Donnerstag, 29. August 2024

Re: Messerstecher


Auf der Schönholzer Heide, / Da jab's 'ne Keilerei
Und Bolle, jar nich' feige, / War mittenmang dabei.
Hat's Messer rausgezogen / Und fünfe massakriert.
Aber dennoch hat sich Bolle / Janz köstlich amüsiert.
(Volksweise)


Auch wenn man Gewalt tendenziell ablehnt, sollte man wissen, wovon man redet. Noch mehr sollte man das, wenn man Gewalt rundheraus befürwortet, wenn nicht gar einfordert. Nach den teils tödlichen Messerangriffen der letzten Zeit häufen sich ja Forderungen wie die Polizei müsse härter durchgreifen, Messerangreifer "einfach wegballern", ihnen "einfach mal, zack, ins Bein schießen". Oder man hört Äußerungen wie: "Ich besorg mir jetzt nen Waffenschein und eine Knarre!", und so weiter. Dass das alles nicht so einfach ist, sieht man an diesem Video (Dank an fefe) der Deutschen Polizeigewerkschaft*.

Es handelt sich bei den Akteuren um trainierte, an Waffen und im Nahkampf ausgebildete Leute. Ein:e jede:r male sich aus, wie er/sie in so einer Situation handelte:


(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)


Auch mit der Technik ist das so eine Sache: Im Video wird angesprochen, dass es in einer solchen Situation [ergänzt, d.V.] ziemlich schwierig ist, einen Menschen mit einer Polizeipistole mit einem Schuss schwer zu verletzen, geschweige denn, zu töten (außer bei einem Kopf- oder Genickschuss aus nächster Nähe). Das ist auch nicht Sinn der Sache. Auch bei von der Polizei mitgeführten MPs handelt es sich um Maschinenpistolen, die lediglich Pistolenmunition verschießen. Um einen Gegner mit einem Schuss auszuschalten, benötigt man Gewehrmunition, wie sie zum Beispiel Sturmgewehre verschießen (man vergleiche hierzu die Magazine der MP5 und des G36). Weil Gewehrmunition wegen der größeren Treibladung und des längeren Laufs beim Auftreffen eine deutlich höhere kinetische Energie entfaltet.

Andererseits wird auch deutlich, dass ein Angriff mit einem Messer keine Pikse-Pikse-Lappalie ist, sondern, so ein entschlossener Angreifer am Werk ist, eine saugefährliche, potenziell tödliche Angelegenheit. Also sollte man sich auch als Umstehender ohne nennenswerte Kampf- bzw, Kampfsporterfahrung lieber drei- bis fünfmal überlegen, bei so was einfach einzugreifen (weil: Hey, ist ja nur ein Messer). Und auch nicht die Klappe aufreißen. Denn das Leben ist verdammt noch mal kein Computerspiel.


* nicht mit der GDP zu verwechseln








10 Kommentare :

  1. Sehr gut geschrieben. Ich habe mal - vor Jahren - einen Selbstverteidungskurs (Krav Maga) belegt und der Kursleiter sagte schon damals auf Anfrage eines Teilnehmers ganz klar, daß er uns NICHT zeigt, wie man einen Messerangriff abwehrt. Er setzte lieber auf Deeskalation - also manchmal auch einfach auf die (eventuell gar nicht vorhandene) Uhr sehen, Hand vor die Stirn klatschen und unauffällig den Rückzug antreten. Die Polizei kann man dann immer noch rufen. Ich hatte trotzdem nach diesen zwei Wochenenden lauter blaue Flecken.

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  2. Das es ziemlich schwierig ist, einen Menschen mit einer Polizeipistole zu töten oder zu verletzen - das ist ja nun abwegig, sonst würden nicht so viele Menschen bei Polizeieinsätzen sterben. Im Video geht es um die Mann-Stopp-Wirkung - und das ist wirklich ein Dilemma, weil eben das Schießen in der konkreten Messer-Situation nicht viel hilft. Trotzdem sind die Angreifenden danach oft so schwer verletzt, dass sie sehr schnell sterben - besonders dann, wenn, wie z.B. in den USA unterrichtet, grundsätzlich das Magazin geleert wird.

    Der Vergleich Pistole/Gewehr lässt mich etwas ratlos zurück, denn mit einer Pistole und einem Gewehr kann man selbstverständlich mit einem Schuss gezielt einen Menschen töten. Unter Stress und mit widrigen Bedingungen ist es in beiden Fällen schwierig. Und selbst auf kurze Distanzen wird es mit Gewehrmunition nicht besser. Der Unterschied zwischen den beiden Waffen ist die (Kampf-)Entfernung: Pistolen funktionieren gut um etwa 25 Meter (P8), Maschinenpistolen durchaus bis 100 Meter (MP5). Gewehre haben ihre Stärken ab 100-200 Metern (Schnellvisiere) bzw. 400-800 Meter (Zielfernrohr, je beim G36). Die Entfernungen wird man im Streifendienst hoffentlich nie schießen.
    Größeres Kaliber auf kurze Distanz macht alles nur schwieriger: Größerer Rückstoß, lauterer Knall, das Projektil fliegt weiter - nichts, was man auf Streife (vielleicht mal drinnen schießen müssen, Unbeteiligte, das Gewicht der Waffe vergrößert sich) wirklich will.
    Die kinetische Energie hat übrigens nichts mit der Länge des Laufs zu tun - der sorgt nur für eine stabilere Flugbahn des Projektils und genauere Treffer - die Treibladung und das Gewicht des Projektils und damit die Energie bleiben gleich.

    Eine MP5 mit Feuerstößen ist eine mächtige Waffe für die Polizei und ihr Einsatz in der Regel tödlich. Beispiel, weil der Verlauf des Einsatzes ganz gut bekannt ist: Der Tod des 16-jährigen Mouhamed Dramé 2021 in Dortmund wurde durch 6 Schüsse aus einer MP5 aus guter Pistolenschuss-Distanz abgegeben, 4 trafen, er war nicht unmittelbar tot und konnte sich noch wehren, war aber auch nicht mehr zu retten.

    Übrigens: Danke für die Differenzierung zwischen Pistole(nmunition) und Gewehr(munition). Ich ärgere mich sonst immer, wenn ich lese dass "schwer bewaffnete" Polizeieinheiten mit "Sturmgewehren" sonstwo im Einsatz sind. Sowas hat die Polizei in der Breite nicht, wenn überhaupt dann irgendwelche SEKs.

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    1. Danke für die Informationen. Natürlich ist es ohne weiteres möglich, mit einer Polizeipistole einen Menschen zu töten. Wenn man Zeit zum Zielen hat. Wäre bei Situationen wie den im Video gezeigten dann nicht eher ein Taser die geeignete Wahl?

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    2. Ohne zu sehr in Tech-Talk abzugleiten: Gewehrmunition wirkt alleine wegen ihrer Größe und Masse stärker auf das Ziel. Allerdings durchschlagen militärische Geschosse das einen getroffenen Menschen auch häufig. Dort liegt es an der Balance zwischen mannstoppenden Wirkung und Durchschlagskraft. Bei polizeilich genutzter Gewehrmunition ist das anders: Die ist m.W. nach grundsätzlich mannstoppend, bleibt als im Körper stecken und überträgt ihre Bewegungsenergie darauf.

      Mich dünkt, dass Maschinenpistolen auch gerne von der Polizei genutzt werden, weil man damit im Einzelschuss präziser feuern kann als mit einer Faustfeuerwaffe. Habe dazu aber kein belastbares Wissen.

      Mich ärgert es übrigens auch immer, wenn in den Medien von Polizeibeamt:innen mit ,,Maschinengewehren'' (sic!) geredet wird.

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    3. "wenn in den Medien von Polizeibeamt:innen mit ,,Maschinengewehren'' (sic!) geredet wird."
      ... eigentlich ganz einfach: "Maschinengewehr" verschießt Gewehrmunition. Maschinenpistolen verschießen Üistolenmunition (9 x 19 mm). Automatische Flinten mit sog. Slugs werden von den deutschen Behörden (soviel mir bekannt) nicht eingesetzt.

      Gruß
      Jens

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  3. Ein totales Messerverbot in öffentl. Räumen wäre so lächerlich. Was ist denn mit Schraubenziehern und Brieföffnern?

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  4. Siewurdengelesen30. August 2024 um 11:12

    Immerhin hat unsere Regierung entgegen ihrer sonstigen Bräsigkeit flugs ein geändertes Asylrecht aus dem Hut gezaubert. Bei dem Tempo könnte schon wieder angenommen werden, die hatten das schon in der Schublade und haben nur auf einen "Grund" gewartet.

    Der Rest der Debatte ist wieder das übliche Polemisieren: Betroffenheitslyrik -> Kläffen nach schärferen Irgendwas und mehr Überwachen.

    Entweder wollen wir eine "freie Gesellschaft" sein, dann müssen wir eben auch mit deren Schattenseiten leben, oder wir setzen "Sicherheit" als Credo und schließen uns bibbernd im Hochsicherheitstrakt ein. Ich wüßte ja, was für mich passt...

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  5. Danke für klärende Worte zu Abwehr eines Messerangriffs.

    Ebenfalls interessant wären klärende Wort zu deren V o r b e u g u n g  gewesen. Der im Lied oben zitierte Bolle mag zwischen 1890 und 1910 gelebt haben – seit Ende des 2. Weltkriegs waren Messermorde, geplant oder im Affekt, selten genug, um die Tageszeitung mit Stoff zu versorgen.

    Heute stehen sie nur dann in der Zeitung, wenn der Täter einen deutschen Pass hat.

    Zu Beginn der Einwanderungskrise 2015 wurden diese Verhältnisse prognostiziert. Die Einzeltat ist unerwartet wie ein einzelner Verkehrsunfall, aber die große Zahl derer ist es nicht.

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  6. " Die Kleinbahn hat Verspätung, Und vierzehn Tage druff, Da fand man unsern Bolle Als Dorrjemüse uff.”

    Bleibt doch aktuell der Bolle

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  7. Vor ein paar Jahren wurde in meiner Heimatstadt ein Mann mit Messer in der Hand von einer Polizistin erschossen. Ermittlung ergab, sie habe alles richtig gemacht: er rannte auf sie zu, und sie drückt bei ca. 6 m Entfernung ab, abgeschätzt anhand der vorhandenen Autos. Die 6 m sind ein Erfahrungswert, der der Polizei antrainiert wird, damit man solche Erfahrungen nicht immer wieder neu machen muss.
    Ins Bein oder in den Arm zu schießen ist Glückssache, und wenn man daneben schießt, hat man bei der Entfernung keine Zeit für einen zweiten Versuch, und selbst wenn man trifft hat der mit dem Messer noch Zeit, dem Schützen in den Hals zu stechen, bevor er selbst den Schmerz spürt.
    Außerdem ist es dann für Deeskalation leider schon zu spät.

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