Montag, 29. Juli 2024

Jenseits der Blogroll - 07/2024


Mann, Mann, Mann, da wäre vor lauter Gesportel und Sommerloch doch glatt der monatliche Streifzug durchs Netz unter die Räder geraten. Obwohl, so viel Sommerloch ist heuer gar nicht. Ist auch ohne EM und Olympische Spiele weiß Gott genug los auf der Welt. Also, auf den letzten Metern des Monats, die Links und Fundstücke:

Politik. Georg Seeßlen über 'Eliten'.

"Auf meiner Rating-Liste der Dinge, die mir echt bis zum Hals stehen, kommen die Blödsinnigkeiten, die mit dem Begriff »Elite« verbunden sind, auf Rang 11. (Rang 12 belegt übrigens die Manie für Rating-Listen.) [...] Klar, die Rechten mussten »Eliten« erfinden, weil sie sonst kein Gegengewicht zu ihrem heiligen »Volk« hätten, das ja bekanntlich in der Demokratie nicht wirklich an der Macht ist, weil es diese verdammten Eliten gibt, die einen tiefen Staat unter Pizzerien führen und auf Geheiß von George Soros das Volk mit Impfzwang und großem Austausch vernichten wollen." (Seeßlen, a.a.O.)

Leo Fischer zur beliebten Idee des Auswanderns.

"Die Vorstellung, dass Journalist*innen Rechtsextreme in Interviews »stellen« oder enttarnen können, ist meistens eine Fehlannahme.", meint Annika Brockschmidt. Mein Reden.

Ein Interview mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk.

Und noch ein Essay.

Für einigermaßen fundierte Einschätzungen zum Ukrainekrieg seien die YouTube-Kanäle von Thorsten Heinrich (1, 2) empfohlen. Politisch stehe ich dem Mann nicht unbedingt nahe, aber er bewegt sich innerhalb des demokratischen Spektrums und versucht Parteipolitik wenn möglich herauszuhalten. 

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Niels Seibert hat den Alltag am Amtsgericht Tiergarten in Berlin eine Zeitlang begleitet.

"Es grenzt an Realitätsferne, wenn irgendjemand glaubt, durch ein weiteres, noch härteres Urteil komme eine Person »endlich zur Einsicht«. Es gibt tatsächlich einige Verfahren, wie das gegen einen Arbeitslosen, der nach acht Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrschein -- die immer höheren Strafen haben keine Verhaltensänderung bewirkt -- noch ein neuntes Mal verurteilt wurde. Seine Geldstrafen summieren sich seit 2008 auf über 11 000 Euro, annähernd der Betrag, den Monatstickets im selben Zeitraum gekostet hätten." (Seibert, a.a.O.)

Die Welt des Christian Lindner und anderer FDP-/CDU-Granden ist übersichtlich: Steuererhöhungen und Schulden sind böse, umverteilt werden darf grundsätzlich nur nach oben, alles andere ist Sozialismus, der Sozialstaat ist leistungsfeindlich und setzt nur falsche Anreize. Bullshit.

Dazu: Minh Schredle über den Architekten der Schuldenbremse.

Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Mit Brettspielen kenne ich mich jenseits von Mensch, ärgere dich nicht und Schach nicht aus und 'Spieleabende' sind ein Horror für mich. Aber als kulturelles Phänomen ist das natürlich schon interessant. Eugen Pfister über 'Sagaland', Spiel des Jahres 1982, und den Autor Alex Randolph.

Wie die Neue Rechte mit Romanen und Literatur geistige Bauernfängerei betreibt.

Mirco Drewes rezensiert Christoph Meuelers Wiglaf Droste-Biographie. Gehasst haben ihn (fast) alle.

"Satire wird oft als eine Form frecher Spaßmacherei akzeptiert und abgewertet zugleich, da diese im Zweifelsfall eben nicht ernst zu nehmen ist. Dabei ist Satire unzweifelhaft eine ernste Angelegenheit, die genau solange als Spaßmacherei toleriert wird, bis sie dem Establishment tatsächlich ans Privileg rührt. Was jeweils Establishment ist, war für Droste nicht nur eine Frage der Klasse oder des Geldes, sondern in erster Linie der kulturellen Hegemonie im jeweils adressierten Kosmos. Neben dem vermeintlich liberalen Bildungsbürgertum, an dem Droste vor allem das Philisterhafte hasste, legte er sich bevorzugt mit der linksalternativen Szene an, die er von innen immer wieder heftig für wahrgenommene Selbstgerechtigkeit attackierte." (Drewes, a.a.O.)

Musik. Mehr Konsenspop und Mainstream als Fleetwood Mac geht nicht, sollte man meinen. Dass die Band aber bevor Stevie Nicks und Lindsey Buckingham dazustießen und 1977 das Überalbum 'Rumours' erschien, bereits seit Jahren Alben produziert hatte, geht dabei oft unter. 1970 kam 'Kiln House' heraus, das erste nach dem drogeninduzierten Weggang des legendären Gründungsmitglieds Peter Green. Und das rockt immer noch ziemlich ordentlich.


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"Ich hab die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele nicht angeschaut. Aber da die katholische Kirche sich beschwert und das konservative Feuilleton Schaum vorm Mund hat, scheint sie ziemlich gut gewesen zu sein." (Chris Kurbjuhn)

Andreas Rüttenauer über olympische Rituale. Wiewohl ich Olympischen Spielen prinzipiell nicht unwohlwollend gegenüberstehe, fand ich das quasireligiöse Gemache immer unfreiwillig komisch.

"Der ganze Vorlauf der Spiele mit den Reminiszenzen an das antike Olympia steht sinnbildlich dafür, wie man etwas ernst nehmen kann, was offensichtlich nicht ernst zu nehmen ist. Da wird an antiker Stätte in Olympia eine Flamme entzündet, die dann ein paar Tage später an antiker Stätte in Athen an die Gastgeber der Spiele über­geben wird. Man hat sich an diesen Unsinn gewöhnt. Der olympische Flammenzirkus findet dann auch noch in bemerkenswert dämlichen Verkleidungen statt. [...]

Es ist wirklich ein lachhaftes Schauspiel, das da aufgeführt wird. Die Rolle der Hohepriesterin hatte ja auch eine Schauspielerin übernommen. Aber es wird mit ernster Miene durchgezogen bis zum Entflammen des Feuers in der Gastgeberstadt. Dass es die Nazispiele 1936 waren, bei denen zum ersten Mal der Fackellauf, mit dem das Feuer zur Olympiastadt getragen wird, veranstaltet haben, stört dabei niemanden. Es geht schließlich um etwas." (Rüttenauer, a.a.O.)


Essen/Trinken/gut leben. Kollege Kurbjuhn über die beste Mahlzeit seines Lebens.

Das Rezept. Das berühmte Full English Breakfast wurde im viktorianischen England während des 19. Jahrhunderts populär. Entstanden sein soll das an Bord der Schiffe der Royal Navy. Geräucherter Speck und Eier halten sich ein paar Wochen, ebenso getrocknete Bohnen. Alles nahrhafte Sachen für Männer, die hart anpacken müssen. Auf seinem Weg auf bürgerliche, sogar herrschaftliche Tafeln wurde das immer weiter angereichert mit gegrillter Tomate, gebratenen Würstchen und Pilzen. Der dazu grundsätzlich gereichte Tee stand auch für die Herrlichkeit des Empire.

Inzwischen bekommt man in vielen Pubs auf der Insel den ganzen Tag über Frühstück ('All day breakfast'). Was gewiss auch daran liegt, dass es nach feuchtfröhlicher Nacht kaum ein besseres Kateressen gibt. Und man löst schon längst keine diplomatische Krise mehr aus, wenn man Kaffee dazu trinkt.

Meine erste Begegnung mit so einem Full English hatte ich in den Achtzigern in einer Jugendherberge in Edinburgh während einer Klassenfahrt nach Schottland. Von jeher Fan handfesten Frühgestückels, mochte ich das echt. Und es hatte einen sehr praktischen Nutzen für uns: Das Britische Pfund stand damals bei knapp 5 D-Mark. Wir hatten für die ganze Woche alle so 30-40 Pfund in der Tasche, die Preise waren aber fast wie in D-Mark. Selbst wenn wir tagsüber nur bei McDonald's oder Pizza Hut gegessen hätten, wären wir nach ein paar Tagen pleite gewesen. Haute man sich aber morgens ordentlich den Bauch voll, hielt das fast bis abends vor und man sparte sich eine Mahlzeit.

Ein echtes Full English scheitert hierzulande daran, dass englische Bratwürste, die berüchtigten 'Bangers', bei uns nicht zu bekommen sind. Meistens behilft man sich mit Nürnberger Würstchen, die denen in Bezug auf Körnung und Gewürze halbwegs nahe kommen. So macht es auch Stevan Paul. Der auch den Bacon durch gebratenes dünn geschnittenes Kassler ersetzt. Eine schöne Idee, wie ich finde.










2 Kommentare :

  1. Bezüglich der Bangers bin ich etwas kleinlich: Nürnberger sind kein Ersatz, denen fehlt diese Note von heißem, fettigem Brot, die den eigentlichen Charme der Bangers ausmacht. Und man kann sie durchaus hierzulande über den Versandhandel bekommen. Es gibt ja ein paar Spezialisten für britische Lebensmittel. Ich hol mir immer zwei Packungen. Eine halbe fürs "Full English", und anderthalb für "Toad in a Hole": https://youtu.be/k0HqhWezM3k?si=SRBeeFAfyInQp0f_

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    1. Das stimmt schon. Wobei ich zu meiner Entlastung anführen muss, schon lange keine Bangers mehr gegessen zu haben, sondern eher Cumberland Sausages o.ä.

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