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Freitag, 15. Februar 2019

Schmähkritik des Tages (25)


Heute: Jürgen Roth über Frankfurt und die Herrschaft der Asozialcharaktere

"Neulich bin ich durch die sogenannte neue Frankfurter Altstadt spaziert. Man muss es diesem vom feixenden Weltgeist ersonnenen Deppenort lassen: Eine derart verlogen historistische, lächerliche architektonische Aufführung, die zudem all jene Knete verschlungen hat, die für sozialen Wohnungsbau angeblich nicht zur Verfügung steht, bringt nicht mal das dummheitsgestählte Berlin mit seinem Halunkenschloss zuwege. Kein Zweifel: Der von der EU verliehene Spezialpreis 'Europäischer Stadtidiot des Jahrtausends' wird Frankfurt nimmer abzuknöpfen sein.

Sonntag, 6. Januar 2019

Schmähkritik des Tages (24)


Heute: Christian Baron über moderne Erwerbsarbeit

"Früher musste man die Menschen in die Fabriken hineinknüppeln. Heute muss man sie aus den Betrieben und Büros herausprügeln. So sehr haben sie ihre abhängige Erwerbsarbeit als sinnstiftend, unabdingbar und naturnotwendig akzeptiert. Viele Umfragen zeigen: Selbst wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, würden die meisten einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen. Vordergründig ist also kein Zwang mehr notwendig, damit die Leute große Teile ihrer Lebenszeit einem Unternehmen übereignen.

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Schmähkritik des Tages (23)


Passend zu Halloween: Anja Rützel über ein Konzert des 'Volks-Rock‘n-Rollers' Andreas Gabalier in Berlin

"Wenn man mit Andreas Gabaliers Werk nur so weit vertraut ist, wie es sich eben nicht vermeiden lässt, wenn man gelegentlich durch das Samstagabendfernsehprogramm zappt, staunt man an diesem Abend, wie einfach das Einfache dann tatsächlich ist. Ein Refrain über das Daheim-Gefühl geht dann auch schonmal so: »Des is dahoam, des is dahoam / Ja, do nur do bin I dahoam.« Selbst die Kollateralschäden eines ländlichen Lebens nimmt man da gern in Kauf: In »Kleine heile steile Welt« singt Gabalier nonchalant vom »Holzscheitelknien«, einer, nun ja, traditionellen Art, Kinder zu bestrafen, indem man sie lange auf Holzstücke mit harten Kanten knien lässt. Gehört halt dazu, so wie Fummeleien auf dem Heuboden und das Kreuz an der Wand.

Freitag, 21. September 2018

Schmähkritik des Tages (22)


Heute: Micky Beisenherz über die Personalie Maaßen

"Annette Schavan und Karl Theo Guttenberg wiegen gerade in Embryonalstellung unter der Dusche, während Christian Wulff traurig seine Kreise auf dem Bobbycar in der Einfahrt dreht. Binnen weniger Stunden ist »Maaßen« vom Substantiv zum Verb mutiert:

Maaßen- größtmögliche Karriereschritte machen bei erwiesener Inkompetenz.

Samstag, 18. August 2018

Schmähkritik des Tages (21)


Heute: Bettina Weber über die Wellnessindustrie

"Das Gespräch kommt unweigerlich darauf, an jeder Party, an jedem Apéro. Man erwähnt so ganz nebenbei, müde zu sein oder gerade eine Migräne hinter sich zu haben, und schon legt das Gegenüber den Kopf schräg und sagt: »Dein Säure-Basen-Haushalt ist total aus dem Gleichgewicht.« Meist sind es Frauen, die einem ungefragt eine Diagnose stellen und gleich noch das Behandlungskonzept mitliefern, zum Beispiel, eine Detox-Kur zu machen. Oder Yoga.

Es sind nie Ärztinnen, die einen da ungewollt beraten. Aber sie wissen trotzdem Bescheid in Sachen Gesundheit. Weil die Gesundheit zum liebsten Hobby und zur grössten Obsession des modernen Menschen geworden ist. Obschon er noch nie so gesund und die medizinische Versorgung noch nie so hervorragend war wie heute, fühlt er sich dauernd krank. Latent ­leidend. Einfach nicht richtig gut. Die Lösung heisst: Wellness.

Donnerstag, 26. Juli 2018

Schmähkritik des Tages (20)


Heute: Vincent Klink über Sternegastronomie in Deutschland und Harald Martenstein.

"Man darf Deutschland nicht mit Paris vergleichen und glauben was die Franzmänner können könne der Teutone auch. Deutsche Köche können das wohl, aber der Bürger hierzulande gibt für ein Menü kaum 300 Euro aus, und die braucht es, um ohne Hotel oder Sponsor im Rücken mit der Zwei- Drei-Sterneküche nicht zu verhungern.

Dienstag, 26. Juni 2018

Schmähkritik des Tages (19)


Heute: Ilja Behnisch über den Island-Hype bei der WM

"Es ist schick, die Wikinger aus dem Huh super zu finden. Seit der Europameisterschaft vor zwei Jahren hält die Island-Euphorie nun schon an. Die tollen Nordlichter zeigen es den großen Nationen aber eben auch mal so richtig. Ein Land mit der Einwohnerzahl Bielefelds. Und dabei sind sie noch so freundlich. Und der Trainer ist doch Zahnarzt. Und sie haben ein Feen-Ministerium. Und überhaupt sind ja 20 Prozent aller Isländer in Russland bei der WM. Lauter großartige, ganz unbedingt sympathische Geschichten aus der Fußball-Diaspora.



Dienstag, 12. Juni 2018

Schmähkritik des Tages (18)


Heute: Anthony Bourdain über Henry Kissinger

"Once you’ve been to Cambodia, you’ll never stop wanting to beat Henry Kissinger to death with your bare hands. You will never again be able to open a newspaper and read about that treacherous, prevaricating, murderous scumbag sitting down for a nice chat with Charlie Rose or attending some black-tie affair for a new glossy magazine without choking. Witness what Henry did in Cambodia* - the fruits of his genius for statesmanship - and you will never understand why he’s not sitting in the dock at The Hague next to Milošević." (Anthony Bourdain, 2001, zit. in: slate.com, 8.6.2018)

Sonntag, 15. April 2018

Schmähkritik des Tages (17)


Heute: Georg Diez über die Echo-Verleihung und Teile der CSU

"Die bürgerliche Mitte also, darüber habe ich vergangene Woche geschrieben, die sich dem rechten oder rechtsextremen Denken anbiedert - verbunden mit einer generellen Apathie und Wurstigkeit einer Öffentlichkeit, die bestimmte Dinge einfach hinzunehmen scheint. […] Wie kann es also sein, dass ein Rapper mit einem scheinbar wichtigen Musikpreis ausgezeichnet wird, der in einem seiner Songs davon berichtet, sein Körper sei »definierter als von Auschwitz-Insassen«? Sinnvollerweise fand die Preisverleihung auch noch am 12. April statt, dem Tag des »Marsch der Lebenden«, mit dem Juden in der ganzen Welt an den Holocaust erinnern. [...]

Samstag, 17. März 2018

Schmähkritik des Tages (16)


Heute: Jens-Christian Rabe über das neue Albung der Band Frei.Wild

"Ja, es ist wieder einmal so weit: Es gibt mit »Rivalen und Rebellen« [...] ein neues, zwölftes Album der Südtiroler Dampfstrahl-Punkrock-Band Frei.Wild, die gerne mit allerlei Völkisch-chauvinistisch-nationalistischem herumzündelt, aber dann noch nicht rechts sein will, sondern einfach dagegen. Also gegen den Mainstream und seine »Systemmarionetten«, die die Band und ihre Anhänger angeblich nicht so sein lassen wollen, wie sie am Ende aber doch sind. Das hässliche Hölzchen, über das die Freunde und Feinde diesmal springen dürfen, heißt »Geartete Künste hatten wir schon« und ist der Soundtrack zur Metapolitik der Neuen Rechten, bei der es im Kern ja nie um die Sachen selbst geht, sondern immer nur darum, dass alle anderen ewig »im Gleichstrom« schwimmen und die »wahren Rebellen« nur sie selbst seien. Musik zur Zeit in ihrer gruseligsten Form, die in den deutschen Mainstream-Pop-Charts ganz weit oben landen wird, sehr wahrscheinlich sogar auf dem ersten Platz, wie seit 2012 allein drei der vier letzten Alben der Band." (Süddeutsche Zeitung, 16.3.2018)

Samstag, 17. Februar 2018

Schmähkritik des Tages (15)


Heute: Jennifer Nathalie Pyka über Dresdner Gedenken

"Die Dresdner verfügen über eine einzigartige Begabung, sobald es darum geht, sich selbst zum unschuldigen Opfer der Geschichte zu befördern. Einer Geschichte, die laut sächsischer Überlieferung natürlich erst in diesem Februar 1945 losging – also zu dem Zeitpunkt, als auch die Dresdner selbst den bis dahin schon sechs Jahre andauernden Krieg zu spüren bekamen. Von da an mauserten sich die Elbflorenz-Bewohner zu Experten für angewandte Kritik einer auf die Zivilbevölkerung ausgerichteten Kriegsstrategie. Als die deutsche Luftwaffe ihre Bomben etwa über Warschau und Coventry abwarf, waren die Dresdner dahingehend bedauerlicherweise noch nicht so weit. Einige von ihnen sind es bis heute nicht. Insofern ist es nur konsequent, dass daneben auch der deutsche Vernichtungsfeldzug im Osten sowie die Gaskammern ihren Platz im örtlichen Geschichtsbuch räumen müssen. An ihre Stelle tritt die vom Bombenkrieg betroffene Oma, die exklusiv und ausschließlich als Bombenopfer betrachtet wird. Dass Oma nicht nur Opfer der britischen Luftangriffe, sondern womöglich auch eine glühende Nationalsozialistin war; dass beides eventuell sogar in Zusammenhang zueinander steht – wenngleich die Bomben keinen Unterschied zwischen Tätern, Mitläufern, Unschuldigen und Verfolgten machten –, gilt von Dresden aus betrachtet nicht selten als pure Ketzerei. An der Elbe hat man es lieber bekömmlich." (Salonkolumnisten, 13.02.2018)

Mittwoch, 17. Januar 2018

Schmähkritik des Tages (14)


Heute: Robert Pfaller über Freiheit, vermeintlich linke Identitätspolitik und die Folgen

"Den Begriff »Freiheit« wenden viele derzeit fälschlicherweise auf ihr privates Leben an. Sie meinen mit »Freiheit«, dass sie ihren Launen, Identitäten, Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten freien Lauf lassen dürfen. Freiheit ist aber genau das Gegenteil davon: Sie ist unsere Fähigkeit, diese »pathologischen« Neigungen, wie Immanuel Kant sagt, und Marotten hinter uns zu lassen. Erst dann werden wir zu etwas Allgemeinem, zu politischen Bürgern. Nur in dieser Eigenschaft können wir uns auch dauerhaft mit anderen solidarisieren: Denn wir können nicht mit den Befindlichkeiten der anderen solidarisch sein, sondern nur mit deren Fähigkeit, sie hinter sich zu lassen. […] Eine staatliche und mediale Pädagogik aber, die uns ständig als unmündige, empfindliche, verletzliche und kränkbare Wesen hinstellt, arbeitet am Gegenteil. Sie tut so, als ob die Befindlichkeiten der Menschen das Beste an ihnen wären, und fragt sie ständig: »Stört dich da nicht etwas? Sollen wir den anderen - und dir - vielleicht noch etwas verbieten?« Auf diese Weise macht die Politik, unterstützt von bestimmten Medien, aus den Menschen furchtsame, feige, gehorsame, traurige und neidische Wesen, die das Glück des anderen immer nur als Nachteil erleben können und für autoritäre Politik anfällig sind." (Der Standard, 14.07.2013)

Dienstag, 5. Dezember 2017

Schmähkritik des Tages (13)


Heute: Vincent Klink über den Zustand der Gastronomie

"Siebzig Prozent der Gastronomie-Azubis halten die Lehre nicht durch. Die Ausbildungszeit gilt als hart. Sie wird aber meist so empfunden, weil größtenteils langweiliger Mist gekocht wird. Meiner Ansicht nach sind die Gründe nicht bei einer schlaffen Jugend zu suchen, sondern es liegt an den schlechten Betrieben, welche in Deutschland die absolute Mehrheit einnehmen. Gräbt man noch tiefer, schlägt man aber beim Verbraucher auf, dem es nicht billig genug sein kann, der seinen Bauch als Mülldeponie akzeptiert und der sich nicht um gastronomische Mitarbeiter und um Lebensmittelqualität schert.

Dienstag, 14. November 2017

Schmähkritik des Tages (12)


Heute: Heinz-Josef Bontrup über die absehbaren Folgen einer 'Jamaika'-Koalition

"Was soll im Ergebnis herauskommen, wenn sich vier neoliberale Parteien beziehungsweise ihr sogenanntes Spitzenpersonal auf eine Koalition verständigen? Die Prognose ist leicht: In vier Jahren wird es in Deutschland noch mehr Arme, Arbeitslose und prekär Beschäftigte geben. Der Umwelt wird es nicht besser gehen. Die Energie- und Klimaziele werden verfehlt werden. Die Altersarmut größer und die Vermögenden noch reicher sein. Die extreme Rechte wird weiteren Zulauf bekommen und am Verfall der EU wird die deutsche Jamaika-Regierung mit ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik kräftig mitgemischt haben. Am Ende bleibt 2021 nur gesellschaftlicher Jamaika-Frust. […]" (Heinz-Josef Bontrup in: Frankfurter Rundschau vom 13.11.2017)

Samstag, 2. September 2017

Schmähkritik des Tages (11)


Heute: Michael Herl über das Marketing von Firmen wie Wiesenhof und Rügenwalder

"Nun plötzlich kräht es abermals laut aus dem Norden der Republik: Wir machen nun bio! Ich frage mich halt immer wieder bei solchen Kehrwenden, nicht nur bei Rügenwälder und Wiesenhof: Wenn nun das Biozeug der absolute Clou Eurer Klitschen ist, was ist denn dann mit dem aus normalem Fleisch? Ist das schlechter? Sollen wir das dann nicht mehr kaufen? Und wenn Ihr plötzlich so von Bioprodukten überzeugt seid, warum nehmt ihr dann alle anderen nicht aus dem Sortiment? Das wäre doch konsequent, oder? Oder wirft Konsequenz nicht genug ab?

Mittwoch, 19. Juli 2017

Schmähkritik des Tages (10)


Heute: Lucy Fricke über ihre Demisexualität und das gegenwärtige Dating-Treiben

"Wer demisexuell ist, fühlt sich nur zu Menschen sexuell hingezogen, zu denen er eine starke emotionale Bindung aufgebaut hat. In Videos bieten Menschen ihre Hilfe an, sollte man ebenfalls von Demisexualität betroffen sein, in Foren kann man sich darüber austauschen. […] In einem Blog schreibt einer, dass er darüber mit niemandem sprechen wird, erst recht nicht mit seinen Eltern. Ja, sind denn alle verrückt geworden? Gestern noch eine Romantikerin, heute schon demisexuell. Bei mir fehlt nur noch der Griff zum Wegwerfen. […]

Das muss man sich mal vorstellen! Es gibt Menschen, die nur mit anderen Menschen ins Bett gehen wollen, die sie wirklich mögen. Menschen, die sie klug und witzig finden, denen sie sich nah fühlen, denen sie vertrauen, in die sie womöglich sogar verliebt sind. Nein, darüber kann man nicht mit seinen Eltern reden, das sollte man öffentlich auch besser nie zugeben. [...]

Freitag, 30. Juni 2017

Schmähkritik des Tages (9)


Heute: Ulli Hannemann über Superfoods und Clean Eating

"Hinter dem Begriff Superfood können sich Exoten wie Açai-Beere, Curcuma und Quinoa verbergen oder einheimische Gewächse wie Sellerie, Weizengras und Heidelbeeren. Der neueste Hype sind Hanfsamen. Praktisch kein Artikel über Hanf als Superfood kommt ohne 'aber jetzt nicht das zum Rauchen …'-nein-wie-frech-omg-lol-Gekicher aus. Noch deprimierender als alte Spießer sind wohl nur junge Spießer.

Superfood enthält meist mehrere und hochdosierte Nähr-, Wirk- und/oder Vitalstoffe: Vitamine, Proteine, Mineralien, Antioxidantien. Von Superfood – so geht die Mär der Verkäufer und die müssen es schließlich wissen –, nimmt man ab, wird gesund oder gar nicht erst krank, altert langsamer oder gar nicht. […] Das körperliche und geistige Allgemeinbefinden steigt ins Unermessliche. Schönheit, Glück, Erfolg und fetter Hammersex runden dieses Paradies auf Erden ab. […]

Mittwoch, 31. Mai 2017

Schmähkritik des Tages (8)


Heute: Christian Schachinger über das neue Album der Nationalkünstlerin Helene Fischer

"Ein wenig klingt die Musik Helene Fischers zielgruppengerecht für Leute gemacht, die in ihrer Freizeit gern das Auto waschen, Staub saugen, ihren Kindern den Mund mit Spucke und Taschentuch sauber machen und überhaupt nach dem Sex (oder heißt es Ehehygiene?) gleich einmal duschen rennen, weil ... oh, mein Gott, ich fühle mich irgendwie total schmutzig! […] Für Helenes bisher 'persönlichstes Album' wurde zur Sicherheit ein Komponisten- und Plattitüdentexter-Team aufgefahren, das gerade noch in einen Reisebus passt. Auch stilistisch ist hier in der Verschränkung alles enthalten: Party-Schlager, Firmenfeier-Dancefloor, Song-Contest-Durchhalteballade, Goldene-Hochzeits-Techno, Reihenhaus-Rock – sowie lyrisches Bullshit-Bingo mit ich und du, Herz und Schmerz, frei sein und fliegen, die Sonne anzünden, der Weg war immer unser Ziel – und so weiter und so abgedroschen." (Christian Schachinger in: Der Standard, 19.05.2017)

Freitag, 12. Mai 2017

Schmähkritik des Tages (7)


Heute: SZ-Redakteur Max Scharnigg über seine Heimatstadt München

"München ist eine Theaterkulisse auf den Schultern von sechs DAX-Konzernen. Die Schleuser hierher nennen sich Headhunter. Sie haben eine Karriere- und Schlafstadt geschaffen, in die unentwegt Menschen kommen, um Geld zu verdienen und am Wochenende wandern zu gehen. Mit dem Geld kaufen sie sich erst eine Portion Stadtstolz, dann eine bayerische Tracht, dann eines der Autos von hier und dann eine Wohnung und daneben ist eigentlich keine Zeit für irgendwas anders, höchstens mit dem Hund in den Park, weil was anderes kannst du in den Münchner Parks auch nicht machen. […]

Samstag, 4. März 2017

Schmähkritik des Tages (6)


Heute: Arland von Kittlitz über die Weltretter aus dem Silicon Valley

"Wie zur Hölle, frage ich mich [...], kommt es, dass die Menschen aus dem Valley so unheimlich selbstvernarrt und siegesgewiss dermaßen riesige Behauptungen aussprechen? [...] Inwiefern haben jüngere Stars des Valley, der Taxidienst Uber zum Beispiel oder das soziale Netzwerk Instagram, die Welt verbessert? Wenn ich jetzt anfangen würde, im Internet Würmer für Angler zu verticken, sodass ein paar alte Lädchen dichtmachen müssten, dürfte ich im Valley wahrscheinlich auch behaupten, ich hätte die Welt verbessert. Überall sonst würde man mich auslachen.
In Wahrheit ist es doch so: Die 'Weltverbesserung' des Valley beschränkt sich zumeist auf das Auffinden und Bearbeiten banaler Probleme. Die billigste Mikrowelle, sagt mir Google, gibt es bei resterampe.de; und dem Restaurant, das ich neulich so blöd fand, dem gebe ich dank Googles toller Bewertungsfunktion jetzt mal bloß einen Stern, weil voll langsamer Service, die Schweine! Aber die Probleme, deren Lösung tatsächlich die Welt verändern würde: das Problem sozialer Ungerechtigkeit zum Beispiel oder die Erwärmung des Humboldt-Stroms, die wirklich großen Probleme also werden vom Valley nicht bearbeitet.
Wie kann es sein, dass niemand dem Valley und seiner Aufgeblasenheit widerspricht? Wieso ist der Diskurs dermaßen devot?" (in DIE ZEIT, 05/2017)