Sonntag, 6. Oktober 2024

Astro-Quark, öffentlich-rechtlich


(Vorerst nur in Österreich. Aber warten wir mal ab.)

Es sollte unter aufgeklärten Menschen Konsens sein, dass Astrologie Nonsens im Quadrat ist. Dass das zuweilen irre schlau daherkommt und viel Geld damit verdient wird, ändert daran nichts. Nun bin ich astronomischer Laie, aber ich würde sagen, dass die einzigen Himmelskörper, die einen nachweisbaren Einfluss auf unser Leben auf der Erde haben, die Sonne und der Mond sind. Die Sonne wegen Wärme, Energie and all that Jazz, der Mond wegen Gezeiten. Und es soll Menschen geben, die bei Vollmond schlecht schlafen. Schon die Planeten des Sonnensystems, die nach astronomischen Maßstäben direkt vor der Haustür liegen, können uns komplett egal sein.

Na ja, Asteroiden können noch einen nennenswerten Effekt haben. Wenn ein ausreichend großer Brocken mal mit der Erde kollidieren sollte, dann wars das im wesentlichen mit uns als Menschheit.

Selbstverständlich haben Zeitpunkt und Ort der Geburt eines Menschen erheblichen Einfluss auf dessen weiteres Leben. Wer etwa in eine reiche Familie in einer reichen Gegend der Welt hineingeboren wurde, wird im Leben höchstwahrscheinlich deutlich bessere Perspektiven haben als das zwölfte Kind eines Kleinbauern oder eines Latrinenreinigers aus den Slums einer indischen Megacity. Wer hierzulande in eine der reichsten Familien geboren wird, wird es im Leben mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit zu etwas bringen als ein Arbeiterkind. Dass es Menschen gibt, die Sternen- und Planetenkonstellationen relevanter finden als das Genannte, ist für sich schon ein Skandal.

'Sternbilder' sind willkürliche, mit irgendeiner Bedeutung aufgeladene Gruppierungen von der Erde aus sichtbarer Sterne, die x Lichtjahre voneinander entfernt und zufällig in der gleichen Galaxie sind. Der uns nächste Stern ist bekanntlich 4,5 Lichtjahre entfernt, liegt im Sternbild Zentaur und heißt Alpha Centauri. Ein anderer Stern im Sternbild Zentaur ist Hadar. Der ist 525 Lichtjahre entfernt. Was genau sollen diese beiden Sterne miteinander zu schaffen haben? Das mit den Sternbildern würde ansatzweise Sinn ergeben, wenn man an das Modell einer Himmelssphäre glaubt, auf der die Sterne alle in der gleichen Entfernung liegen wie bei einem Kuppelplanetarium. Diese Idee sollte sich aber spätestens mit Galilei, Kepler, Kopernikus u.a. erledigt haben.

Angenommen, es gelönge wirklich irgendwann, eine Marskolonie zu errichten oder mit einem Generationenschiff in den interstellaren Raum aufzubrechen. Dann würden die von der Erde sichtbaren Sternkonstellationen sich doch komplett anders darstellen, oder? Und wenn dann in der Marskolonie oder im Raumschiff ein Kindelein geboren würde unter einer Sternenkonstellation, die es auf der Erde gar nicht gibt? Müsste dann nicht die Astrologie komplett neu erfunden werden?

Auch das mit dem 'uralten Wissen' ist natürlich Quatsch mit Soße. Sicher gibt es sehr altes Wissen über Astrologie. Nur sagt das Alter eines Wissens halt absolut nichts aus über dessen Validität. Bloß weil vor 2000 Jahren plus ein Humbug von ein paar Druiden, Sehern und Priestern verbreitet und angeblich von Herrschern geglaubt wurde, heißt das nicht, dass das kein Humbug ist. Oder anders gesagt: Es ist absolut normal, dass als gesichert geltendes Wissen irgendwann obsolet wird, wenn der Wissensstand sich ändert. So ist es ebenfalls sehr altes Wissen, es für super Ideen und für ganz 'natürlich' zu halten, Frauen zu benachteiligen, Menschen den Götter zu opfern und Sklaven zu halten. Gab es, wie Astrologie, schon in der Antike. Und?

Sterne gucken kann ein faszinierendes Hobby sein, aber das mit irgendwelcher Bedeutung aufzuladen, ist schlicht Aberglaube. Und weil Astrolog:innen nicht dumm sind und das eigentlich auch wissen, aber, so sie kommerziell unterwegs sind, gern weiterhin Geld verdienen würden, brasseln sie um den Hokuspokus mit den Sternbildern einen Riesenklumpatsch aus weiteren Parametern und esoterischem Quark herum: Aszendenten, Häuser, Geburtszeitpunkt, Manifestation, Channeling. Engelbotschaften, Mondenergie, Kristalle, Energieteddys. Oder geben sich einen seriösen Anstrich als 'geprüfte:r' Astrolog:in. Das ist so wie mit Globuli, die ein medizinisch ausgebildeter Arzt verabreicht. Die wirken genausowenig über den Placeboeffekt hinaus wie die von einer Heilpraktikerin mit Schmalspurschulung.

Jetzt könnte man sagen: Hey, jedem sein Hobby. Man redet anderen nicht in ihr Privatvergnügen hinein. Stimmt. Tue ich normalerweise auch nicht. Wenn dieser Quark aber gebührenfinanziert im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wird, wie jetzt beim ORF, dann hört der Spaß irgendwann mal auf.

"I fully agree with you concerning the pseudo-science of astrology. The interesting point is that this kind of superstition is so tenacious that it could persist through so many centuries." (Albert Einstein, korrekt zitiert)

Angefangen hat die Gruselshow schon damit, dass man der Sache mit einem falsch zugeschriebenen Einstein-Zitat über Astrologie eine gewisse Legitimität verleihen wollte. Dann war da noch "Astro-Influencerin" und Co-Moderatorin Lori Haberkorn, die nach eigener Aussage »bereits im Babybauch ihrer Mutter [...] auf Full Moon Ceremonies und witchy Rituals« war und heute »die Mystik, Astrologie und das alte Wissen [Tadaaa! D.V.] vereint mit Neurowissenschaft, Business Tools und Success Techniken zurück in den Zeitgeist« bringt. Aha. Die multibegabte Sternenliesel ventilierte unter anderem folgendes:


Noch einmal in Worten:

"Ich sehe das Horoskop als unsere Grundenergie, aus der wir schöpfen können. Ich gehe sehr stark davon aus, dass jeder Mensch es sich ganz genau ausgesucht hat, zu welchem Tag, an welcher Uhrzeit, an welchen Ort er auf die Erde gekommen ist. Und da war eine ganz besondere Planetenkonstellation, mit Qualitäten, Stärken, Energie, auch Aufgaben rund um uns und das hat jeder Mensch mit auf die Erde genommen."


Soso. ausgesucht. Wusste gar nicht, dass man das kann. Ich finde, ich war damals definitiv zu jung dafür. Ich halte ja auch die verbreitete Praxis der Kindstaufe für verwerflich. Wirklich fies ist das hinter Haberkorns Postulat stehende Menschenbild:

"Diese elitäre Weltsicht, dass wir alle schon irgendwie selbst für unsere Lebensumstände verantwortlich sind; das wir es uns »aussuchen« ob wir reich sind oder arm; ob wir krank sind oder gesund, und so weiter, ist in der Esoterik leider weit verbreitet. Sie wird aber dadurch nicht weniger menschenverachtend und es ist gelinde gesagt ein Skandal, dass man so etwas einfach mal nebenbei als Moderatorin einer Unterhaltungssendung sagen kann, ohne dass irgendwer auf die Idee kommt, dass so eine Aussage problematisch ist (Die Sendung ist ja nicht live; die haben jede Menge Leute produziert, geschnitten, gesehen, abgenommen, und so weiter)" (Florian Freistetter)

Das ist nichts weniger als das ohnehin höchst fragwürdige Prinzip der Selbstoptimierung auf eine neue Stufe gehoben. Wer so patschert war, sich den falschen Tag, die falsche Uhrzeit und den falschen Ort zum Geborenwerden ausgesucht zu haben, hat eben den Zonk gezogen. Krebst irgendwo in einem Drittweltland oder einem Kriegsgebiet herum. Oder ist blöderweise zu früh geboren. Zum Beispiel, bevor es wirksame Medikamente gab (oder eine Impfung) für jene Krankheit, die seine halbe Familie ausgerottet hat und ihn auch bald hinraffen wird.

Wissenschaftsfeindlichkeit gepaart mit Egotrip-Prinzipien wie "Ich zuerst!" und "Jeder ist seines Glückes Schmied" passt halt hervorragend in die Zeit. Insofern hat der ORF wohl recht, wenn es in der Pressemitteilung zur Sendung heißt, Astrologie liege voll im Trend. Heilige Einfalt!









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