Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Donnerstag, 30. November 2017
Das Böse auf unseren Feldern
Von Zeit zu Zeit, wenn alle sich total einig sind und es ganz irre kuschelig wird und alles im Prinzip gaaanz einfach ist, finde ich das suspekt und bin dagegen. Dass ich damit mitunter Leute vor den Kopf stoße, ist mir bewusst, nehme ich aber in Kauf. Keine Ahnung, ob's bloß sehr spätjuvenile Lust am Abweichlertum ist. Zwar habe auch ich meine Roten Linien, meine aber, dass simples Schwarzweißdenken der Aufklärung niemals dienlich ist und alle gegen einen niemanden weiterbringt, egal wo. Und dann muss es auch mal stauben. Ich halte das aus. Das war damals bei Böhmermann so, das war kürzlich in der Causa Jebsen der Fall. Wenn Menschen einem nichtssagenden Modepüppchen, das einen schlimmen Song aufgenommen hat, deswegen Mord und sexuelle Gewalt androhen, vermag ich auf der Stelle zum glühenden Fan der Dame zu mutieren. Aus Prinzip. Es muss schon gegen eine Arschgeige von hohen Graden gehen, wenn ich einen Shitstorm begrüße.
Dienstag, 28. November 2017
Bald ist Weihnachten
Und da galt es früher immer, an die eingemauerten Brüder und Schwestern in der Sowjetzone zu denken. Betraf mich mangels Verwandten drüben jetzt nicht so. Weil es aber die Zeit war, in der schon Anführungszeichen ein politisches Statement sein konnten, bekam ich sehr wohl mit, dass die konservative Hälfte der Erwachsenen einen andauernd dazu bringen wollte, in der Vorweihnachtszeit Kerzen ins Fenster zu stellen. Oder Pakete zu verschicken.
Sonntag, 26. November 2017
Asozialticket in schwarzgelb
25,77 Euro pro Monat sind 2017 im Hartz-IV-Regelsatz von (noch) 409 Euro für Verkehr vorgesehen. Also für Mobilität, nicht für Verhütung. 37,80 Euro kostet momentan im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr das Sozialticket im Monat. Damit kann man im ganzen Stadtgebiet bzw. Kreisgebiet einen Monat lang fahren. Noch. Denn die CDU-/FDP-geführte Landesregierung will das Ticket in Nordrhein-Westfalen ab 2018 abschaffen. Die geschätzten 40 Millionen Euro, die man sich dadurch einzusparen erhofft, sollen in den Straßenbau fließen. Soso. Aha. Ein Kilometer Autobahn kostet zwischen sechs und 20 Millionen Euro. 40 Millionen will man einsparen, indem man das Sozialticket streicht. Davon kann man, so die obigen Zahlen korrekt sind, also zwischen zwei und sechs Kilometer Autobahn bauen bzw. instand halten. Wer schon einmal per Auto in NRW unterwegs war, der weiß: Wenn das die Verkehrssituation im Lande nicht schlagartig verbessern wird, dann hilft gar nix mehr.
Mittwoch, 22. November 2017
Kopflos, Weimar, Bullerbü
Man wird zweifellos alt. So hätte ich noch vor Tagen niemals gedacht, dass ich für Christian Lindner und die FDP mal so etwas wie Dankbarkeit empfinden würde. Ja, richtig gelesen. Lindner. FDP. Dankbar. Ich. Weil sie uns allen einen großen Dienst erwiesen haben, indem sie das Jamaika-Tauziehen einseitig gecancelt haben. Und dafür sogar in Kauf nehmen, zeitweise den traditionell der SPD vorbehaltenen Ehrentitel der Vaterlandslosen GesellenTM angepatzt zu kriegen. Denn wer sich weigere, eine Regierung zu bilden, so wird nunmehr im hohen Tone moralischer Empörung verfügt, der versündige sich am Gemeinwohl. Putzig, wenn welche, die sich kaum jemals etwas anderem als dem Eigennutz verpflichtet gesehen haben (ob nun dem eigenen oder demjenigen interessierter Kreise bzw. Peergroups), plötzlich das Gemeinwohl wiederentdecken.
Sonntag, 19. November 2017
Babylon Berlin
Da wurde, wie es heißt, auf Intervention des Berliner Kultursenators Klaus Lederer (Linke) die Verleihung des 'Karlspreises' (nicht zu verwechseln mit dem Aachener) an Ken Jebsen abgesagt, die im Berliner Kino 'Babylon' stattfinden sollte, und Teile des Netzes wähnen sich endgültig im Vierten Reich angekommen. Jetzt ginge es endgültig los, barmen sie in voller Ausübung ihrer Redefreiheit, Staatszensur, kein Zweifel, die Redefreiheit werde nunmehr endgültig abgeschafft.
Ist natürlich, wie so oft, hysterischer Quatsch. Die Ironie ist doch, dass nirgends der drohende Verlust von Meinungs- und Redefreiheit heftiger bejammert wird als dort, wo sie am hemmungs- und schrankenlosesten praktiziert wird. Jebsen darf weiterhin seine Webseite betreiben und sich öffentlich äußern, ohne dass ihm das jemand verbieten würde oder könnte. Nur gibt es kein Menschenrecht darauf, dass einem immer und überall ein Forum dafür geboten wird. Das Kino 'Babylon', in dem das Event steigen sollte, kassiert Fördermittel aus Steuern und muss es daher hinnehmen, dass die Politik sich beizeiten einschaltet, so vertraglich nicht anders geregelt. Wer damit ein Problem hat, muss sich nach einer anderen Location umsehen. Überdies scheint Lederer im Rahmen seiner Kompetenzen gehandelt zu haben, sollte das nicht der Fall gewesen sein, dann besteht die Möglichkeit, gerichtlich dagegen vorzugehen. Es wäre nicht der erste Prozess, den ein Bundesland verlöre und würde nicht der letzte bleiben.
Freitag, 17. November 2017
Tesla-Terror
Obwohl zeitweiser Autofahrer, hasse ich die Gurkerei meistens. Sicher, in einem netten Spaßwagen, vielleicht einem offenen Roadster, bei entsprechendem Wetter, die passende Musik dazu, über kurvige münsterländische Land- oder gebirgige Bergstraßen zu gondeln, dem könnte ich schon was abgewinnen. Die tagtägliche Karrerei aber, die vor allem darin besteht, sich über verstopfte Straßen quälen und die automobile Inkompetenz sowie das fehlende Sozialverhalten von geschätzt 30 Prozent imbeziler Mitverkehrsteilnehmer ertragen zu müssen, ist nichts weniger als nervig. Warum tue ich mir das noch an? Nun, weil ich manchmal doch ein Auto brauche, das Fahrrad nicht alle Probleme löst, Car Sharing in meiner Gegend nicht nennenswert vertreten ist und man sich als nicht allzu dolle Verdienender zwischen Dauerkarte für Öffis und Auto entscheiden muss. Leider.
Dienstag, 14. November 2017
Schmähkritik des Tages (12)
Heute: Heinz-Josef Bontrup über die absehbaren Folgen einer 'Jamaika'-Koalition
"Was soll im Ergebnis herauskommen, wenn sich vier neoliberale Parteien beziehungsweise ihr sogenanntes Spitzenpersonal auf eine Koalition verständigen? Die Prognose ist leicht: In vier Jahren wird es in Deutschland noch mehr Arme, Arbeitslose und prekär Beschäftigte geben. Der Umwelt wird es nicht besser gehen. Die Energie- und Klimaziele werden verfehlt werden. Die Altersarmut größer und die Vermögenden noch reicher sein. Die extreme Rechte wird weiteren Zulauf bekommen und am Verfall der EU wird die deutsche Jamaika-Regierung mit ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik kräftig mitgemischt haben. Am Ende bleibt 2021 nur gesellschaftlicher Jamaika-Frust. […]" (Heinz-Josef Bontrup in: Frankfurter Rundschau vom 13.11.2017)
Samstag, 11. November 2017
Ronny des Monats - November 2017
Kinners, ist der Monat schon wieder rum? Zeit für die Ronny-Verleihung. Und dieses Mal muss ich wirklich ein Kompliment aussprechen. Sind das bereits die ersten Auswirkungen des neuen Bundestages? So fleißig wie diesen Monat jedenfalls wurde sich selten beworben. Dadurch geraten die üblichen Ekligkeiten wie etwa rassistische Übergriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln (z.B. in Bottrop und Halle) etwas in den Hintergrund, sollen aber trotzdem erwähnt werden. Was gab es noch? Es sollen, wie das einzig wahre Nachrichtenmagazin meldet, immer mehr deutsche Rechte beim ukrainischen Freiwilligenbataillon 'Asov' anheuern, weil sie angeblich Europa vor dem Aussterben retten wollen. Brav. Endlich kann man ihnen sagen: "Dann geh' doch nach drüben, wenn's dir hier nicht gefällt!" und hat neben Polen und Ungarn noch eine weitere Anlaufstelle für sie.
Die Top 5 des Monats November:
Donnerstag, 9. November 2017
Lest we forget
Am 9. November 1938 versuchten SA-Trupps die Synagoge meiner Heimatstadt in Brand zu setzen, was aber misslang. Die angegliederte Schule, das Gemeindezentrum und andere jüdische Einrichtungen wurden vandalisiert und geplündert. Die Synagoge brannte nicht aus, wurde aber stark beschädigt. Die Reste wurden eingerissen, abgetragen, das Gelände wurde planiert und die Kosten der Jüdischen Gemeinde in Rechnung gestellt. Hilde Auerbach, Ehefrau von Rabbi Dr. Selig Auerbach und Überlebende, erinnerte sich 1986:
Mittwoch, 8. November 2017
Ressentiments vs. Logik
Das Abendland geht mal wieder unter. Berliner Polizeischüler mit Migrationshintergrund seien, den Aussagen von Lehrern und Ausbildern zufolge, in jüngster Zeit wiederholt durch respektloses und unangemessenes Verhalten aufgefallen. Ohne etwas dagegen ausrichten zu können, schwirren mir angesichts solcher Meldungen spontan zwei Fragen im Kopfe herum: Erstens, nach welchen Kriterien und mit welchen Verfahren angehende Berliner Ordnungshüter so ausgewählt werden. Zweitens, wie es um die Qualität der Ausbilder so bestellt ist. Kann und mag ich beides nicht beurteilen. Meine Phantasie und meine Berufserfahrung reichen aber schon für einiges, sowohl auf Seiten von Auszubildenden und Ausbildern.
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