Bekanntlich hat jemand versucht, den US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung zu erschießen. Der Schütze selbst wurde vom Secret Service erschossen, mindestens eine weitere Person kam ums Leben, mehrere weitere wurden verletzt. Trump selbst hat knapp und leicht verletzt überlebt. Hämische Kommentare oder Anspielungen auf Vincent van Gogh, mögen sie einem auch auf der Zunge liegen, bringen aber nichts. Ebenfalls müßig ist wohlfeiles Herummoralisieren wie "Er hat eine Dosis der eigenen Medizin verabreicht bekommen, hö hö." Auch das mag im ersten Moment verständlich sein, bringt aber ebenfalls niemanden weiter.
Warum? Weil eine moralisch komplett verrottete Person wie Trump weniger das Problem ist, sondern ein System, eine Gesellschaft, die einen wie ihn überhaupt in eine solche Position bringt. Anders gesagt: Auch wenn der Schütze getroffen hätte und Trumps Leichnam jetzt im Kühlschrank läge, wäre das Problem damit nicht erledigt.
Über die teils komplett irren Reaktionen aus den Reihen der Republikaner müsste man sich eigentlich kaputtlachen, wenn es nicht so todernst wäre. Die Linken sind schuld! Die Demokraten warens! Biden ist schuld! Dass der Schütze Mitglied der Republikanischen Partei war? Egal. Auch dafür wird sich irgendeine abstruse Erklärung finden lassen. Dass exakt Trump und seine Spießgesellen das politische Klima am nachhaltigsten vergiftet haben, ist deren komplett fanatisierten Anhängern so egal wie der bloße Gedanke, dass es vielleicht doch nicht die brillanteste aller Ideen ist, wenn absolut jeder immer und überall mit einer geladenen Knarre herumläuft.
Andererseits kann man kaum umhin, Trump, wenn auch widerstrebend, für seinen politischen Instinkt zu bewundern. Sofort nach dem Streifschuss, als Secret Service-Beamte ihn auf den Boden gezogen hatten, zeigte er ein untrügliches Gespür für die jene Worte und Gesten, die bei seiner Anhängerschaft ankommen.
Wie sehr das politische Klima sich geändert hat seit einiger Zeit, wird überdies deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie in früheren Jahrzehnten auf so etwas reagiert worden wäre oder wurde. Alle wären geschockt gewesen und hätten ihre Sprache gemäßigt, hätten über politische Grenzen hinweg warme Worte gefunden und Hilfen angeboten. Heute so? Ein Blick in 'soziale' Netzwerke ist nicht ratsam, wenn man seine letzte Mahlzeit bei sich behalten möchte. Das kernverlogene rechte Pack beklagt bitterlich jene Verrohung der politischen Sitten, zu der es selbst am meisten beigetragen hat. Aber daran sind natürlich nur die Linken schuld. Schon klar.
Politisch sind die Folgen der Tat kaum absehbar. Eine Wiederwahl Trumps scheint jedenfalls erheblich wahrscheinlicher, weil seine Fans sich jetzt noch enger um ihn scharen werden. Im Kreml dürften bereits die Krimsektkorken geknallt haben. Ziemlich sicher wird Trump im Falle einer erneuten Präsidentschaft das Attentat als Rechtfertigung nutzen, um, gedeckt durch die Rechtsprechung des Supreme Court und mit seinem enthemmten Kapitolsturm-Mob im Rücken, seinen Rachefeldzug gegen alles, was von ihm als 'links' o.ä. markiert ist, von Tag eins an ins Werk zu setzen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die USA an den Rand eines Bürgerkrieges geraten. Die Bühne jedenfalls ist bereitet.
Um mich mal aus dem Fenster zu lehnen: Dieses Juliwochenende 2024 könnte durchaus in die Geschichte eingehen wie der 11. September 2001. Ich hoffe übrigens, ich täusche mich da, habe aber ein verdammt mieses Gefühl bei der Sache.
Ach übrigens, Qual-litätspresse: Der Terminus 'versuchtes Attentat' ist doppelt gemoppelt bzw., für Gebüldete, eine Tautologie. Denn das Wort 'Attentat' impliziert bereits den Versuch, da es sich ableitet von lat. attentatum ('das Versuchte', vgl. auch engl. attempt). Nicht dafür, immer gern.
Ich gebe zu, als ich heute morgen im Halbschlaf die Meldung hörte, war mein allererster Gedanke: Schade, daß der Typ nicht besser getroffen hat...
AntwortenLöschenAsche auf mein Haupt, nicht mal bei einem faschistischen Drecksack wie Trump sollte man so denken.
So praktisch, wie sich das Attentat nun aber auswirkt, könnte man annehmen, daß der Schütze von Republikanerseite beauftragt wurde...
So sad!
AntwortenLöschen"say goodbye to wolodomyr"
AntwortenLöschenUnd jetzt machen wir erst einmal die Reichen noch einmal etwas reicher ...
Vincent Klink schreibt unaufgeregt und Zuversicht machend...
AntwortenLöschenhttps://www.wielandshoehe.de/2024/07/15/john-wayne-reloaded/
Es ist schlicht egal, ob der Märtyrer überlebt hat und noch Zeter, Mordio & Totschlag samt Gift, Galle und allem anderen speien kann oder post mortem seinen Spießgesellen überlässt. Es ist schlicht scheissegal.
AntwortenLöschen@Boandlgramer
LöschenVincent ist sowieso meistens tiefentspannt.
(allein schon wegen der Zusammenarbeit mit Wiglaf Droste gehört er in die den Kanon der "Guten".)
Gruß
Jens
Naja, vorher, soweit ich mich erinnere hatte der Kreml sich für Biden entschieden, falls man wählen müsste. Soweit zu den Sektkorken. Zumindest war es so auf rt berichtet worden. Wahrheitsgehalt bei Propagandatüten ist ja immer etwas sekundär, vorsichtig formuliert. Egal ob ard oder rt.
AntwortenLöschenGibt da ja einen netten Artikel auf dem Blog bzgl. Narrative
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