Donnerstag, 18. Februar 2021

Schmähkritik des Tages (45)

 
Heute: Micky Beisenherz und Jan Böhmermann über Dubai

"[Wenn] Sie sich immer schon gefragt haben, was all diejenigen, die fürs neue iPhone oder neue Yeezies vorm Laden pennen, am Black Friday die Malls stürmen, sonst noch für Sehnsüchte haben: Et voilà. There you have it: Dubai it is. […] Gegen diese Destination wirkt selbst Las Vegas wie das Forum Romanum. Wobei Rom die Sklaverei schon eine ganze Weile hinter sich gelassen hat. Davon können Millionen Pakistanis, Inder oder Bangladeschis hier nur träumen. Irgendeiner muss den Scheiß ja billig hochziehen, oder. Eben. […] Für jemanden mit dem Feinsinn einer Knochensäge ist Dubai genau das richtige Pflaster." (Stern, 05.01.2021)

Anmerkung: Glaubt man welchen, die schon mal da waren (s.o.), dann ist das Emirat Dubai so was wie das Paradies für all jene, die Shopping als ernsthaftes Hobby betreiben, deren Vorstellung von ultimativem Luxus aus vergoldeten Steaks besteht und die es sexuell erregt, wenn irgendwo ein italienischer Supersportwagen rumröhrt. Was in Dubai sehr praktisch ist, denn da knattert sogar die Bullerei unter anderem mit Flachzangen von Lamborghini Streife. Vermutlich ist jemand, der so ein in die Wüste geklatschtes Konsumparadies zum einsamen Traumziel sich erkoren hat, in kultureller Hinsicht auch sonst sehr leicht zufrieden zu stellen. (Nebenan in Abu Dhabi haben sie immerhin eine Außenstelle des Musée du Louvre.)

Auch hier geht es nicht um Geschmackssachen. Wenn einer auf billige Ölscheich-/Clanboss-/ Zuhälterästhetik abfährt, dann ist das zunächst genau so wenig meine Baustelle wie die Lebensträume jener, die sich 30 Jahre lang in Zinsknechtschaft begeben, um eine weitere gesichtslose 08/15-Einfamilienschachtel in die Landschaft zu trümmern. Solange man freilich ausblendet, dass das Emirat, dem man da seine Touristen- und Shoppingdevisen rüberschaufelt ein absolutistisch regierter Sklavenhalterstaat mit diktatorischen Zügen ist, in dem Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktoum, seines Zeichens Monarch, Vizepräsident, Regierungschef und Verteidigungsminister in Personalunion, mutmaßlich seine eigene Tochter verhaften und einsperren lässt. Und wenn schon - was soll's? Hat ja genug davon. Wer wird denn so pingelig sein.

Alles weitere wichtige über das "Deppenemirat" (Beisenherz, ebd.) hat Herr Böhmermann sehr gut zusammengefasst. Wem die 20 Minuten zu lang sind, kann unter dem Video weiterlesen.


(Video im erweiterten Datenschutzmodus eingefügt. Anklicken generiert keine Cookies.)
 
Weil der Scheich einiges von Marketing zu verstehen scheint, werben sie in Dubai seit einiger Zeit gezielt Influencer an, also jene, die es für ernsthafte Arbeit ausgeben, frischgeshoppte Klamotten in die Kamera zu halten bzw. mit ihrem Luxus-Lifestyle anzugeben und das ins Netz zu stellen. Seither sieht es so aus, als nehme der kulturelle Brain Drain aus Deutschland nach Dubai bedrohliche Formen an. Kreative Schwergewichte wie Sarah Harrison, Paola Maria, Sami Slimani, Simon Desue, Nina Noel und viele weitere haben ihre hier Zelte ab- und sind ins sonnige Sultanat aufgebrochen.

Für die Neudubaier bringt das natürlich einige Vorteile mit sich. Man zahlt keine Steuern. Man bekommt das eine oder andere gratis auf Staatskosten sowie Klimpergeld zum shoppen. Man entkommt der nasskalten deutschen Corona-Fiskaldiktatur, wo man sich nicht frei entfalten kann und auch seine Meinung nicht frei äußern darf.

Als kleine Gegenleistung muss man sich nur verpflichten, ausschließlich positiv über seine neue Heimat, ihr Königshaus und die Staatsreligion zu reden und sich an diverse Vorgaben in puncto züchtiges Verhalten in der Öffentlichkeit zu halten. Mit anderen Worten: Man braucht sich nur ein wenig als Propagandist zu verdingen für einen absolutistisch regierten Sklavenhalterstaat mit diktatorischen Zügen, in dem der Monarch seine eigene Tochter verhaften und einsperren lässt und man dies und das halt nicht sagen darf. Zensur? Ach was! Hey, was ist schon umsonst im Leben? Wer wird denn so pingelig sein.





6 Kommentare :

  1. Ich finde den entsprechenden Text nicht online und kann auch nicht mehr sagen in welchem Buch er stand, aber Max Goldt hatte vor einigen Jahren schon mal einen launigen Text darüber geschrieben wie Katar versucht hat seine kulturelle Wahrnehmung zu beeinflussen. Für ihn war es (dem Text nach) mit einem zünftigen Gelage noch recht gut ausgegangen.

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    1. Danke. Eine geeignete Erinnerung daran, wieder einmal ein Buch von Max Goldt zur Hand zu nehmen.

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    2. Er ist durchaus gut, aber für meinen Geschmack zu langatmig. Dort wo er sich kurz fasst ist er genial, etwa auf T-Shirts.

      Wer das mit der Kurzfassung besser drauf hat ist Wiglaf Droste selig. Ich bin übrigens dankbar, dass ich ihm nie begegnet bin. Er hätte sicher auch über mich geschimpft.

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    3. Zum Beispiel der Spruch auf dem Sprüche-T-Shirt: lies Bücher, nicht T-Shirts.

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  2. Dubai ist der oberflächlchste Ort der Welt.
    Genau passend für oberflächliche Menschen.

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