Das zutiefst Perverse an der momentan propagierten 'verschärften' Migrationspolitik, vulgo "im großen Stil abschieben!", die einzig und allein mit dem Ziel betrieben wird, rassistische Schreihälse irgendwie zu beruhigen (was aber nicht funktionieren wird), ist, abgesehen von ihrer Verlogenheit, dass sie mit gnadenloser Konsequenz die falschen trifft. Ist aber eigentlich auch sonnenklar. Angenommen, Sie als Behördenleiter bekämen Abschiebequoten aus dem zuständigen Innenministerium vorgesetzt. Die müssten sie dann liefern. Wen würden Sie eher abschieben, um die Quote vollzukriegen?
a) Welche, die kriminelle Energie haben, bei denen man die Polizei wird hinzuziehen müssen, die Stress machen, sich höchstwahrscheinlich ihrer Abschiebung entziehen würden, was wieder zusätzliche Arbeit machte, und mit denen man auf jeden Fall Scherereien haben wird? Oder:
b) Integrierte Leute, die sich an die Gesetze halten, weil sie unbedingt in Deutschland bleiben wollen, die sich vermutlich auch nicht wehren würden, die einen festen Wohnsitz haben und deren berufliche Integrationsperspektiven hervorragend sind?
Eben. Sie würden vermutlich b) abschieben. Weil das weniger Arbeit macht und Sie nicht in den Konflikt müssen. Das geräuschlos abwickeln können.
Diese junge Dame aus Syrien zum Beispiel wird zu Recht wieder nach Spanien überstellt, weil ihr Asylantrag dort genehmigt wurde. Aber hey, die hat hier in kürzester Zeit Deutsch gelernt, war dabei, an der Abendrealschule einen Schulabschluss nachzumachen und wollte Altenpflegerin werden. Also einen Beruf ergreifen, der hier dringend gebraucht wird. Aber so geht's halt, wenn man nur auf Paragrafen schaut und nicht auf den individuellen Fall.
Man könnte sogar sagen, so eine Praxis verschärft die Probleme noch, anstatt welche zu lösen. Denn sie treibt mehr Menschen in die Illegalität, schlimmstenfalls sogar welche, die eigentlich besten Willens sind. Die sind nämlich nicht doof und sehr gut untereinander vernetzt. Die wissen sehr gut, wie sich im Zweifel den Behörden entgehen und eine Abschiebung vermeiden lässt. Und wer es nicht weiß, kann es, Handy sei Dank, schnell erfahren. Wer seine Heimat aufgegeben hat, mit dem Ziel, in Deutschland zu arbeiten und zu leben, dem wird es im Zweifel egal sein, ob er noch gegen ein paar Vorschriften verstößt, wenn die Alternative Abschiebung ist.
In einem Land, das, anders als Australien, keine Insel ist, sondern knapp 4000 Kilometer Grenzen zu Nachbarländern hat, ist die Vorstellung, man könne Migration kontrollieren, indem man Grenzen dichtmacht, komplett gaga. Das wäre zudem nicht ganz billig. Wie eine richtig dichte Grenze aussieht, lässt sich an der ehemaligen innerdeutschen Grenze studieren. Glaubt jemand, die DDR hätte so einen Riesenaufwand betrieben, wenn sie das auch einfacher und billiger hätte haben können?
Besonders herzig ist ja die Vorstellung, Grenzkontrollen verhinderten Terroranschläge. Wenn eine Organisation wie der IS hier Terror machen will, braucht es das System Asyl gar nicht. Man kann zum Beispiel einen oder mehrere 'Kämpfer' als Lkw-Fahrer einschleusen. Bei durchschnittlich 1,3 Millionen Lkws täglich, von denen ein Drittel aus dem Ausland kommt, ist die Chance, da durchzurutschen, einigermaßen hoch. Eine andere Möglichkeit wäre als ausländischer Student und und und...
Man kann auch gern drohen, Einreisenden ohne gültige Ausweisdokumente die Einreise zu verweigern und sie erst einmal in menschenunwürdigen Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen zu pferchen. Wegen Abschreckung. Meine Prognose: Das würde die Zahlen eine Zeitlang wohl senken, danach würden sie wieder ansteigen. Weil wir Kapitalismus haben, pflegt überall dort, wo Nachfrage ist, sehr bald auch ein entsprechendes Angebot zu sein. Etwa eines für gefälschte Ausweise. Da würde es dann eine Preisspanne geben. Wer, sagen wir, 5.000 Euro hinlegen kann, bekäme einen Pass, mit dem man fast sicher durchkäme, wer nur ein paar Hunderter zusammenkratzen könnte, einen, mit dem man möglicherweise abgewiesen würde.
Was zudem ein Licht auf das zutiefst Zynische wirft, was da seit etlichen Jahren passiert. Es kommen diejenigen, die irgendwie Geld zusammenkratzen können für die Passage, je mehr, desto sicherer. Das ist ein gnadenloses sozialdarwinistisches Rattenrennen.
Die heillose Verfahrenheit der momentanen Situation rührt vor allem daher, dass kaum jemand wirklich ehrlich ist. So müssten auch im weitesten Sinne Linke sich das eine oder andere klar machen: Etwa dass vom Staat irgendwann eine warme Wohnung bezahlt zu kriegen plus 500 Euro, ohne dafür arbeiten zu müssen, für viele Menschen auf der Welt sehr wohl eine höchst attraktive Perspektive ist. Oder dass man Menschen nicht für blöde halten sollte. Der/die durchschnittliche Zuwander:in ist so dumm oder klug wie der/die durchschnittliche Hiesige. Und sie sind, wie gesagt, bestens vernetzt. Natürlich wissen die, dass wer einmal im Land ist, höchstwahrscheinlich auch bleibt, wie man an staatliche Leistungen kommt, wie man ein Asylverfahren in die Länge zieht, sich einer Abschiebung entzieht u.a.
Damit soll keineswegs der rechte Popanz vom per se kriminellen Asylbetrüger bedient werden. Es sind Menschen, die ein Ziel haben und dazu die Unwuchten und Lücken eines Systems zu ihrem Vorteil nutzen. Daran ist nichts Verwerfliches oder Unmoralisches. Fragen Sie Ihren Steuerberater.
Man sollte ferner zur Kenntnis nehmen, dass es auch gutwillige Menschen an ihre Grenzen bringt, wenn im Asylverfahren Befindliche problemlos in ihre Herkunftsländer reisen können und wieder zurück. Weil das das Prinzip Asyl in einer Weise strapaziert, für die es eigentlich nie gedacht war. Weil Asyl bedeutet: Ich kann in diesem meinem Land keinen Tag länger leben, weil ich an Leib und Leben bedroht werde. Ist man schon auf der dunklen Seite, wenn man sich vorstellt, wie etwa eine 1938 aus Deutschland in die Schweiz geflüchtete jüdische Familie den Schweizer Behörden mitgeteilt hätte, sie müssten für ein paar Wochen nach Deutschland und kämen dann aber wieder?
Nur ist reguläre Migration nach Deutschland entweder an gewisse Hürden gebunden (die Betreffenden müssen einen Schulabschluss, Sprachkenntnisse und einen unterschriebenen Arbeitsvertrag nachweisen) oder an die Existenz eines bilateralen Abkommens. Erschwerend kommt hinzu, dass Deutschland als Einwanderungsland bei global mobilen, gut qualifizierten Leuten eher unbeliebt ist (überbürokratisiert, unflexibel, schwer zu lernende Sprache, in Teilen unfreundlich bis rassistisch). Vielen, die diese Kriterien nicht erfüllen, bleibt eigentlich nur das Asylverfahren. Warum tun sie das? Weil diese Menschen, wie gesagt, keineswegs dumm, sondern gut informiert sind und die Signale vor allem der deutschen Wirtschaft sehr wohl vernehmen, die da lauten: Arbeitskräftemangel! Wir brauchen Leute!
Wenn es eine Statistik gibt, die sich beim besten Willen nicht schönrechnen lässt, dann ist das die Bevölkerungsstatistik. Und die besagt nun einmal sehr zweifelsfrei, dass Migration vonnöten ist und sein wird, will man nicht drastische Einschnitte bei Infrastruktur und Lebensstandard hinnehmen. Die Reserven des Arbeitsmarktes sind bei einer mittleren Arbeitslosenquote von momentan bundesweit 5,8 Prozent (ab 4,5 Prozent ist von Vollbeschäftigung die Rede) weitgehend ausgeschöpft. Sicher werden sich noch hier und da ein paar Langzeitarbeitslose irgendwie aktivieren lassen, aber den steigenden Arbeitskräftebedarf - die geburtenstarken Boomer-Jahrgänge fangen gerade erst an, in Rente zu gehen - wird das beim besten Willen nicht auffangen.
Daher müssen sich natürlich auch im weitesten Sinne Rechte - gerade die - diverse Lebenslügen eingestehen und dies nicht immer nur von anderen verlangen. Etwa die, dass es ohne Zuwanderung nicht gehen wird, dass die von ihnen propagierten einfachen Lösungen Illusionen sind und damit um nichts weniger Träumereien, die sie anderen so gern vorwerfen.
Ja aberaberaber, warum machen wir es nicht einfach wie die Dänen? Weil Dänemark, im Gegensatz zu Deutschland, ein paar Kilometer Außengrenze hat, die sich vergleichsweise leicht kontrollieren lassen. Weil man dazu EU-Recht brechen müsste, wie es Dänemark stillschweigend macht. Wasser auf die Mühlen von Rechten, die die EU eh am liebsten abschaffen wollen. Weil national ja so viel geiler ist. Und weil man dazu das Konzept Menschenrechte aufweichte, die dann nicht mehr für alle gleichermaßen gelten würden, weil man dann das Recht hätte, sie selektiv anzuwenden. Ein feuchter Traum derer, die gern einen autoritären Staat errichten würden und auf Rechtsstaat scheißen. Denen sollte man ein solches Instrumentarium lieber nicht in die Hand geben.
Fun fact: Dass Migration das wichtigste Thema in Deutschland ist bzw. den Deutschen die meiste Angst macht, lässt sich empirisch nicht belegen. Die Deutschen haben eher Angst vor Rechtsextremismus. Bei jungen Menschen ist die Diskrepanz übrigens noch krasser.
Immerhin waren die Kontrollen ja dahingehend erfolgreich, dass sie auch einen gewissen Laschet gefasst haben, der darüber aber weniger amused war;-)
AntwortenLöschenDie Nummer mit dem Abschieben krimineller Ausländer hat bei Sellner dagegen versagt. Der wurde erst beim illegalen Übertritt von D(?!) in die Schweiz verhaftet und hatte natürlich ganz zufällig und aus Versehen das ebenso völlig unbeabsichtigte Übertreten der Grenze inklusive des ganzen Prozederes werbewirksam gefilmt - janeisklar...
Man sollte Laschet da nicht unterschätzen. Der kommt aus Burtscheid bei Aachen. In der Gegend tobte in den 1950ern der Eifeler Kaffeekrieg, der etliche Menschenleben forderte.
Löschen"Sie würden vermutlich b) abschieben" ...
AntwortenLöschenGenau das gleiche Prinzip wie "Blitzer" an Stellen mit willkürlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen und Parkverboten rund um Bahnhöfe. Schnelle Quote — wenig Aufwand. "Protect my ass".
Gruß
Jens
Sollte nicht endlich mal klar sein,das wir billige Arbeitskräfte in so vielen Bereichen brauchen.Ich arbeite in der Gastronomie, da kann man jede Nationalität finden.Der Witz ist, dass die selber immer über die Flüchtlinge schimpfen und dabei vergessen, das wenn die AFD an die Macht kommt,sie die ersten sind,die abgeschoben werden.Das gab es übrigens auch in der Nazi Zeit.Keiner glaubt,das es ihn betrifft.
AntwortenLöschenTechnik ist doch ein grosser Blender. Jahrzehntelang wird erzählt, Technik würde das Leben erleichtern und die Arbeit reduzieten und heute benötigen wir mehr Arbeitskräfte als je zuvor.
AntwortenLöschenEin Selbstläufer.
Das mit der Technik stimmt und stimmt nicht. Man könnte jetzt das ganz große Pferd aufzäumen mit der tendenziell fallenden Profitrate und dem Schaffen von Mehrwert durch die menschliche Arbeit uswusf.
LöschenPrinzipiell ist es auch so, dass viel Arbeit durch Technik ersetzt und erleichtert wurde. Allerdings wurde alleine deswegen nicht zeitlich weniger gearbeitet, sondern die leichtere Arbeit verdichtet, wie es so schön heißt. Kürzere Arbeitszeiten oder die andere Seite mehr Lohn waren nahezu immer das Ergebnis gewerkschaftlicher und Arbeiterproteste und nicht der good will eines Unternehmens, weil die gerade so gutmütig sind und neue Technik einsetzen.
Umgekehrt ist die 4-Tage-Woche auch kein Geschenk, denn oft verteilt sich halt nur dieselbe Arbeit auf 4 statt 5 Tage oder es wird vorausgesetzt, dass in der kürzeren Zeit dasselbe oder sogar ein höheres Pensum geschafft wird - s.o.
Dann gibt es eben immer noch Tätigkeiten, die Maschinen nicht oder nur schwierig bewältigen und die eben mit menschlicher Arbeit billiger sind, vor allem bei schlechtem Bezahlen. Das ist ja neben dem direkt prekären Arbeitsmarkt die nächste Stufe billigen Ausbeutens und wer macht diese Jobs schon außer Ausländern und mit der Knute Bürgergeld freiwillig, wenn er nur ansatzweise eine andere Option hat?
Die These der Freizeitgesellschaft dank Wertschöpfung ist jedenfalls längst überholt.
Das dabei Einwanderer vorheriger Generationen gegen die "Neuen" angehen, ist auch kein ungewöhnliches Verhalten, weil diese scheinbar den gerade erreichten Status der Vorgänger gefährden - dasselbe Prinzip wie die Armen im eigenen Land diese als Konkurrenz sehen.
Vgl. hierzu auch Malcolm X (Parentales Advisorium: N-Wörter voraus!).
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