Samstag, 9. Juni 2012

Vorschau und Tipp für heute abend


Die Teams: Deutschland

ZonalMarking, Nestor der Fußball-Blogger, hat sich festgelegt: Deutschland ist Top-Favorit auf den Titel. Das schmeichelt zwar und der Mann versteht eine Menge mehr vom Fußball als ich, aber trotzdem habe ich Bauchschmerzen. Grund: Die mehr als wacklige Verteidigung. Zwar ist Phillip Lahm immer noch ein herausragender linker Außenverteidiger, vielleicht einer der besten der Welt, aber in der Innenverteidigung rappelt es gewaltig. Der in der Bundesliga überragende Mats Hummels hat bislang enttäuscht und der erfahrene Mertesacker hat in letzter Zeit außer seiner Erfahrung nicht viel vorzuweisen gehabt. Überhaupt, die Dortmunder. Dass Löw mit ihrem Einsatz vorsichtig ist und lieber auf die Bayern setzt, ist verständlich, denn die BVB-Spieler haben bisher im Nationaltrikot nicht das gezeigt, was ihre Leistung in der Liga versprochen hat.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Scheißrotgold


Wenn man es nicht ins Stadion schafft, dann ist Fußball gucken per TV am schönsten in einem überschaubaren Kreis netter, nicht allzu fanatischer Menschen, von denen zumindest einige ein wenig Ahnung von und Liebe zu dem haben, was da auf dem Rasen abgeht. Fachsimpeln und Diskutieren gehören zum Fußball wie Bratwurst und Bier. Daher kann man das bei entsprechendem Wetter verbinden mit einer kleinen Grillparty, das eine oder andere Fässchen Gerstengebräus dazu. Auf keinen Fall jedoch: Fahnen, Schminke und andere lächerliche Devotionalien. Hymnengesinge mit aufstehen ist erst recht verpönt. Zu prägend ist die Erinnerung an die Siebziger, an die Breitners und Netzers, die während des Einigkeitundfreizeit-Songs vor den Augen der Welt demonstrativ Kaugummi kauten.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Wie versprochen: Eine Lobeshymne


Es gibt Anblicke, die fräsen sich förmlich ins Gedächtnis ein. "Die Weltpremiere! Und Tschüss auf Mallorca" - so drohte RTL einmal vor Jahren die Ausstrahlung einer viertklassigen Eigenproduktion an. Allzu inflationär werden abgeschmackte Jubelattribute verbraten a'la: "atemberaubend!", "brillant!", "Meisterwerk!", "Meilenstein!", "Sternstunde!" oder "bahnbrechend!". Im Fall der BBC-Serie Sherlock sind sie ausnahmsweise angemessen. Sherlock ist allerbestes Fernsehen auf der Höhe der Zeit und seinen Möglichkeiten. Die Abenteuer des soziopathischen Superdetektivs und seines getreuen Dr. Watson in die Gegenwart zu verlegen, ist eine radikale und großartige Idee, die dem Altbekannten jeden musealen Staub gründlichst aus der Jacke schüttelt.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Filme im Original


Sie sterben nicht aus. Kommt ausnahmsweise etwas wirklich sehenswertes im hiesigen Fernseh, das das Einschalten der Glotzmaschine lohnt und das ursprünglich nicht deutschsprachig ist, kommen sie aus ihren Löchern geschissen: Die Huchwiegebildeten, die bei so einer Gelegenheit mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks und in mehr oder weniger leicht herablassendem Tonfall sogleich darauf hinweisen, sie sähen sich fremdsprachige Filme ja grundsätzlich nur im Original an.

Dienstag, 22. Mai 2012

Return of the Tabubrecher


"Seine Thesen sind nur ein Mix aus Statistik und Vorurteilen" (Nils Minkmar, FAZ, 21.5.2012)

Zu Sarrazin fällt mir nichts ein. Der Mann hat seine Fangemeinde und er wird sie auch dieses Mal bestens bedienen. Bei seinen brüllvollen Lesungen wird es wieder zugehen wie in der Schalker Nordkurve. Auf den Kern heruntergebrochen, leiert der Ex-Bundesbanker eigentlich immer nur die gleichen zwei Thesen herunter: 1. Früher war alles besser, 2. Es steht schlimm um Deutschland. Dabei sind seine Thesen in all ihrer Schlichtheit gar nicht so sehr das Problem, sondern das Getöse, das seine Anhänger veranstalten. Einen Vorteil hat die ganze Sache diesmal: Das, was uns in nächster Zeit ins Haus steht, kommt nicht mehr überraschend.

Samstag, 5. Mai 2012

Schluss mit dem Doktor-Getue!


Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl ist bekanntlich über alle Maßen stolz auf seinen Doktortitel. "Für Sie bin ich der Herr Doktor Kohl!", pflegte er in bräsigem Pfälzisch zu blaffen, wenn es galt, sich bei unbotmäßigen Pressbengels Respekt zu verschaffen. Er erinnerte dabei an eine späte Kopie von Heinrich Manns Diederich Heßling, der das auch gern tat. Dass sich im Übrigen hartnäckig das Gerücht hält, Umfang und wissenschaftliche Bedeutung von Kohls Doktorarbeit - dass sie unter Verschluss gehalten wird, ist wirklich ein Gerücht - verhielten sich antiproportional zu der Bedeutung, die er selbst der Sache zugemessen hat, verleiht der Sache eine zusätzliche pikante Note.

Freitag, 27. April 2012

Niemand ist völlig unschuldig

Hervorragendes Feature von Ken Jebsen zu Anders Breivik, Medien und vielem mehr aus dem letzten Jahr. Vor ein paar Tagen bereits bei Paulinchen ist allein zu Haus, aber so hörenswert, dass ich mir erlaube, es hier noch einmal einzustellen:



Übrigens, liebe Norweger: Danke, danke, danke!


Sonntag, 1. April 2012

Mein Leben als Eindringling


Interessant, was man als kinderloser Mittvierziger, der normalerweise tagsüber arbeiten muss, auf seine alten Tage noch so alles lernen kann. Mir war klar, dass Frauen sich in den vergangenen Jahrzehnten ihre Freiräume erkämpft haben, teils gegen erheblichen Widerstand: Es gibt Frauenhäuser, Frauenparkplätze, Frauenbeauftragte, Frauensaunen, Frauenschwimmen im Hallenbad und so weiter. Einzig Frauenbuchläden scheinen mir in letzter Zeit ein wenig auf dem absteigenden Ast zu sein. Nicht klar jedoch war mir, dass es, abhängig von der Tageszeit, noch eine ganze Reihe weiterer Frauenrefugien gibt, in die man als Mann besser nicht seinen Fuß setzt, will man nicht von akuten Kastrationsängsten befallen werden.

Dienstag, 6. März 2012

Das psychopathische Manifest


Ayn Rands Ideen sind zum Marxismus der neuen Rechten geworden

George Monbiot

Man kann mit einigem Recht sagen, dass es so ziemlich die widerwärtigste Philosophie ist, die die Nachkriegswelt bislang hervorgebracht hat. Selbstsucht, heißt es, ist gut, Altruismus böse, Mitgefühl irrational und zerstörerisch. Die Armen sind selbst schuld, wenn sie sterben, die Reichen hingegen verdienen uneingeschränkte Macht. Wo immer das bisher ausprobiert wurde, ist es katastrophal und mit Pauken und Trompeten daneben gegangen. Trotzdem waren die Thesen der vor dreißig Jahren verstorbenen Ayn Rand noch nie so einflussreich wie heute.

Montag, 12. Dezember 2011

Die zunehmende Verlärmung der Welt


Was für ein Herdentier der moderne Mensch ist, lässt sich sehr schön an Dingen sehen von denen, niemand je geglaubt hat, dass sie jemals in Mode kommen würden. Zum Beispiel Biathlon. Früher war das eine Veranstaltung, die fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, abgesehen von ein paar angeglühten Einheimischen, die ihren Kater vom Vorabend auslüfteten. Aktiv wurde das betrieben von knorzigen Naturburschen mit seltsamen Namen wie Peter Angerer und Eirik Kvalfoss, die, wenn sie denn redeten, unverständliches Idiom sprachen und auf Langlaufskiern einsam durch verschneite Wälder ächzten. Alle paar Kilometer wurde angehalten, der auf dem Rücken mitgeführte Schießprügel zur Hand genommen und auf schwarze Scheiben geschossen, die bei dichtem Schneetreiben in der Ferne kaum auszumachen waren. Es wirkte alles so skurril und auf so rührende Weise altmodisch, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn da mit Vorderladermusketen rumgeballert worden wäre.

Ein kurzes sonntägliches Zappen durch die Kanäle offenbarte es mal wieder: Gegen das, was heutzutage beim Biathlon abgeht, ist das Dortmunder Westfalenstadion an einem Heimspieltag geradezu eine Oase der Ruhe. Biathlon ist offenbar hip bzw. angesagt. Das bedeutet, es zieht ein junges, erlebnishungriges Publikum der werberelevanten Zielgruppe an. Das wiederum bedeutet, dass eben dieses Publikum es zu einer Jubel-, Kreisch- und Brüllhölle degeneriert hat. Und wenn mal zwischendurch zwei Sekunden Ruhe herrscht, dann bölkt ein eigens angemieteter Anheizer mit Mikrofon die Menge an, gefälligst mal etwas lauter zu sein.

Dieses Schicksal teilt Biathlon mit anderen Sportarten, wie etwa dem Skispringen. Dort stürzten sich bis in die Achtziger leichtgewichtige Bubis, von denen die meisten aussahen, als dürften sie noch nicht Auto fahren und die von dem, was sie da taten, nicht leben konnten, unter höflichem Applaus des Publikums halsbrecherisch steile Hänge hinunter. Bei der Vierschanzentournee wurde es mal lauter, weil zur Anfeuerung traditionell die landestypischen Kuhglocken geschwungen wurden. Die Sieger kamen normalerweise entweder aus der DDR und redeten Sächsisch oder aus Finnland und hatten ein Alkoholproblem. In den späten Neunzigern kamen auf einmal ein paar Deutsche zu Erfolgen und plötzlich erkannte werbetreibende Industrie und Veranstalterbranche, welches Vermarktungspotenzial dort begraben lag. Dann kam RTL und kaufte die Übertragungsrechte, was alles noch schlimmer machte. Das Neujahrsskispringen in Garmisch, einstmals ein hervorragendes, auf der Couch liegend einzunehmendes Sedativum gegen den Neujahrskater, war zum Event hochgejazzt worden. Was so viel heißt wie: lang, laut, bunt und rummtata. Das Volk will schließlich was erleben. Mit einem schnöden Sportereignis ganz ohne Showblöcke, Feuerwerk und dicken Lautsprechern ist heute niemand mehr vom Sofa zu bewegen.

Etwas erleben, das heißt in diesen Zeiten: Krach schlagen und die Umwelt behelligen. Im Rudel, noch lieber in Massen. Denn der moderne Mensch hält es nicht aus mit sich selbst und leise kann er auch nicht. Sie nennen es: Party machen und Spaß haben. In der Praxis bedeutet das: Die Bierpulle im Anschlag irgendwas vollgrölen. Wenn kein Rudel da ist und die Lärmbolzen tatsächlich einmal allein sein müssen, zum Beispiel im Auto, dann ballern sie sich die Birnen mit dämlicher Bummsmusik voll. Noch nicht einmal Kinos sind vor ihnen sicher. Musste man sich früher nur mit Quasselstrippen und Chipstütenraschlern herumärgern, hat man es jetzt auch noch mit Hunderten im Dunkeln aufleuchtenden Smartphone-Bildschirmen zu tun. Deren Besitzer, die zudem nicht in der Lage zu sein scheinen, die Teile wenigstens auf lautlos zu stellen, müssen schließlich ihre komplette Facebook-Knalldeppenliste über das weltbewegende Ereignis, gerade in einem Kino zu sitzen, auf dem Laufenden halten.

Auch den stillen November, den Monat des Totengedenkens, halten sie nicht aus. Das ist ihnen nicht zuzumuten. Allerheiligen ist bei vielen abgeschafft und durch Helloween ersetzt, einen weiteren Vorwand, geräuschvoll die Sau rauszulassen. Vielerorts haben die Kirchen ihren Widerstand, gegen die Eröffnung der Weihnachtsmärkte vor dem letzten Sonntag des Novembers, älteren Generationen als Totensonntag bekannt, resigniert aufgegeben. Weil auch Gastronomie und Einzelhandel hervorragend an den konsumfreudigen Partymachern verdienen, ließ sich eine so wenig gewinnbringende Tradition kaum noch halten.

Zurück zum Sport: Tennis zum Beispiel war mir immer unsympathisch. Nicht der Sport selbst - eigentlich habe ich eine Schwäche für Sportarten, bei denen es gilt, einen Ball möglichst kunstvoll über ein Netz zu befördern - sondern wegen der Leute, die es spielten. Tennis war zu meiner Jugend etwas für bornierte Oberschichtbälger und die Mitgliedschaft im Tennisclub hatte für deren Familien oft weniger was mit Sport zu tun, sondern es war in erster Linie ein Mittel, dem normal verdienenden Pöbel unmissverständlich klarzumachen, dass man es geschafft hatte. Ab den Neunzigern begann das Profitennis den Tatbestand der Kindesmisshandlung zu streifen: Raffgierige Elternmonster drillten nach dem Vorbild osteuropäischer Kunstturn- und Eiskunstlauftrainer ihren Nachwuchs im Akkord zu hochgezüchteten, willenlosen Balldreschmaschinen, von denen die viele inzwischen verständlicherweise schwer einen an der Waffel haben. Eines aber ist mir beim Tennis immer sympathisch gewesen: Dass der Schiedsrichter ein zu ungebührlich sich benehmendes Publikum von Zeit zu Zeit zum Fressehalten auffordert.