Dames und Heren, der Monat und das Jahr ist fast schon wieder zu Ende, daher hier ein letztes Mal, kurz bevor abermals ein Lockdown uns ereilt, Links, Fundstücke, Lesetipps und was mir sonst noch hervorhebenswert erscheint. Weil es eventuell gilt, ein paar ruhige Tage zu überbrücken, wie jedes Jahr mehr als üblich. Ich wünsche viel Spaß beim Stöbern, Lesen und Vermehren der gewonnenen Einsichten. Und natürlich schöne Feiertage, egal, ob und wie sie im einzelnen begangen werden oder auch nicht.
Noch einmal Sasse. Warum den Democrats bei den Midterms 2022 eine Katastrophe droht und warum das düstere Aussichten sind.
Michael Kloß sieht in der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Vorsitzenden eine ähnlich tiefgreifende Zäsur für das Parteiengefüge wie die Agenda 2010.
Dazu passt: Der Historiker Stephan Malinowski über die Hohenzollern und Hitler.
Corona/Covid-19. Ein Notarzt, der anonym bleiben möchte, berichtet von einer 24-Stunden-Schicht in Zeiten der Pandemie. Ein Wettlauf mit dem Virus, wie ihn derzeit alle erleben, die im Gesundheitswesen arbeiten: In der Herzkammer der Pandemie.
Herwig Finkeldey über die Widersprüche des Querdenkertums. Ein Milieu, in dem inzwischen die rechte Szene den Ton angibt. Mit freundlicher Unterstützung aus der 'Mitte der Gesellschaft' bzw. jener Teile, die stupides Ressentiment für kritisches Denken ausgeben.
"Doch nicht nur die ostdeutschen Querdenker haben Probleme mit den modernen Impfstoffen. Im Westen sind es, neben den impfskeptisch eingestellten Katholiken in Oberbayern, vor allem die ehemals pietistisch geprägten Gebiete in Baden-Württemberg, die eine niedrige Impfquote aufweisen. Hier dominieren seit jeher esoterische Ökolinke: Ihre Impfskepsis richtet sich gegen die Gentechnik, mit der die modernen Impfstoffe hergestellt werden. Gentechnik wirkt als Chiffre für »den Westen«, den auch sie schon immer abgelehnt haben: Wo früher gegen die US-Armee protestiert wurde, bezieht man nun gegen Bill Gates und seine »US-Vakzine« Stellung. [...]
Bleibt die größte Gruppe der Querdenker: die Stinknormalen. Sie kommen, in Ost wie West, aus der Mitte der Gesellschaft. […] [Sie] haben eigentlich kein Problem mit dem Impfen. Sie werden sauer, wenn man ihnen den Spaß verdirbt. Wenn ich nicht in den Urlaub fliegen darf, ist was los! Und schuld sind »die da oben«, die Politiker, die keinen Plan haben. Auch die Kulturschaffenden, die sich unter dem Hashtag #allesdichtmachen für genau diesen Egoismus einsetzten, kamen aus der Mitte der Gesellschaft. Dass sie diesen Egoismus zum kulturellen Allgemeinwohl umdeklarierten, hat mich seinerzeit frappiert." (Finkeldey, a.a.O.)
Ein persönlicher, anrührender, aber auch sehr viel Mut machender Beitrag von Claudia zum Thema Gewalt an Frauen bzw. häusliche Gewalt. Stark!
Noch ein Nachtrag zum Thema 'Drachenlord'. Wer gedacht hat, die Szene der 'Häider' gebe nun Ruhe, da sie ihr Ziel erreicht hat, und ginge ihrer Wege, sieht sich getäuscht. Man sucht sich offenbar bereits die nächsten Hühnchen zum rupfen, dieses Mal in den eigenen Reihen:
"Neues Hassobjekt der Blase ist ein ehemals selbst besonders aktiver »Haider«, ein Mann, der sich den Namen »Roxau der Zerschmedderä« gegeben hat. Ehemalige Kameraden im Kampf gegen Winkler werfen nun auch ihm vor, rechtsextrem und Sexualstraftäter zu sein. Vor einigen Monaten war das noch kein Grund, sich von dem Mann zu distanzieren, nun aber arbeitet man sich im Vigilantenstil an »Roxau« ab, ähnlich wie zuvor an Winkler." (So sehen Sieger aus)
Es bewahrheitet sich: Any mob that comes for them will some day come for you -- das richtet sich. Mein Mitleid mit dem Zerschmedder-Spacken hält sich in Grenzen.
Kultur, Gesellschaft, Gedöns. Thomas Wortmann über den Weihnachtsklassiker 'Der kleine Lord'. Den kann man im Lichte aktueller Debatten auf interessante Weise neu lesen:
"Der Kleine Lord erzählt von einem Bildungsprojekt, bei dem sich die Rollen umkehren: Der junge Amerikaner soll in das Schloss unter die Obhut des Großvaters, um dort zum Lord erzogen zu werden. Erzogen wird schließlich aber der Erzieher selbst -- und zwar zu einem gutmütigen, zur Verzeihung und zur Versöhnung fähigen Menschen. Man müsste einmal nachzählen, wie oft der kleine Lord das Wort »müssen« in seinen Reden nutzt: Man muss einem kranken Pächter die Schulden stunden, man muss einem kranken Jungen helfen, man muss dem Elend in Earl's Lane ein Ende machen, man muss die Mutter lieben, man muss an seine Freunde in den Vereinigten Staaten schreiben, man muss den Großvater in sein Herz schließen. Und so erweist sich auch das Bildungsprojekt des Lords als auffallend radikal.[...]
Die Kehrseite dieser moralischen Verbesserung des Großvaters ist dessen Entmachtung. Wenn Cedric in der bereits erwähnten Rührungsszene sagt, dass er den Besitz nicht haben wolle, wenn dies nur mit dem Tod des Earls zu erreichen sei, dann lügt er nicht und er raspelt auch kein Süßholz, sondern er beschreibt sein Projekt ziemlich präzise. Schließlich ist er es, der zu Lebzeiten schon die Entscheidungen trifft, das Geld ausgibt und die Grafschaft nach seinen Vorstellungen umgestaltet. [...] Cedric entwirft eine Parallelwelt der Familienliebe, in der alles Wissen, das es um das eigentliche Wesen und Verhalten des alten Earls gibt, keine Rolle spielt. [...] Der kleine Lord ist nichts anderes als die Personifikation der Ideologie von Weihnachten: Egal was geschehen ist, egal, wie sich einzelne Mitglieder der Familie verhalten haben, man hat seine Familie zu lieben. Die Familie erscheint als das höchste Gut, dem man nicht nur die eigenen Gefühle, sondern auch sich selbst unterzuordnen hat." (Wortmann, a.a.O.)
Schon gewusst? Das 'goldene Wiener Herz' ist ein Mythos.
Chris Porsz arbeitet im englischen Peterborough als Rettungsfahrer. Nebenbei fotografiert er. Für sein Buch 'Reunions' hat er Menschen aus seiner Heimatstadt, die er mal fotografiert hatte, nach vierzig Jahren wieder zusammengebracht und erneut fotografiert. Zwei großartige Fotostrecken (1, 2).
Glumm mit einem Portrait über einen ehemaligen Nachbarn, genannt 'Der Vatter'. Weil Glumm eben Glumm ist, sieht man den Kerl leibhaftig vor sich. Ich hätte den vermutlich irgendwann auf den Mond oder sonstwohin geschossen.
Weil es mir an Geduld und Ausdauer mangelt, bin ich beim Schach über blutiges Anfängerniveau nie hinausgekommen (wie übrigens auch in den meisten anderen Disziplinen, für die es eine gewisse Nerdigkeit braucht). Daher machen mich Menschen, die das ernsthaft und mit gewisser Meisterschaft betreiben, immer sehr demütig. Georgios Souleidis alias 'The Big Greek' (aktuell 2424 Elo-Punkte), der auch einen interessanten YouTube-Kanal übers Schachspielen betreibt, ist so jemand. Ein Interview über das Spiel selbst, die WM und aktuelle Entwicklungen. Auch für Schach-Honks wie mich interessant.
Musik, zwo, drei, vier. Der hier bereits vertretene Fraser Gartshore, seines Zeichens Organist im Westerwald, hat seit einiger Zeit eine Hauptwerk-Orgel daheim. Damit kann man so einiges veranstalten. Zum Beispiel, sich die massive Orgel des Billerbecker Doms ins Haus holen und darauf über mein Lieblingsweihnachtslied 'Joy To The World' improvisieren. Lots of chamades, beaucoup de bombardes (Kopfhörer empfohlen).
(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)
Ein A-Z der Weihnachtslieder. Aus gegebenem Anlass.
"Der größte Dank gilt selbstredend dem FC Bayern München, der es in der ihm eigenen Art wieder einmal geschafft hat, einen Konkurrenten sportlich ins Abseits zu kaufen. Dem Vizemeister den Trainer (Julian Nagelsmann), den Kapitän (Marcel Sabitzer) und den besten Innenverteidiger (Dayot Upamecano) abzunehmen, um die Statik der Liga nur ja nicht zu gefährden, das gehört zu den Traditionslinien in der Bundesliga und sucht im Ausland seinesgleichen. [...] In Richtung Tabellenspitze zu schielen, lohnt sich in dieser Spielzeit eh nicht für die meisten Klubs. Der Tabellenvierte ist nach der Hinrunde dem Relegationsplatz näher als dem FC Bayern. Anders gesagt: Nach dem Ende der Hinrunde gibt es 15 Abstiegskandidaten, was deren Fans durchaus interessieren dürfte." (Rüttenauer, a.a.O.)
Essen, trinken, gut leben. Drei mal Jörn Kabisch. Der findet zehn Minuten Lieferzeit bei bestelltem Essen deutlich zu schnell. Ferner plädiert er dafür, allein zu frühstücken, was ich sehr sympathisch finde. Und schließlich macht er seiner Abneigung gegen Garnituren auf dem oder am Essen Luft ("wie Räuchermännchen, Leitkultur und Helene Fischer zusammen"), wobei "sich auch immer wieder neue Unarten breit machen: Schnittlauch-Bruch, Rucola, Sprossen, Chilifäden oder [...] der offenbar schwer vermeidliche Essigdicksaft, auch Crema di Balsamico genannt" (Kabisch, a.a.O.). Die momentan modische Masche mit dem Petersilienöl (a.k.a. "Die Rache des Thermomix") findet ebenfalls keine Gnade bei ihm.
Wie viel trinken Österreicher eigentlich so? Also früher. Nun denke ich erstens, dass die Antworten im Deutschland der Sechziger kaum anders ausgefallen wären und zweitens wäre die Offenheit, mit der Leute da erzählen, was sie sich täglich einhelfen, heute kaum mehr denkbar.
(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)
Das Rezept. Blanquette de veau - im Deutschen oft fälschlicherweise mit Kalbsfrikassee übersetzt - gehört wie Coq au vin oder Bœuf Bourgignon zu den Eckpfeilern der bürgerlichen französischen Küche. Für ein Blankett wird normalerweise (helles) Fleisch in einem würzigen Sud gegart, dann mit der Brühe eine helle Sauce bereitet, die keine Farbe annehmen darf, und das gewürfelte Fleisch dann zusammen mit diversem gegartem Gemüse und Pilzen hineingegeben. (Gemerkt? Was bei uns Hühnerfrikassee heißt, ist eigentlich ein Blankett.) Serviert wird klassischerweise im Vol au vent, einer großen Blätterteigpastete. Aber auch Basmatireis ist inzwischen akzeptiert.
Üblicherweise wird dazu Kalbsbrust verwendet oder ein anderes mageres Stück ohne nennenswerten Eigengeschmack, das zudem beim Garen leicht dröge werden kann. Kollege Kurbjuhn hatte nun die charmante Idee, den Klassiker in einem Punkt abzuwandeln und Kalbsbäckchen zu verwenden. Dies sehr bindegewebsreiche Stück braucht zwar deutlich länger, bleibt aber zart und saftig und die Sauce bekommt ungleich mehr Wumms. Auf jeden Fall einen Versuch wert.
Hab auch noch einen:
AntwortenLöschenLesenswerte Kolumne in konkret.
https://konkret-magazin.de/aktuell/666-biss-zum-morgenrot