Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Dienstag, 12. Juni 2018
Schmähkritik des Tages (18)
Heute: Anthony Bourdain über Henry Kissinger
"Once you’ve been to Cambodia, you’ll never stop wanting to beat Henry Kissinger to death with your bare hands. You will never again be able to open a newspaper and read about that treacherous, prevaricating, murderous scumbag sitting down for a nice chat with Charlie Rose or attending some black-tie affair for a new glossy magazine without choking. Witness what Henry did in Cambodia* - the fruits of his genius for statesmanship - and you will never understand why he’s not sitting in the dock at The Hague next to Milošević." (Anthony Bourdain, 2001, zit. in: slate.com, 8.6.2018)
Noch vor kurzem äußerte er sich zu dieser Bemerkung wie folgt:
"Frequently, I’ve come to regret things I’ve said. This, from 2001, is not one of those times."
Natürlich kann ich's nicht wirklich beurteilen, gehe aber davon aus, dass Anthony Bourdain (1956-2018) schon ein hervorragender Koch war. Wenngleich er weniger für seine Kochkünste berühmt geworden ist. Kein Intellektueller, aber hoch intelligent, bereiste er die ganze Welt, tauchte in die lokale Esskultur ein und verkörperte dabei jene amerikanische Lebensart, die mehreren Generationen, darunter meiner, als cool und nachahmenswert galt. Unvoreingenommen, offen, locker, witzig, ohne jeden falschen Respekt vor Autoritäten, neugierig und einem oder mehreren Drinks nie abgeneigt. Dass seine Authentizität nicht antrainiert war, mag daran liegen, dass er als ehemaliger Heroinsüchtiger wohl tiefer in die Abgründe des Lebens geschaut hat als viele andere. Dass dieser Mann an schweren Depressionen litt, mag jenen, die immer noch glauben, Depressionen hätten etwas mit Anstellerei oder Schwäche zu tun, als Gegenbeispiel dienen. Wiewohl es für Europäer schwer zu beurteilen ist, wie gewichtig Bourdains Rolle in der amerikanischen Öffentlichkeit war (in Europa war er eher einem Nischenpublikum bekannt), liefert Adrian Daubs Nachruf eine mögliche Erklärung, wieso sein Freitod solche Wellen schlägt:
"Bourdain war Vertreter eines Kosmopolitismus, der weltweit in die Defensive geraten ist. Neugier und Weltoffenheit, Begeisterung für andere Kulturen stehen heute unter Verdacht, elitär zu sein, uneigentlich, hipsterhaft. Bourdain - auch darin war er der Antipode Donald Trumps _ wusste, dass Ignoranz, Geschmacklosigkeit und fehlende Neugier nie zu Tugenden umgedeutet werden dürfen. Ein Präsident, der sich mit einer Taco-Bowl ablichten lässt*, um zu beweisen, dass er nichts gegen Mexikaner habe, zeigt, wie miserables Essen und Boshaftigkeit miteinander einhergehen können. Bourdain zeigte dagegen, dass man sich nicht mit schlecht oder lieblos gemachtem Essen zufriedengeben durfte." (ZEIT Magazin, 9.6.2018)
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*Links nachträglich von mir eingefügt.
4 Kommentare :
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Kommentare zum Post
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Ich versuche zu verstehen, wen du qua Überschrift schmähst: Bourdain? Oder Kissinger?
AntwortenLöschenDas Prinzip 'Schmähkritik' funktioniert so: Finde ich eine besonders gekonnt/pointiert/ätzend formulierte Kritik über eine Person/eine Sache/ein sonstiges Phänomen, zitiere ich die hier in loser Folge. Anlässlich des heutigen 95. Geburtstages des als außenpolitische Kapazität geltenden Herrn Kissinger habe ich dieses Zitat des leider jüngst aus dem Leben gegangenen Anthony Bourdain (Sekundäranlass) aufgetan.
AntwortenLöschenGut!
Löschen... Guter Punkt. Herr Rose denkt gerne um die Ecke und fast immer gelingt es den / die LeserInenn dabei mitzunehmen. Diesmal war er zu fix davon geeilt und wir haben ihn aus dem Blick verloren ...
AntwortenLöschenGruß
Jens