Montag, 19. August 2024

Sommerloch: Parfum und Pahfühm


Es gibt zwei Arten von Duftwässerchen, beziehungsweise zwei Arten, welches zu tragen: Einmal Parfum, vornehm französisch ausgesprochen, und dann noch die breitdeutsch gesprochene Variante, das Pahfühm. Obwohl ich mir selbst nicht viel daraus mache, weiß ich ein gutes, im richtigen Maße appliziertes Parfum zu schätzen. Auch gegen ein dezent riechendes After Shave ist nichts zu sagen. Die Betonung aber liegt auf: Dezent. Eine Pest ist es nämlich, wenn vor allem Männer sich Pahfühm draufklatschen wie nicht gescheit. Wo immer so ein Stinkmorchel aufkreuzt, wird im Umkreis von zehn Metern Nasenschleimhaut zu Hornhaut, trüben sich die Linsen im Auge und die Milch wird sauer. Schwer geschlagen, wem ein ungnädiges Schicksal einen reservierten Platz im vollbesetzten Zug oder Flugzeug neben so einer Gasgranate beschert. Ein verstorbener Verwandter von mir, der sein Berufsleben im Bergbau zugebracht hatte, pflegte immer zu sagen: "Weißte Junge, der Gestank iss ja nich dat Schlimme. Dat Schlimme iss dat Brennen inne Augen."

Nicht selten sind es Typen, die auch äußerlich der Maxime 'Viel hilft viel' anhängen. Ihre Schlipse, ihre Treter und ihre Anzüge sind jene Spur zu teuer, die sie wieder billig aussehen lässt. Die Monsterchronometer, mit denen sie ihre Macherflossen beschweren, sind jenen Tick zu fett, der ihnen etwas Zuhälterhaftes verleiht. (Übrigens nannte man in der Gegend, aus der ich stamme, aufdringlich riechendes Duftzeugs früher auch 'Nuttendiesel'.) Damit auch die Trommelfelle ihrer Mitmenschen etwas abbekommen, pflegen sie mit ihren Geräuschluken in gleicher Weise umzugehen. Mobiltelefone sind für sie kein Mittel der Kommunikation, sondern eines, ihrer gesamten Umwelt mit ihrer grenzenlosen Wichtigkeit maximalst auf den Sack zu gehen. Überflüssig zu sagen, dass sie auch finden, Kopfhörer seien nur etwas für Loser, wenn sie auf ihren auf volle Lautstärke gestellten Tablets herumwedeln. Wagt es tatsächlich jemand, sie höflich auf die Unzivilisiertheit ihres Verhaltens anzusprechen, dann entblöden sie sich nicht, zu fragen, ob man überhaupt wisse, mit wem man es zu tun habe, als sei man in einer Quizsendung.

Zurück zur olfaktorischen Pein. Leider sind unsere Sinne, wie Wiglaf Droste klugerweise feststellte, so eingerichtet, dass man zwar wegsehen und weghören, nicht aber wegriechen kann. Hat man keine Chance zu flüchten und keine Nasenklemme zur Hand, hilft nur die Methode, die ich damals im Zivildienst gelernt habe für den Fall, dass pflegebedürftige Patienten, die die Kontrolle über ihren Schließmuskel verloren hatten, versorgt werden mussten: Sich darauf konzentrieren, nur durch den Mund zu atmen. Ich habe sogar schon überlegt, für den Notfall immer einen geruchsdicht verpackten, vollreifen Limburger oder Romadur dabei zu haben, um ihn bei Bedarf auspacken und zurückstinken zu können. Den Gedanken habe ich aber aus zwei Gründen wieder verworfen: Erstens würde so eine B-Waffe massenhaft Kollateralschäden bei Unschuldigen anrichten und zweitens bekämen die, denen die Retourkutsche gelten würde, eh nichts davon mit. Wer sich so gnadenlos eindieselt, hat eine Stufe sensorischer Indolenz erreicht, die ihn vermutlich auch einen Angriff mit chemischen Kampfstoffen folgenlos und ohne das kleinste Hüsteln überstehen ließe.

Wenn du wüsstest, was ich weiß, denke ich mir zum Troste immer, wenn mich mal wieder jemand geruchlich belästigt. Im erwähnten Zivildienst hatte ich einen Kollegen, der eigentlich Chemikant bei einem Chemiewerk in der Nachbarstadt war. Dort lassen bis heute zahlreiche, auch durchaus namhafte Hersteller ihr Riechwerk vollsynthetisch zusammenbrauen. Alle paar Wochen traf er einen Kollegen, der in der entsprechenden Anlage eingesetzt war und jede Menge auch teure Wässerchen für einen Spottpreis in Plastikflaschen vertickte. Auf meine Frage, ob das denn nicht aufiele und er keine Schwierigkeiten bekäme, meinte er, das Zeug werde in solch gewaltigen Mengen produziert und sei in der Herstellung so billig, dass ein paar Liter mehr oder weniger schlicht niemanden interessierten. Wer sich in einem einschlägigen Laden mal die Preise für so was ansieht und zwei und zwei zusammenzählen kann, kommt auf Gewinnspannen, die jeden Mafiaboss heulend vor Neid seinen Geigenkasten in die Ecke feuern ließen.

Warum ich übrigens nur von Männern rede? Ganz einfach. Mir ist im Leben nur ein einziges Mal eine Frau begegnet, die es übertrieben hat. Und da war ich noch in der Schule, kurz vor dem Abitur. Eine Mitschülerin hatte wohl zum Geburtstag ein teures, aber eben auch sehr streng miefelndes Duftwasser geschenkt bekommen und sie muss sich so darüber gefreut haben, dass sie sich großzügig davon gab. Betrat sie einen Raum, roch es sofort wie in einer Parfumerie, pardon, einem Pahfühmladen, den eine Horde Vandalen mit Baseballschlägern verwüstet hatte. Der Unterschied zu müffelnden Männern: Irgendjemand muss ihr diskret gesteckt haben, dass das nicht ginge und von da an war's gut.


Kurz vor Ende der Schulferien in NRW noch eine letzte Wiederholung aus alten Zeiten. Der Beitrag erschien hier zuerst am 23. Februar 2014 und wurde ein wenig gestrafft.











4 Kommentare :

  1. "teure Wässerchen für einen Spottpreis in Plastikflaschen"
    ... mir wurde vor jahrzenten mal gesagt, dass bei Parfum die Flakon- und Verpackungskosten anteilig exorbitant hoch seien und den Wert des Inhalts meistens weit übertreffen (von den Insertionskosten sprechen wir dabei noch gar nicht — 1/1 Seite vierfarbig in der Vogue 2024: 82.000 Euro, Reichweite ca. 500.000 Leser. Layout, Foto, Model etc. ca. 100.000 bis 150.000 Euro.)

    Gruß
    Jens

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  2. Die Flakons sind es ja auch, die gesammelt werden - notfalls auch leer. Und da gibt es wirklich hübsche Sachen, man denke an den Einhorn-Flakon von Avon, der muß etwa aus den 70ern sein.
    Ich kriege von den meisten Düften Migräne...

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  3. Tja, du sprichst mir fast aus der Seele. Mir sind leider schon jede Menge Frauen begegnet, nicht jene an denen ich vielleicht interessiert gewesen wäre, die es genauso übertreiben wie Männer. Und mit COPD wird das ganze noch viel lustiger, es verschlägt dir schier den Atem.

    Nuttendiesel, ja, so nannte man das damals. Ausserdem gibt es noch den Unterschied zwischen Parfüm und Eau de Toilette. Parfüm muss extrem vorsichtig dosiert werden, da unverdünnt.

    Die Idee mit dem Limburger oder Romadur muss ich mir merken, die ist dezent cool. Man kann die Verpackung wieder schliessen, der Nuttendieselmensch kann das eben nicht, gibt bestimmt interessante Diskussionen ...

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    1. Ach ja, Essig als Geruchsvernichter ist vielleicht auch eine Option. Und das ich hier Google, Be evil now, zustimmen muss, beschränkt meine Kommentarwilligkeit. Lieber Gruss

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