf die absurde Idee verfallen, private Universitäten seien irgendwie empfänglich für finanzielle Zuwendungen?

Dabei hatte ich immer geglaubt, ein George W. Bush habe es allein deswegen an die Yale University und die Harvard Business School gebracht und dort seine Abschlüsse gemacht, weil er begabt und fleißig war, weil der Nichtsnutz und Saufaus sich ausnahmsweise mal am Riemen gerissen hat. Überhaupt, diese Geschichten, von wegen, er habe seine Zeit dort vornehmlich mit Vorlesungen schwänzen und Wettsaufen verbracht, habe ich immer für böswillige Gerüchte von neidischen Linksradikalen gehalten. Wer hätte sich denn im Entferntesten ausmalen können, diejenigen, die am heftigsten Wettbewerb propagieren, nehmen es damit nicht mehr so genau, sobald es um sich und ihresgleichen geht?

Am Ende könnte man glatt auf die Idee kommen, das ganze System sei irgendwie so gebaut, dass Reiche überproportional profitieren.

Ok, Spaß beiseite. Fragt sich halt nur, wieso das noch jemanden überrascht. Bzw. alle so tun, als sei das die Enthüllung des Jahrhunderts. Gut, man muss fair sein. Den verdächtigten Universitäten selbst konnte bislang angeblich nicht nachgewiesen werden, dergleichen Korruption aktiv betrieben zu haben. Das lief wohl über die Stiftung eines ehemaligen Sporttrainers, die eigentlich benachteiligten Kindern helfen sollte. Hat halt nur keiner geahnt, dass 'benachteiligt‘ sich offenbar nicht auf die materiellen Verhältnisse der Kinder bezog. Dabei muss es zuweilen zu grotesken Szenen gekommen sein:

In einem eigenen Testzentrum sollen Erwachsene die Aufnahmetests ausgefüllt haben. (Merke: Spicken ist etwas für Arme, woanders heißt das 'Elitenförderprogramm'.) Mit Fotomontagen sollen sportliche Aktivitäten der Bratzen gefinkelt bzw. entsprechende Situationen nachgestellt worden sein.

"Von 2011 bis 2018 sollen so rund 25 Millionen Dollar Bestechungsgelder geflossen sein. Manche Eltern zahlten sechsstellige Summen, in einem Fall sogar 6,5 Millionen Dollar. Die Schauspielerin Lori Loughlin, bekannt aus der Serie »Full House«, und ihr Mann, der Modedesigner Mossimo Giannulli, »spendeten« der »Stiftung« von Singer laut Anklage eine halbe Million Dollar, um ihre beiden Töchter an die University of Southern California zu schicken. Obwohl keines der Mädchen ruderte, empfahl der Ruder-Coach der Uni sie als förderungswürdig, da er sie für sein Team brauche." (Juliane Schäuble)

Pfff, was sind schon 25 Mille? Bekommst du heute keinen drittklassigen Hollywoodfilm mehr für, geschweige denn, ein anständiges Haus. Was die Leute immer haben.

Soziale Selektion findet eh schon durch Studiengebühren und Stipendienvergabe statt. Sowie durch Privilegien wie etwa das, dass finanziell gut gestellte Studierende nicht auf Nebenjobs angewiesen sind, um das Studium irgendwie zu stemmen. Was sei so falsch daran, wird jetzt da und dort eingewendet, wenn private Universitäten mit dem Geld reicher Eltern auch Ärmeren das Studium ermöglichten? Nun, da könnte man etwa erwähnen, dass sich durchaus etwas ändert, wenn ursprünglich öffentliche Aufgaben wie Bildung maßgeblich von privaten Förderern übernommen werden. Weil private Förderer Wert darauf legen, dass ihre Kohle auch in ihrem Sinne verwendet wird. Oder man könnte die Frage stellen, wie viele reiche Imbezile weniger solventen Begabten die Studienplätze wegnehmen müssen, bis so ein Bildungssystem sich selbst mal ad absurdum führt.

In der Tat wäre zunächst wenig einzuwenden, wenn die Spenderei einigermaßen transparent geschähe. Geht nur nicht wirklich. Würden diese Unis nämlich ganz offiziell sagen: Wir sind bereit, bei minderbegabtem Nachwuchs gegen eine entsprechende Zuwendung fünfe gerade sein zu lassen, im Gegenzug vergeben wir aus diesen Einnahmen Stipendien an begabte aber arme Bewerber, dann wäre der schöne Nimbus der Eliteunis als bürgerliche Elitenschmieden bald perdü. Weil dann jeder schwarz auf weiß hätte, was ein Abschluss im Zweifel wert ist. Also muss das auch weiter inoffiziell geschehen. Jedem ist im Prinzip klar, was läuft, aber es darf halt nicht allzu öffentlich werden. Ein bisschen so wie bei katholischen Priestern und ihren Haushälterinnen.

In Oxford und Cambridge stellen sie das übrigens weit schlauer an. Diese beiden Über-Unis sind nichts anderes als höchst undurchsichtige Konglomerate aus zig einzelnen Colleges. Das sind eine Art Black Boxes, auf die die jungen Menschen nach streng geheimen und komplett intransparenten Kriterien verteilt werden (was Joanne K. Rowling in 'Harry Potter' mit dem Sprechenden Hut parodiert hat), und irgendwann als Akademiker wieder herauskommen. Auch da ist im Prinzip allen schon klar, dass ein entsprechender familiärer Hintergrund alles andere als hinderlich ist. Nur ist das Ganze so kompliziert und über Jahrhunderte ge- und verwachsen, dass man längst aufgegeben hat, das verstehen zu wollen.

Davon abgesehen, habe ich meine reichen Schnöselkinder ja gern straight. Wenn die keinen Hehl daraus machen, wie irre doll sie dank Papas Kohle auf der Überholspur sind, dann ist das zwar nervig, aber wenigstens ehrlich. Eines an der ganzen Sache nämlich ist wirklich beunruhigend: Es heißt, die betreffenden Studierenden in den USA hätten von den Mauscheleien absolut nichts geahnt und offenbar ernsthaft geglaubt, aufgrund ihrer eigenen Leistungen in Georgetown, Yale oder Stanford akzeptiert worden zu sein. Künftige Elite halt. Ein echter Grund zur Vorfreude.





5 Kommentare :

  1. Wir entrüsten uns über amerikanische Millionäre und Milliardäre, die ihren Kindern Studienplätze an Eliteuniversitäten kaufen. Vor einigen Jahren hatten wir in Deutschland den Organspendeskandal. Reiche Menschen haben sich mit Bestechungsgeldern auf der Transplantationsliste nach vorne gearbeitet. Das ist viel schlimmer. Menschen sind gestorben, nur weil sie arm waren. Wir Deutschen sollten nicht auf andere zeigen, bei denen es um Studienplätze ging. Jeder weiß, dass die Auswüchse des Kapitalismus an Perversität nicht zu überbieten sind.

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    1. Klar, schlimmer geht immer irgendwo. Aber auch das angeführte Beispiel zeigt sehr schön, was Reiche und Wichtige im Zweifel vom Wettbewerb halten.

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  2. Natürlich kann man eine Ungerechtigkeit nicht mit einer größeren Ungerechtigkeit entschuldigen. Aber wir sollten uns auch nicht wundern. Die Bevorzugung der Elite und ihrer Abkömmlinge ist Teil des Systems. Ethik ist nur was für Sonntagspredigten, Besinnungsaufsätze und vom Idealismus beschwipste Kinder an Freitagen.

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  3. Im Mittelalter wurden Feudalsprösslinge halt mal mit 18 Lenzen Kardinal (obwohl ihre Lateinkenntnisse weniger als dürftig waren, von Theologie- und Seelsorgekenntnissen konnte schon gar nicht die Rede sein). Die Sprösslinge von Royals wurden im Teenageralter General, als ihre Altersgenossen im Militärerziehungssystem noch als Kadetten gedrillt wurden.
    Warum sollte das heute anders sein – was hat sich schon groß geändert außer der Tischdekoration? Jeder kriegt das ihm nach sozialer Hierarchie Zustehende vorgesetzt; außerdem wurden die Feudaltitel
    geringfügig umbenannt.

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    1. Da kann man direkt spekulieren, wieso z.B. Prinz Harry gleich ganz auf akademische Meriten verzichtet hat und wieso der deutsche Hochadel sich angeblich auf einigen wenigen Traditionsunis sammelt...

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