Dienstag, 15. Oktober 2024

Vermischtes und Zeugs (XCIII)


Jetzt soll im Rahmen eines großen Sparprogramms bei den Öffentlich-rechtlichen der Sender 3sat hinten runterfallen, so ist zu hören. Während man bei ARTE früh begriffen hat, dass Kultur nichts Elitäres ist und Kultur und Zugänglichkeit (und sogar Spaß!) sich keineswegs ausschließen müssen, kommt 3sat mir, so ich denn mal reinschaue, meist vor wie verfilmtes FAZ-Feuilleton der Neunziger, Fernsehen für Klischeestudienräte Deutsch (Sek. II) in ellenbogenverstärkten Tweedjackets, die stets betonen, den Fernseher nur zum Nachrichten- und 'Kulturzeit'-Gucken zu nutzen. Ein letztes Refugium des klassischen Bildungsbürgertums mit Regalen voller Suhrkamp-Bände.

Ehrlich gesagt bin auch ich als unerschütterlicher ÖRR-Fanboy noch unschlüssig, ob der Verlust mich schmerzen würde oder nicht. Die jährlichen Übertragungen von den Bayreuther und Salzburger Festspielen täte ich schon ein bisschen vermissen. Ebenso wie die Satiresendungen. Und wer berichtet sonst noch live vom Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Gedächtniswettlesen? Aber dafür einen eigenen linearen Fernsehsender?

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Apropos Suhrkamp: Der Verlag hat die Chroniken von Siegfried Unseld für alle kostenlos als PDF ins Netz gestellt.

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Um den endgültigen Untergang Deutschlands komplett zu machen, vermutlich auf Befehl der Ampel, erlaubt der Rat für deutsche Rechtschreibung jetzt auch noch den Genitiv mit Apostroph ('Deppenapostroph') in Eigennamen. Fun fact: der S-Genitiv mit Apostroph war auch bislang keineswegs streng verboten, wie Sprachreinhalter immer wieder behaupten: Der war bereits jetzt in Ausnahmefällen erlaubt, wenn er in Eigennamen zur Klarheit beigetragen hat. Schon in der Fassung des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung von 2006 heißt es:

"Von dem Apostroph als Auslassungszeichen zu unterscheiden ist der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder vor dem Adjektivsuffix -sch: Carlo's Taverne, Einstein'sche Relativitätstheorie." (Danke.)

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Zu den unbestreitbaren Vorzügen, ein Kind des Ruhrgebiets zu sein gehört es, dass man das, was anderen noch bevorsteht, im Wesentlichen schon hinter sich hat: Den kompletten Verlust einer einst mächtigen Industrie, Wegfall von vielen tausend Jobs, Arbeit fürderhin überwiegend in prekären, schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs. Strukturwandel, Industrieruinen.

Die einst weltweit führende deutsche Pharmaindustrie ist bereits weitgehend abgehängt und die meisten Medis werden in China produziert. Oder glaubt jemand, Bayer wäre diesen Wahnsinnsdeal mit Monsanto eingegangen, weil sich mit Pillendrehen so tolle Geschäfte machen lassen? Mit der Autoindustrie wird es weitergehen. Volkswagen wird nur der Anfang sein. Schauen Sie sich mal die Autotests bei SPON an. Mehr als die Hälfte der getesteten Modelle sind mittlerweile günstige chinesische E-Autos. Wenn nicht mehr. Man kann nicht einen großen Teil seiner Gewinne mit Fabriken in China und im Inland mit fetten steuersubventionierten Firmenschubsen machen, sich gegen jede Änderung stemmen und erwarten, dass das ewig gutgeht.

Weitergehen wird das mit der fossilen Energiebranche. Längst haben die USA und China angesetzt, bei erneuerbaren Energien, die hierzulande nicht wenige immer noch für ein Hirngespinst dekadenter linksgrüner Elfenbeinturmbewohner und Wärmepumpennazis halten, an uns Europäern und Deutschen vorbeizurauschen. Und wenn es auch da irgendwann zappenduster werden wird (übrigens auch mit freundlicher Unterstützung von Gewerkschaften - wegen Arbeitsplätzen), werden sie wieder den Grünen die Schuld geben und über die tote Katze jammern, die sie selbst erwürgt haben. 

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"Jeder Depp kann bei Identitätsfragen mitreden. Im Gegensatz zu Sachfragen braucht man dafür überhaupt keine Kompetenz." (Armin Nassehi)

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Ein weiterer Aspekt der Privatisierungswellen der letzten Jahrzehnte: Die bescheidene Heimatstadt leistet sich als eine der letzten in der Gegend zwei Frei- und Hallenbäder in öffentlicher Trägerschaft. Die Freibäder sind momentan saisonbedingt geschlossen, das eine Hallenbad ist immer noch im Umbau, das andere hat werktags nur bis 15:00 Uhr sowie am Wochenende geöffnet. Im Winter kann der berufstätige Schwimmer demnach nur am Samstag und am Sonntag seinem Hobby nachgehen. Aber auch das nicht immer. Alle Naselang ist das Bad nämlich am Wochenende für die Öffentlichkeit geschlossen wegen Schwimmturnieren. Zumal dieses Hallenbad in zirka 30 Kilometern Umkreis das einzige, in dem so etwas überhaupt noch möglich ist. Denn in allen umliegenden Städten gibt es nur mehr privatwirtschaftlich betriebene Spaß- und Freizeitbäder mit Spa- und Wellnesswelten. Die gehören zwar zum Teil auch den jeweiligen Stadtwerken, werden aber als GmbHs betriebswirtschaftlich und gewinnorientiert geführt. Mal eben ein Wochenende dichtmachen zwecks Breitensport und Vereinswesen? No way.

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Eines noch, Lifestyle-Journaille: Würdet ihr bitte endlich damit aufhören, 'Omas Küche' als großes Vorbild in Sachen Clean eating abzufeiern? Die Kochkünste meiner seligen Oma beschränkten sich, abgesehen von Milchreis, den sie wirklich großartig machte, auf reines Bauchvollkriegen. Gegen ihre stundenlang mausetot geköchelten Eintöpfe ist jedes Essen bei Mäckes eine wahre Vitaminspritze. Und die Großeltern der heute Dreißigjährigen sind bereits mit Dosenravioli, Fischstäbchen und Mirácoli großgeworden, stapelten mit Begeisterung Konserven, waren dankbar für jeden Industriekram, der die einst harte Küchenarbeit erleichterte, und heilfroh, nicht mehr tagelang Obst und Gemüse selbst einmachen zu müssen, sondern das ganz bequem im Supermarkt kaufen zu können.








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