Damit ist eigentlich schon alles gesagt, sollte man meinen. Man könnte noch ergänzen: Bauern jammern, wenn die Ernte schlecht war, weil dann die Erträge niedrig sind, und wenn die Ernte gut war, jammern sie auch, weil dann die Preise im Keller sind. Ansonsten: Zu hell, zu dunkel, zu warm, zu kalt, zu nass, zu trocken. Und: Bauern bekommen schon ab dem fünften Lebensjahr zu kleine Schuhe angezogen, damit sie beizeiten lernen zu jammern und zu klagen. Sicher, auch für andere (Klein-)Unternehmer ist das Glas grundsätzlich immer halbleer, alles wird immer schlimmer, es lohnt sich ja eigentlich kaum mehr, das alles. Man ist quasi dauerhaft am Bettelstab. Und schuld sind 'Die da oben'. Höre ich seit Jahrzehnten. Alles immer schlimmer, da können der dickste Benz und der modernste Fuhrpark vor der Tür stehen.
So, Klischeealarm aufgehoben. Nur sind Bauern eben nicht nur die einzige Berufsgruppe, für die es ein eigenes Bundesministerium gibt, sondern auch die Berufsgruppe, die wie keine andere kultiviert hat, die sie zur Hälfte alimentierende Bevölkerung mit größter Selbstverständlichkeit zu erpressen. Man bekommt den Eindruck, was in anderen Branchen schlicht 'unternehmerisches Risiko' heißt, ist dem Landmann eine nicht hinnehmbare Zumutung, für die gefälligst Genosse Steuerzahler zu lacken hat. Wenn ihr nicht all unseren Forderungen nachkommt, so heißt es, dann ist die Ernährung der Bevölkerung aber so was von akut gefährdet, als drohe ein Steckrübenwinter 2.0. Wie wir uns auch alle erinnern an den grausamen Winter 2022/23, als wir mangels russischen Gases erfrierend in unseren ungeheizten Buden saßen.
Natürlich ist das Thema Agrarsubventionen komplex und eignet sich nicht für einfache Schwarz-Weiß-Debatten. Bauernverbände geben ja oft und gern vor, es ginge ihnen vor allem um den Schutz der kleinen Höfe, der traditionellen bäuerlichen Familienbetriebe. Das Problem ist: Von den Subventionen profitieren am meisten die Großbetriebe, ein tragfähiges Konzept zur Erhaltung und Förderung von Kleinbetrieben existiert scheinbar gar nicht. Darüber, dass am Höfesterben die jahrzehntelang von Agrarverbänden propagierte "Wachse oder weiche!"-Politik mindestens so einen Anteil hat wie verfehlte Agrarpolitik, wird weniger gern geredet. Braucht es auch nicht, so lange man die 'Ampel' als Universalsündenbock hat. Ein "Arschloch im Wandschrank", nannte Volker Pispers das einst.
"Das Höfesterben hat schon in den 1960er Jahren begonnen. Schon daran lässt sich erkennen, dass seine wichtigste Ursache nicht Subventionsstreichungen oder strengere Umwelt- und Tierschutzvorschriften sind. Denn all das war damals noch kein Thema. Der Grund ist vielmehr, dass die Landwirtschaft vor allem dank neuer Technik so produktiv geworden ist, dass sie mehr Lebensmittel auf den Markt wirft, als die Verbraucher essen können. [...] Deshalb sind die Preise langfristig gesunken. Um trotzdem noch etwas zu verdienen, senken viele Landwirte ihre Stückkosten, indem sie noch mehr produzieren. Betriebe, die da nicht mithalten können, geben auf – und werden von Konkurrenten geschluckt. Der größte Feind des Bauern ist sein Nachbar, nicht die Bundesregierung." (Jost Maurin)
Kommt noch doller. Das Mariahilf-Krankenhaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde die Tage von einem Bauernverband telefonisch informiert, dass man am Montag gedenke, die Stadt derart lahmzulegen, dass eventuell die Zufahrt zum Krankenhaus blockiert sein könnte und man sich doch entsprechend vorbereiten möge, denn es könnten Mitarbeiter zu spät kommen (und kam sich dabei wahrscheinlich sehr edel vor).
Unser Krankenhaus hat heute Morgen einen Anruf vom lieben Bauernverband erhalten, man möge am Montag mit verspäteten Mitarbeitern rechnen weil die Herrschaften die Autobahn(!) bis zur A61 und ihren Ausfahren lahmlegen wollen.
— Nabard Faiz (@nbardEff) January 5, 2024
Gilt auch für NEF‘s, NÄ und Krankenwagen.
Natürlich sind das nicht 'die Bauern'. Es wird wohl ein Einzelfall gewesen sein. Hoffentlich. Vielleicht war es auch bloß ein Telefonstreich. Aber: Man stelle sich vor, was los gewesen wäre, wenn ein einzelnes Mitglied der 'Letzten Generation' einem Krankenhaus telefonisch mitgeteilt hätte, dass man im Begriff sei, dessen Zufahrtswege zu verbarrikadieren. "Ja haiii, hier ist die Jessica von Last Dscheneräischn, wir wollten nur kurz Bescheid sagen, dass wir morgen eure Zufahrten blockieren. Ist zwar scheiße, muss aber, sorriiii!"
Was wäre dann gewesen? Ich wette, spätestens am nächsten Tag hätte der Generalbundesanwalt ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, Nötigung und Bildung einer terroristischen Vereinigung, es hätte Festnahmen gegeben und U-Haft wäre angeordnet worden. Und allenthalben gefordert, diese Klimakleber plattzufahren oder sonstwie mit Gewalt von der Straße zu brezeln. Und alle so: Muss man verstehen, die armen Menschen müssen schließlich zur Arbeit.
Und? Hat jetzt irgendwo irgendwer gefordet, die mit subventioniertem Diesel betriebenen Trecker per Räumpanzer zu entfernen und die Protestler ins Loch zu werfen? Präventivhaft, um die Notfallversorgung sicherzustellen? Weil nicht nur Mitarbeiter sich verspäten, sondern auch Menschen sterben können, wenn ein Krankenhaus blockiert wird und Rettungswagen nicht durchkommen? Jo, pfff, Opfer müssen halt gebracht werden, oder was? Sind ja schließlich keine linksgrünen Ökoterroristen, die sich ins Hemd machen wegen Klima, sondern besorgte Bürger, die Angst um ihre Privilegien haben, da muss so ein Infarktpatient oder ein Arzt, der nach seinem 24-Stunden-Dienst nicht heim kann, schon mal Verständnis haben.
"Mich stören die Bauernproteste nicht. Was mich stört, ist die Gefahr, die aus dem Größenwahn entsteht, mit Gewalt oder Androhung von Gewalt eine Regierung zum Rücktritt zu zwingen."(Heinrich Schmitz)
Heute Mittag sind sie auch bei mir am Büro vorbeigetrötet. Nicht die Bauern mit ihren Treckern, die sind schon morgens unterwegs gewesen. Der Konvoi bestand aus Lkw-Zugmaschinen, Kleintransportern und Pkws, viele mit Transparenten beklebt, auf denen ein Treckerpiktogramm war und fast alle mit Schlandfahnen dekoriert, die wohl noch von der letzten WM irgendwo vor sich hin moderten. Dazu Dauergehupe und eine Sounddatei in Endlosschleife, in der ein Gedicht rezitiert wurde, von dem ich nur den Kehrvers "Die Ampel muss weg!" verstanden habe. Galgen konnte ich keine erkennen.
Ich stell mir das mal vor. Glauben die echt, dass irgendwo irgendwer an der Straße denkt: "Hmmm, jetzt haben sie todesmutig zehn Minuten gehupt und dazu vom Band »Die Ampel muss weg!« abgespielt. Yeah, ich werfe jetzt alle meine politischen Überzeugungen über den Haufen und schließe mich ihnen an. Freiheit für die Gummibärchen!"?
Jetzt würde ich natürlich nie behaupten, das seien alles Rechte oder noch Rechtere gewesen. Trotzdem ein kleines Fun fact: Die AfD, die sich in bewährt wendehalsiger Weise auf den bäuerlichen Widerstandszug hinaufglitscht und sich in ebenso bewährter Verlogenheit zur Schutzpatronin der notleidenden Bauern aufplustert, hatte zuvor, wie auch die CSU, im Haushaltsausschuss den Subventionskürzungen zugestimmt. Und ist sich damit ausnahmsweise mal treu geblieben. Denn im Grundsatzprogramm der AfD heißt es auf Seite 69: "Die AfD lehnt Subventionen generell ab." Und auf Seite 88: "Landwirtschaft: Mehr Wettbewerb. Weniger Subventionen." Für die protestierenden Wutbauern müssten das eigentlich sehr schlechte Nachrichten sein. Zumal die AfD auch die EU auflösen will. Wo sollen dann die EU-Subventionen herkommen?
Wenn man von Landwirtschaft keine Ahnung hat, sollte man besser schweigen, finde ich.
AntwortenLöschenA propos 'unternehmerisches Risiko': Agrarsubventionen dienen zum Ausgleich der den Bauern auferlegten Produktionsbeschränkungen und Produktionserschwernissen. Von diesen Produktionsbeschränkungen und Produktionserschwernissen gibt es jedes Jahr mehr; den Grünen und Linken werden die Ideen nicht ausgehen. Dadurch steigt für den Bauer auch der administrative Aufwand immer mehr ins Absurde.
Der Gipfel ist jedoch, dass der Linksblogger Rose - von seinem warmen und weichen Bürostuhl aus - die hart arbeitenden Bauern als Erpresser sieht.
Ich bin übrigens diplomierter Landwirt.
Agrarsubventionen werden auch für vom Staat künstlich tief gehaltene Lebensmittelpreise gezahlt.
LöschenIch lache immer noch über Roses 'unternehmerisches Risiko'...
Na ja, wenn es Ihrer Ansicht nach nur entsprechend Qualifizierten erlaubt ist, sich zu bestimmten Themen zu äußern, dann müssten Sie sich bei Politik sehr bedeckt halten, würde ich sagen.
LöschenÜbrigens: "Linksblogger" nehme ich als Kompliment.
@Stefan Rose
LöschenKommentator André Hüssy spricht von fachfremder Einflussnahme auf die Landwirtschaft, die sein Fach ist. Ob er etwas von Politik versteht ist unerheblich.
Nein. Die Landwirte streichen jedes Jahr Milliarden öffentliche Gelder ein. Sie müssen sich dafür auch fachfremder Kritik stellen.
LöschenFalsch. Die sogenannten Subventionen sind Ausgleichszahlung für Stilllegung von fruchtbarem Acker; von lebensfremden Vorschriften bezüglich Dünger-Einsatz; und vieles mehr.
LöschenFachliche Auskunft gibt darüber gerne jeder Landwirt.
Ob die Subventionen die nicht erwirtschafteten Gewinne auch nur ansatzweise ausgleichen darf bezweifelt werden.
"Die Landwirte streichen jedes Jahr Milliarden öffentlicher Gelder ein." (Stefan Rose)
LöschenWas genau haben Sie eigentlich an meinen Kommentaren über staatlich auferlegte Produktionsbeschränkungen, Produktionserschwernissen und künstlich für den Konsumenten tief gehaltene Lebensmittelpreise nicht verstanden, Herr Rose?
Es ist einfach schade. So viele gute Artikel auf diesem Blog und nun das!
Vielleicht sollte man nicht immer nur solche Zitate einfügen, welche die eigene vorgefasste Meinung bestätigen.
Vielleicht sollte man einmal ausrechnen, was ein Landwirt (mit seiner Familie, die oft intensiv mitarbeitet) pro Stunde so verdient. Ein Landwirt arbeitet in der Regen sieben Tage die Woche und steht bereits morgens um fünf im Stall. Abends um zwanzig Uhr macht er nochmals einen Kontrollgang im Stall. Manchmal kommt nachts ein Kalb zur Welt oder einen Wurf Ferkel erblickt die Welt. Da heisst es Geburtshilfe, Kalb oder Ferkel mit Stroh abreiben, schauen, dass die Sau die Ferkel nicht erdrückt usw.
Vielleicht sollte man einmal überlegen, wie die Bauern in die Zukunft blicken, bei den vielen Ideen, welche die Grünen noch haben. Butter sei der Klimakiller Nr. 1, pupsende Kühe machen das Klima kaputt und ähnliche Schlagzeilen - und dann wundere ich mich, weshalb die Bauern nicht schon lange auf die Strasse gegangen sind.
Vielleicht sollte man mal darüber sprechen warum der DBV nur die großen vertritt, warum der Landwirt erst Monate später erfährt was er für seine Milch bekommt, davon nicht überleben kann und erst recht keine Mitsprache hat. Das Problem ist nicht die Ampel, das Problem sind Lobbyisten - seit Jahrzehnten. Aber das wissen bestimmt auch die Schweizer!?
LöschenAch du trauriger Ampelblogger.
AntwortenLöschenMeinetwegen. Gähn.
LöschenVielleicht neoliberal-olivgrün-links. Ab an die Ostfront! Für "unsere Freiheit" kämpfen!
AntwortenLöschenWeiterhin viel Vergnügen mit Ihrem schlichten Weltbild.
LöschenStichwort Agrar-„Subvention“ Mineralölsteuerbefreiung:
AntwortenLöschenMineralölsteuer ist zweckgebunden angelegt für Verkehrs-Infrastruktur (Straßenbau etc.); wer die viel nutzt, zahlt entsprechend.
Der Mähdrescher, der Traktor, generell das Gerät des Landwirts nutzt nicht die Staßen (außer zum Ernteverkehr). Darum ist die sogenannte „Subvention“ nichts anderes als eine Entschädigung.
Aus dem gleichen Grund – kein Bezug zur Straße – wird ja auch Heizöl nicht mineralölversteuert, obwohl chemisch identisch mit Diesel ist und zwecks Idenitifizierung eingefärbt.
Anmerkungen:
AntwortenLöschen(1) Spiegel hat zwar Meinung, aber nicht fachliche Expertise.
(2) Allein die Überschrift in „agrarheute“ lautet: Einkommen der Landwirte NACH SCHWACHEN JAHREN kräftig gestiegen. Hervorhebung von mir. Da steht nichts Handfestes zu Wohlstand.
(3) Landwirte sind Freiberufler. Sie haben keine Lohnsteuerkarte. Deren Einkommen wird aus Nebeneffekten ermittelt. Bei Auswahl der Nebeneffekte fallen kreative Abweichungen nicht spontan auf.
Es steht jedermann – also auch dem Blog – frei, dem blindlings zu vertrauen, jedoch schmälert es die Überzeugungskraft des Artikels.
2024 wird ein gutes Jahr für die Bauern. Es ist Schaltjahr, da haben sie einen Tag mehr zum Jammern.
AntwortenLöschen"Zum Teil kennen wir das Muster: Morgen dann Armut, Hunger, Weltuntergang. Neu ist die rührende Betonung der „Bauernfamilie“. Wie sehen sie geradezu vor uns: Oma, Opa, Vater, Mutter, Kind. Alle packen mit an und halten „in allen Krisen unser Land am Laufen“." (Christian Buggisch)
AntwortenLöschenBrechen Sie das landwirtschaftliche Einkommen auf 1 (eine) Arbeitsstunde herunter. Und dann reden wir weiter.
Leseempfehlung: Kommentar von "Bob"
AntwortenLöschenhttps://buggisch.wordpress.com/2024/01/07/lautsprecher-lobbyisten/#comment-134631
Ampelblogger am Limit. :D
LöschenDefinitiv nicht.
LöschenDer Kommentarbereich offenbart das Motiv des Blogs: die Milliardenzahlungen der EU an Landwirte sind ein Ärgernis.
AntwortenLöschenDie Ursache liegt aber nicht beim Zahlungsempfänger.
Ein Kommentar weiter oben weist darauf hin: die sogenannten Subventionen sind zum Einen direkte Ausgleichszahlung für stillgelegten fruchtbaren Acker und zum anderen politisches Schutzventil vor plötzlicher Pleitewelle, die Trecker-Großdemo wie 2024 schon vor Jahren ausgelöst hätte.
Die Ursache liegt in zunehmend absurder werdenden Vorgaben mit der windigen Ausrede, es ginge um Umweltschutz. Nicht könnte falscher sein. Von Umwelt versteht EU so viel wie die Kuh vom Strümpfestopfen.
Die hanebüchene Mineralölbesteuerung für Agrardiesel ist nur der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.
Bin nach Kommentar auf die Rezension „Trau, schau wem“ gestoßen. Sie füllt Teile meiner Aussage mit Leben:
Löschenhttps://ansage.org/trau-schau-wem-die-faz-und-die-bauernproteste/
Mit Pauschalisierung treibt man Bauern oder andere tatsächlich in die Arme der AfD, was der Artikel aber nicht macht.
AntwortenLöschenVielleicht sollte man die Ampel schärfer kritisieren für die Art wie sie hier Transformation versucht, amateurhaft wäre ein Euphemismus, eine Anleitung um nicht die Bauern an sich zu stärken, sondern deren reaktionärsten Teil.
Zweierlei Maß gegen die Klimakleber, volle Zustimmung. Kaum ein Wutbürger der ängstlich zittert vorm Arbeitgeber und zur mutigen Selbsthilfe greift, indem er so einen Penner mal von der Straße zerrt- obwohl beim Traktor keine mittlerweilen mit Terpentin (o.Ä.) gerüstete Polizei kommt die das Geschmeiß mal eben von der Straße holt, auf daß der Held der Arbeit seiner Knechtschaft nachkommen darf.
Kommentar 14.1., 22:15 von Art Vanderley
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