Dienstag, 26. Januar 2021

Danke, Bodo Ramelow!

 
Es gibt da ein kleines Problem. Eigentlich wollte ich hier den Begriff 'mutig' verwenden. Aber das mag ich nicht. 'Mutig' als Attribut ist so verbrannt wie 'Querdenker'. Erledigt. Geht nicht mehr. Leben wir doch in Zeiten, in denen jeder kernverrohte Social Media-Honk sich für irre mutig ausgibt, wenn er seine Gewalt- und Tötungsphantasien ins Netz kotet. Oder kindlich-trotzige Verweigerungshaltung nicht nur mit Freiheitskampf verwechselt, sondern sich gleich die Weiße Rose ans Revers heftet. Möcht‘ man sich nicht gemein machen mit. Ich jedenfalls nicht.

Trotzdem: Irgendeinen Namen muss das Kind ja bekommen. Also die Tatsache, dass Bodo Ramelow (LINKE) Klartext geredet hat auf dieser als Neuester Heißer Scheiß gehandelten "Digischwatz" (Küppersbusch)-Plattform Clubhouse. Wie soll man es sonst nennen, dass er ganz offen ausgesprochen hat, was eh längst klar ist, aber niemand sonst sich zuzugeben traute? Nämlich wie unwahrscheinlich es ist, dass all die wiwawichtigen Schlipsmichel und Kostümuschis in ihren rirarelevanten Meetings immer pausenlos zu 120 Prozent fokussiert bei der Sache sind, sondern zwischendurch auch anderes machen. Etwa unterm Tisch auf dem Smartphone rumdaddeln wie die Pennäler.

(Ja, ich weiß, Pennälern sind Smartphones im Unterricht normalerweise verboten, aber you get the picture.)

Zumal die Empörung darüber so maßlos wie verräterisch ist. Jeder, der schon mal an Meetings und Tagungen teilgenommen hat, wenn die Kameras nicht laufen, weiß, dass immer wieder mal über Tagesordnungspunkte verhandelt wird, die einen gar nicht betreffen. Was Ramelow gewagt hat: Wenn auch unabsichtlich in einem schwachen Moment das Schweigekartell der Wichtigtuer und Plustermenschen zu durchbrechen. Das Fenster aufgemacht. Früher waren es Schiffe versenken, Comics oder Romanheftchen, heute ist es 'Candy Crush'.

Niemand wird in Zukunft mehr Bilder ansehen können von tagenden und konferierenden Politikern und anderen Großkopferten, ohne sogleich die Frage im Hinterkopf zu haben, wer wohl was heimlich und auf welchem Level zockt, wenn die Türen geschlossen sind. Dafür gebührt Bodo Ramelow nicht Hohn und Häme, sondern Dank. Aber musste es denn wirklich 'Candy Crush' sein?

Und "Merkelchen"? -- Nun ja, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich habe aber schon schlimmeres gehört.





13 Kommentare :

  1. Merkelchen hat ihn immerhin schon vorher auf Linie gebracht (sic!). Candy Crush wurde gewiss ausgewählt, weil es fast alle kennen (selbst Ältere haben davon gehört) und es obendrein auch noch die meisten Rechten spielen. Relalolitius. Nebenbei hat Greta noch was rausgehauen, war aber den LeiDmedien nicht mal eine R-Wähnung wert. Ramelow habe ich selber bei der jährlichen Demo zum 13. Februar in DD als guten Koordinator, Ordner und helfende Hand erlebt. In solchen Zeiten kann man sich schlechtere wünschen. Offenbar wird das getan.

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  2. Letztes Jahr gab es eine Spiegel-Story, wo über ähnliche Interna der Sitzungen berichtet wurde. Aber da ging es nicht um einen linken Ministerpräsidenten. Und die CSU fordert den Rücktritt? Echt jetzt?! Die Scheuer-Partei? Candy Crush? Wenn Bodo wenigstens Koks von seinem Display gezogen hätte ...

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    1. Und wenn ein Scheuer oder ein Doobrindt oder so beim Daddeln erwischt werden, dann werden sie was stammeln von wegen, die Kinder hätten ihnen das aufs Handy geschmuggelt und sie seien mit dem Finger ausgerutscht und so. Dabei sind die bestimmt bloß neidisch, weil sie über Level 10 nicht hinausgekommen sind.

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  3. Bei Konferenz spielt er Candy? Ablassventil gegen unerwünschte Kritik. Ebenso wie bei Merkel die fehlende Esskultur eine Ablenkung darstellt.

    Hab Ramelow nicht auf dem Radar. Ich weiß, dass es ihn gibt, noch aus Zeiten, als ich für die Linke die Trommel rührte. Aber inhaltlich keine Stellungnahme.

    Stellungnahme aber zu Candy: Wenn ich mich auf was stark konzentrieren muss, speziell auch Politik, spiel ich nebenher Mine oder Sudoku. Das ist nicht Ablenkung, sondern folgender seelischer Mechanismus: eine innere Automatik, nenn es Puzzle-Instinkt, entspannt mich, mit Folge, dass ich dem teils abstrakten Inhalt locker folgen kann – und in Momenten, wo es interessant wird, unterbrech ich das Spiel und spule das Video einige Sekunden zurück.

    So seh ich das bei Ramelow. Ist bei Schülern sicher anders als bei Erwachsenen.

    Diese allgemeinmenschliche Erklärung bitte nicht als pro oder contra Ramelow missdeuten. Ich weiß dass es ihn gibt, aber ich habe ihn nicht groß auf dem Radar.

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  4. OT: "Neues Deutschland" hat Lapuente rausgeschmissen, jetzt darf er beim AfD-nahen Reitschuster publizieren. Horst Mahler lässt grüßen ;o)

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    1. Dann steht einem Debut bei 'Tichys Einblick' ja nix mehr im Wege. Aber man verbittet sich DDR-Stasi-Kontaktschuld-Methoden...

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    2. fühlt sich das nicht doof an, wenn man so stück für stück nach unten durchgereicht wird?

      ich finde, mitleid wäre fast angebracht, oder so.

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    3. Bedaure, ich kann intellektuell nicht ganz folgen. Wer genau wird Ihrer Meinung nach "nach unten durchgereicht"?

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    4. de lapuente.

      ich dachte, das wäre aus dem gesamtkontext des threads ersichtlich.

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    5. Pardon, habe ich wohl auf der Leitung gestanden.

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  5. Siewurdengelesen27. Januar 2021 um 16:30

    Wie kann ein "linker" Ministerpräsident auch nur so tun?

    GEHT GAR NICHT!!!

    Andere provozieren Skandale und hier wird einer gemacht - zum Glück gibt es die Empöreria, die noch aus dem leisesten Furz einen Sturm zaubert...

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    1. Ich würde so weit gehen und sagen, diese Welt wäre eine deutlich bessere, wenn heimlich 'Candy Crush' zocken die schlimmste Verfehlung von Politikern wäre.

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    2. Unterschreibe ich. Immer an Schäubles Sudoku-Skandälchen denken.

      Wäre das hier Twitter, würde ich jetzt so ein Typ-zeigt-nach-oben-GIF einblenden.

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