Freitag, 29. Juli 2022

Reiseimpressionen (12)


Oldenburg

Im Krieg ist hier kaum etwas zu Bruch gegangen. Und nach dem Krieg war das vermutlich strukturschwache Region. Daher hat sich in der Oldenburger Altstadt, trotz vereinzelter ärgerlicher Bausünden und trotz erkennbarer Bemühungen von Stadtplanern, jeglichen Charme zu exorzieren, eine alteuropäische Verwinkeltheit erhalten, wie sie in Städten dieser Größe in Norddeutschland nur noch selten zu finden ist. Stelle ich mir im Herbst und Winter nett vor, wenn alles von innen erleuchtet ist. 
 



Übersee-Museum Bremen

Ursprünglich als 'Städtische Sammlungen für Naturgeschichte und Ethnographie' gegründet und vom Zoologen Hugo Schauinsland 1896 in ein repräsentatives Gebäude am Bremer Hauptbahnhof überführt. Einst repräsentative Wunderkammer für all das, was die Bremische 'Gesellschaft Museum' weltweit so zusammengetragen hat, und in der NS-Zeit zu plumper Rassekunde-Propaganda umgemodelt, ist alles heute kritisch eingebettet, Exponate in (nachgebauten) 'urspünglichen' Settings ausgestellt, es werden Lieferketten gezeigt und sich vor allem mit Themen wie Globalisierung und Klimawandel befasst.



Vor allem aber spielen sie in der Abteilung 'Populäre Musik in Afrika' unter anderem Metal aus Madagaskar. 'Eyes Of Soul' von Resurrection. So viel Spaß kann kulturelle Aneignung machen. Pommesgabel!

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Böttcherstraße Bremen

Bremen mag ich irgendwie. Schon hanseatisch, klar, Pfeffersäcke und zur Schau gestellten Reichtum gibt’s hier auch, aber alles ne Nummer kleiner und dezenter. Einen Altstadtrundgang inklusive Schnoor habe ich letztes Jahr schon gemacht. Und heuer mit großer Freude festgestellt, dass die beiden freundlichen Damen, die direkt vor dem Dom hausgemachten günstigen Mittagstisch verkaufen, dies immer noch tun.

Die Böttcherstraße habe ich aber ausgelassen, also musste das heuer dringend nachgeholt werden. Ein hoch interessantes Stück Städtebau. Der wohlhabende Kaffeehändlererbe und -importeur Ludwig Roselius (1874-1943), der das erste brauchbare Verfahren zum Entkoffeinieren von Kaffee entwickelte und sich patentieren ließ (noch heute als 'Kaffee HAG' erhältlich), erwarb nach und nach Grundstücke an der verfallenen Straße und  beauftragte die Architekten Eduard Scotland (1885–1945), Alfred Runge (1881-1946) sowie den Bildhauer Bernhard Hoetger (1874–1949) mit der Neugestaltung. Roselius war ein Freund des Worpsweder Kreises und des Expressionismus. Das Ergebnis war ein Bauensemble, das mittelalterliche Formen im Stil des Backsteinexpressionismus der 1920er Jahre interpretierte.

Dieses 1936 enstandene. vergoldete Bronzerelief am Eingang der Straße nennt sich 'Der Lichtbringer'. Gemeint war übrigens Adolf Hitler.


Apropos: Obwohl Roselius mit den Nazis sympathisierte, erklärte die NS-Führung die Architektur der Böttcherstraße zu 'entarteter Kunst'. Sie wurde sogar unter Denkmalschutz gestellt, um nachfolgenden Generationen dereinst zeigen zu können, was man vor 1933 für 'Baukunst' hielt. (Fun fact: Joseph Goebbels schätzte expressionistische Kunst sehr und sammelte eifrig, schwenkte aber nach 1935 brav um, nachdem Hitler sie öffentlich als 'entartet' bezeichnet hatte.) Heute trifft sich dort die ganze Welt und fotografiert, was das Zeug nur hält.









1 Kommentar :

  1. ... sehr nett!
    ein feiner Beitrag, dass man sich die Fliegerei ggf. sparen kann, um "um die Ecke" auch was Nettes zu erleben.

    Gruß
    Jens

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