Samstag, 28. Juli 2018

Jenseits der Blogroll - 07/2018


Es ist wieder Zeit für die Fundstücke aus den unendlichen Weiten des Netzes, auf die ich so gestoßen bin. Ist einigermaßen viel Lesestoff dieses Mal, denn der hier zuständige Blogger wird sich nächste Woche für ein paar Tage in den Urlaub verabschieden und wird diesen auch als kurze Auszeit vom Bloggen gestalten. Da soll die Zeit nicht zu lang werden. Übrigens: Geht es noch jemandem so? Jedes Mal, wenn so eine luftig gekleidete Wetterfee aus ihrem voll klimatisierten Studio heraus bestens gelaunt vom "herrlichen Sommerwetter" schwärmt, das wir gefälligst zu genießen hätten, werden die Gewaltphantasien, die einen dabei überkommen, krasser. Hey, dabei wollte ich gar nichts über das Wetter schreiben. Muss am Wetter liegen.

Politik. Da war ja mächtig was los die letzten Wochen. Seehofer zum Beispiel. Und Özil. Zu Seehofer hat sich am prominentesten Peter Hausmann geäußert, seines Zeichens unter anderem ehemaliger Chefredakteur des linksgrünversifften Umtrieben weitgehend unverdächtigen CSU-Parteiblatts 'Bayernkurier'.

Leo Fischer über so gut gemeinten wie folgenlosen Leer- und Formelaktivismus.

Kein schöner Gedanke, den Jan Philipp Hein da anspricht. In Teilen des deutschen Kabaretts blüht fröhlich der Antisemitismus.  Und niemand protestiert.
Die Soziologin Cornelia Koppetsch im Interview über linke Lebenslügen.

Wärmstens Empfohlen sei Stefan Sasses Artikelserie über Glanz und Elend der Sozialdemokratie
Teil 1: GrundlagenTeil 2: Aus der KriseTeil 3: Das goldene ZeitalterTeil 4: BacklashTeil 5: Der Dritte Weg
Ebenfalls von ihm eine 2013 erschienene Serie über Wirtschaftspolitik im 'Dritten Reich'. Wichtig unter anderem, weil es hier Argumente gibt gegen jene, die meinen, ohne das dumme Malheur mit den Juden sei die NS-Herrschaft ein Super-Erfolgsmodell gewesen und allen sei es besser gegangen und überhaupt.
Teil 1 - Teil 2 - Teil 3

Even Güvercin über türkische Identitäre und wie sie von der Causa Özil profitieren.

Apropos Özil. Kollege Flatter analysiert, wieso selbiger als Schuldiger am frühen Ausscheiden der Gurkentruppe noch am wenigsten taugt. Etwas gewählter formuliert man bei spielverlagerung.de.

Wirtschaft. Stephen Metcalf über Neoliberalismus und wie diese Idee die Welt verschlang.

Ab dem 1. September tritt in Österreich ein Gesetz in Kraft, das dauerhaft einen zwölfstündigen Arbeitstag ermöglicht. Die Österreichische Wirtschaftskammer (WKÖ) hatte vor einiger Zeit ein Video produziert, in dem über die Vorzüge des neuen Gesetzeslage für Arbeitnehmer informiert wird. Das Problem ist nur: Von sieben angeblichen Fakten, die die WKÖ nennt, sind sieben falsch. Kommt einem im Lande der INSM irgendwie seltsam vertraut vor.

Kultur und Medien. Jürgen Roth im Interview über den sprachlichen Schrott, der inzwischen als Sportberichterstattung durchgeht.

In Anbetracht des nächsten Links vorweg ein kleiner Exkurs:

Clubs, früher 'Diskotheken' oder 'Discos' genannt, sind eine weitgehend fremde Welt für mich. Um die Anzahl meiner bisherigen Besuche in solchen Etablissements zu visualisieren, reichen die Finger einer Hand bequem aus. Es muss schon einiges zusammenkommen, dass ich in die Laune komme, mich dergestalt rhythmisch zur Musik zu bewegen, dass ich mein Getränk abstellen muss. Als ich vor einigen Jahren auf einer kommerziellen Silvesterparty mit eingebautem Tanzvergnügen war und ich mich überreden ließ, zumindest zeitweise selbigem zu frönen (die Cocktails waren ausgesprochen preiswert), fiel mir als Tanzmuffel auf, dass zirka 8 von 10 Tanzenden nicht das geringste Rhythmusgefühl hatten, sich aber irre geil vorkamen dabei. Bei den anwesenden Frauen schien mit die Quote, proportional zum Grad des Aufgedonnertseins, sogar noch geringfügig höher.

Es hat sich mir noch nie erschlossen, was so toll ist daran, sich wahlweise in einem stickigen stockdunklen Loch oder einer vollgepfropften ehemaligen Fabrikhalle, wo man wegen der mit dem Schalldruck einer startenden F-16 abgespielten Umz!-Umz!-Umz!-Musik sein eigenes Wort nicht versteht, inmitten von selbstverliebten Wichtigtuern herumzudrücken, von denen mindestens die Hälfte irgendwelche obskuren psychoaktiven Arzneien eingeworfen hat, und das Ganze dann 'feiern gehen' zu nennen. Sich eine Flasche Wodka plus mehrere Liter Energydrink einhelfen und sich dann für den Rest der Nacht rhythmisch mit dem Gummihammer auf die Rübe geben ist bestimmt genauso lustig. Aber bitte, jeder wie er mag.

Ferner ist mir die Vorstellung fremd, mich zu einer Zeit, zu der ich auch als deutlich jüngerer Mensch normalerweise an der Matratze horchte, in eine Schlange zu stellen, um dann nach stundenlangem Warten von einem Türsteher nach intransparenten Kriterien willkürlich abgewiesen zu werden und mich im Morgengrauen wieder trollen zu dürfen. Was ist der Kick daran? Lust an der Unterwerfung, am Gedemütigtwerden? Der Spaß, am Montag den Schul-, Studien- oder Arbeitskollegen übermüdet aber stolz zu erzählen, wo man überall mal wieder nicht reingelassen wurde? Beziehungsweise doch endlich reingelassen? Können die nichts Sinnvolles tun? Egal, ich muss nicht alles verstehen. Bin ich halt ein Ignorant.

Was ich sagen wollte: Es sollte klar geworden sein, dass ich mit dem Geclubbe von jeher, sagen wir,  ein wenig fremdele. Was eine gute Nachricht ist für alle, die dem frönen, denn dadurch ist dort mehr Platz für sie. Deswegen lese ich auch Artikel wie den von Mesut Bayraktar zuweilen ganz gern. Wegen Exotik. Weil‘s so eine völlig fremde Welt ist für mich.

Maxim Biller über Literatur. In Deutschland.

Dagmar Leupold über intellektuelle Komfortzonen in Sozialen Medien.

Kulinarik und Genuss. Ludger Wess meint: Fleischverzicht ist erst der Anfang! Der Anbau von Produkten, die der Mensch nicht wirklich zum Leben braucht wie Braugerste, Hopfen oder Trauben vergeuden wertvolles Anbauland, das anderweitig zur Rettung der Menschheit verwendet werden könnte. „Und anders als bei Fleisch, das immerhin wertvolle Aminosäuren, Eisen und Mikronährstoffe enthält, ist Alkohol ernährungstechnisch vollkommen überflüssig. Kein Mensch braucht Alkohol, um eine beliebte vegane Parole einmal abzuwandeln.“ Und auch hier muss nicht Schluss sein. Für Tee, Kakao und Kaffee gilt nämlich ähnliches.

Normalerweise steht am Ende ja immer ein Kochrezept. Nur, was soll man groß kochen bei der Bruthitze? Schwierig, wenn man wie ich Rohkost eher als Kaninchenfutter betrachtet und immer nur Sandwiches bzw. auf gut deutsch Butterbrote langweilig findet. Andererseits scheidet so ziemlich alles aus, was Räume zusätzlich aufheizt, weil ein Ofen oder Herd eingeschaltet werden muss. Somit auch der köstliche Salade niçoise, denn dazu braucht‘s nun mal gekochte Bohnen und Kartoffeln. Grillen? Ja, ganz nett, aber bitte nicht jeden Tag. Braucht man Garten/Terrasse/Balkong für. Hat man‘s, wären die Nachbarn auf Dauer nicht sonderlich erfreut, hätten dabei auch das Recht auf ihrer Seite. Oder man wohnt sehr abgelegen. Fruchtsuppen oder Kaltschalen? Auch die müssen meist vorgekocht und über Nacht gekühlt werden. Andere für sich kochen lassen und draußen sitzen ist natürlich eine Alternative. Allerdings eine, die auf lange Sicht gut ins Geld geht.

Nach gründlichem Abwägen aller Faktoren bleibt eigentlich nur eines:

Smørrebrød.

Ist zwar auch irgendwie ein Butterbrot, wenn auch ein gourmetmäßig getuntes, aber allein die Abwechslung macht das locker wieder wett.

Aber warum eigentlich immer nur das Naheliegende tun? Wer richtig mutig ist, macht es wie die Einwohner von Gegenden, in denen es immer brüllend heiß ist. So kann man sich zum Beispiel ein brontal scharfes indisches Fischcurry bereiten. Das und der begleitende Reis müssen zwar auch gekocht werden, aber darauf kommt es nicht an, denn nach dem Essen muss man eh duschen. Und schwitzt dann erst mal nicht mehr. Die sind nämlich gar nicht so blöd da in den tropischen Gegenden.




5 Kommentare :

  1. Der Link zu Cornelia Koppetsch funktioniert nicht.

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  2. Jan-Philipp Hein mag Uwe Steimle nicht.

    Er zitiert ihn mit „Wieso zetteln die Amerikaner und Israelis Kriege an und wir Deutsche dürfen den Scheiß bezahlen?“ und begibt sich sogleich – „der Satz gehört dechiffriert“ – auf Analyse. Zwei geschlagene Absätze, die sich auf die Forderung zusammestreichen lassen: „Mehr Feingefühl! Mehr Takt!“

    Stefan, warum kommt Hein nicht in deine Ronny-Liste? Verdient hätte er es.

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    1. Nein, hat er definitiv nicht. Es sei denn, man ist der Meinung, jemand, der mehr oder minder latente Antisemiten mit bräunlichen Sprenkeln kritisiert, sei deswegen der wahre Nazi. Das würde dann aber ein Mindset offenbaren, das einen selbst auf die Kandidatenliste brächte.

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    2. Dass er sich eingangs ausgiebigst über Steimle als „Gekränkten“ auslässt, deutet stark auf Antipathie. Siehst du das anders? Dann sind wir halt uneins. Nicht schlimm.

      Zu den benannten Absätzen im Detail:

      „Der Satz gehört dechiffriert, weil er tiefe Einblicke in antisemitische Gedankengebäude zulässt.“ – Hört sich für mich an, als wüsste Hein schon vorher alles, anstatt die Lösung nach einer Schritt-für-Schritt-Dechiffrierung zu präsentieren.

      „Das alles verbirgt sich hinter Steimles Showeinlage: Die Juden (Israel) setzen mal wieder die Welt in Brand.“ Steimle sagte nicht Juden, sondern Israelis. Hein sagt sinngemäß, dass Steimle in Wahrheit Juden meint. Lieb, dass er für mich fürsorglich mit denkt.

      „Die Mittel, das zu tun, pressen sie den Deutschen ab, die „den Scheiß bezahlen.“ – Sagt Hein, nicht Steimle. Er versäumt die Gelegenheit, die Aussage auf wahr oder falsch abzuklopfen.

      „Warum das bezahlt wird, ist natürlich klar: Weil die Deutschen wegen des Holocaust ein schlechtes Gewissen haben, aus dem die Juden bekanntlich seit Jahrzehnten Profit schlagen.“ – Das ist der Tanz der Assoziationen. Reichhaltig, gelle? Aber es sind Heins Assoziationen, nicht Steimles. Klassische Projektion.

      Es kommt Hein keinen Augenblick die Idee, Steimles Sätze mit der – wirklich aggressiven – Expansions- und Interventionspolitik des Staates Israel (aber nicht des Volkes der Juden) in Verbindung zu bringen.

      Mit dem gleichen – nein: besserem – Recht könnte ich Steimle so interpretieren: Jetzt haben die Juden einen eigenen Staat, und kümmert sich nicht im Geringsten um friedliches Auskommen mit den Nachbarn und folglich der Sicherheit seiner Bürger; es riecht nach Blut und Tod.

      Wobei. Steimles Kernelement nicht Israel, sondern die Deutschland; Schlüsselsatz: „Was ist der Unterschied zwischen den Russen und den Amis? Die Russen sind wir los!“

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