Dienstag, 26. Juli 2022

Was reimt sich eigentlich auf...?


Der notorische Mario Barth führte einst ein bedrucktes Leibchen spazieren, auf dem es hieß: "Nichts reimt sich auf Uschi!". Dass das Wort 'Sushi' sich damals vielleicht noch nicht bis in den letzten Winkel bildungsferner Schichten herumgesprochen hatte, mag man zu seinen Gunsten annehmen. Immerhin wissen wir neuerdings, was sich auf 'Layla' reimt. Ein Frauenname auch das. Der, auf den das heurige Sommerloch hört. Nun wäre mein Leben um keinen Deut ärmer, wenn derlei Gesänge nicht existierten. Not my kind of entertainment. Wenn es mich also auf eine Veranstaltung verschlüge, wo derlei gespielt werden könnte, ich würde demnach nichts vermissen. Es ist mir auch egal, ob zu der eh schon unübersehbaren Kollektion an Fickificki-stumpfa-stumpfa-Partymusik sich ein weiteres Stück hinzugesellt.

Sicher liegt man auch nicht falsch, wenn man auf massenweise vorhandenes, inhaltlich verwandtes Liedgut hinweist wie 'Skandal im Sperrbezirk', 'Hulapalu', auf Mickie Krauses Krankenschwestern-Song, auf 'Anna-Lena' eines gewissen Honk, auf diverse Reimereien deutschsprachiger Gangster-Rapper. Oder auch auf eine säftelnde Deflorationsphantasie wie 'Santa Maria'.

Das alles darf meines Wissens nach gespielt, gehört und gegrölt werden.

Heillos überzogen daher dieses Zensur- und Verbotsgejammer. Herzig, wie da in gratismutig-kindischer 'Jetzt erst recht!'-Pose ein dumpfer Fickelsong zum Freiheitssymbol aufgerüscht wird. Listen love: Hier wird gar nichts zensiert. Ihr dürft die Nummer weiterhin hören, streamen, auf diversen Veranstaltungen grölen wie ihr wollt. Nur eben nicht überall. Ein paar Veranstalter, darunter so linksfeministisch unterwanderte wie ein Schützenverein, haben halt entschieden, dass die Nummer (Huhuhu, er hat "Nummer" gesagt!) auf ihren Veranstaltungen nicht gespielt wird. Wer die Musik bezahlt, darf sie auch auswählen. Uralte Sache. Und nein, es gibt keinerlei Anrecht irgendeiner Art auf irgendwas. Oder gibt es eines darauf, dass bei einer Fanclubveranstaltung des FC Schalke 04 gefälligst 'Heja BVB!' gespielt wird oder auf einem Volksmusikfest was von Napalm Death, sonst sei das voll Diktatur?

Vor allem sollte man den positiven Aspekt daran nicht übersehen: Seit Jahrzehnten wird jegliche auch nur ansatzweise kritische Diskussion über massenkulturelle Erzeugnisse aller Art nonchalant-postmodern abgebügelt mit: "Aaaach, man muss doch nicht immer alles politisieren! Hey, das ist doch nur Unterhaltung! Entertainment, vastehste? Lass’ den Leuten doch einfach mal ihren Spaß. Die wollen doch nur... Wie kann man bloß so intolerant sein?" Und jetzt sind da endlich wieder welche, die sagen: Nö, auf dein "ist doch bloß Unterhaltung" ist mal sauber geschissen! Nichts ist völlig unpolitisch, schon gar nicht Unterhaltung. Und ja, der Song hat sehr wohl etwas zu sagen, ob es dir nun passt oder nicht.

Und wenn nun der Herr Hüftgold sagt, der von seinem Label produzierte Song sei schließlich von der Kunstfreiheit gedeckt, dann hat er damit zwar recht, sitzt aber möglicherweise derselben Selbsttäuschung auf wie die, die Meinungsfreiheit immer verwechseln mit einem imaginierten Anrecht darauf, ihre Meinung auch überall veröffentlicht zu sehen und/oder sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit jegliche Kritik verbitten. Der unbestrittenen Freiheit von Herrn Hüftgold, eine platte, pornöse Puffpolka zu produzieren und zu veröffentlichen, steht ja, auch das sollte nicht vergessen werden, irgendwie auch die Freiheit eines Veranstalters entgegen, den Shit nicht zu spielen.

Mehr gibt es dazu wirklich nicht zu sagen.





 

2 Kommentare :

  1. Was auch gern bei der Diskussion ausgespart wird: Niemand ist gezwungen, Locations aufzusuchen, wo das Trommelfell mit solch musikalischem Müll beleidigt wird. Ich leide unter extremer Stimmungsmusik-Allergie und mache grundsätzlich einen Riesenbogen um Bierzelte, aus denen Blechblasinstrumente und stampfende, auf der 1 und 3 beklatschte Rhythmen dröhnen. Mein Leben wird dadurch nicht ärmer, und ich gönne den Menschen, die derartiges goutieren, durchaus ihren Spaß. Win-Win-Situation.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wenn die Blechblasmusik aus dem Bierzelt von Haindling kommt, kann ich nur empfehlen reinzugehen :-)
      Die habe ich mal in Dortmund in der Life-Station gesehen (ja, is schon lange her). Vielleicht halb voll der Laden, alle mit Abstand zur Bühne. Als der Herr Buchner und Kollegen dann losgelegt haben, hat es das Publikum „reingezogen“. Ja, irgendwie Volksmusik, aber die Jungs haben ihre Instrumente so gut gespielt, das nach dem zweiten Song alle vorne an der Bühne standen. Das war wirklich echt stark.

      Und, Stefan, den Skandal im Sperrbezirk würde ich nicht mit den anderen Songs in einen Topf werfen wollen. Das war ein politisches Statement gegen die städtische Verordnung der damaligen CSU-Regierung, wo sich ein gewisser Herr Gauweiler profiliert hat.

      Löschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.