Mittwoch, 17. April 2019

Notre-Drama


Die Berichterstattung über den Brand in Notre-Dame war überwiegend ärgerlich und offenbarte zudem einen beklagenswerten Mangel an kulturellem Horizont in den Redaktionen.

Medienschelte ist sicher müßig, aber eben leider auch nötig. So auch anlässlich des Brandes in Notre-Dame in Paris. Zu loben ist hier ausdrücklich die ARD, die keinen 'Brennpunkt' gesendet hat. Warum, ist egal, die Entscheidung war richtig. Nicht nur wegen des Wortspiels. Denn was bitteschön, hätte man, wie Thomas Laschyk richtigerweise fragt, am Dienstagabend schon groß berichten sollen, außer dass es brennt, die Löscharbeiten im Gange sind und man noch nichts Genaues weiß? (Zumal man bereits früh wusste, dass es keine Toten und nur einen Verletzten gegeben hatte.) Den 450. betroffenen O-Ton einspielen? Kann man machen. Informationswert? Unbekannt. Vermutlich nicht hoch.

Nun gut, auch in Redaktionen sitzen letztlich nur Menschen, die im Zweifel auch überfordert sind bei so einem Ereignis. Und vermutlich über schandbar wenig kulturelle Bildung verfügen. Oder zumindest jene so genannte 'Allgemeinbildung', die einen nicht sofort jeden Bullshit glauben und nachplappern lässt. Ärgerlich wurde es nämlich am nächsten Tag. Als das Feuer gelöscht war, wäre es an der Zeit gewesen, sich um Fachleute zu bemühen, die das Geschehen fundiert und nüchtern hätten einordnen können. (Hat man teils auch gemacht. Aber ein kurzer Blick z.B. hierhin hätte vielerorts etliche Peinlichkeiten vermeiden geholfen.)

Das hätte bedeuten können, etwa darauf hinzuweisen, dass das kunsthistorisch wertvollste an Notre-Dame, wenn man denn schon so eine Hierarchisierung vornehmen möchte, die steinerne gotische Bausubstanz ist. Die wohl auch größtenteils gerettet wurde. Wertvolle Innenausstattung a.k.a. "unersetzliche Kunstschätze" gibt es da im Vergleich gar nicht so viel. Wie übrigens in fast allen französischen Kathedralen, mit Ausnahme der von Chartres. Eindrucksvolle, großartige Bauten allesamt, keine Frage, aber eben auch ziemlich nackt. Weil das meiste während der Revolution entfernt/zerstört/veräußert wurde.

Überhaupt setzte die Wertschätzung für Notre-Dame erst im 19. Jahrhundert ein. 1793 zum 'Tempel der Vernunft' umgewidmet, danach noch als Weinmagazin genutzt, verfiel die Bude ziemlich und war quasi abbruchreif. 1831 dann erschien Victor Hugos Notre-Dame de Paris (bei uns bekannt als 'Der Glöckner von Notre-Dame'). Ab 1844 wurde der Bau unter der Leitung von Eugène Viollet-le-duc im Stil des 19. Jahrhunderts renoviert und ausgebaut. Unter anderem erhielt die Kirche erst da ihren hölzernen Dachreiter, der vorgestern so spektakulär einstürzte.

Und die mittelalterlichen Fenster? Auch längst nicht mehr original. Das alte Buntglas war schon im 18. Jahrhundert entfernt und größtenteils gegen schnödes weißes Fensterglas ersetzt worden, weil man den Raum zu dunkel fand. Was wir heute an bunten Fenstern sehen, ist überwiegend 19. Jahrhundert. Von Reliquien abgesehen, ist das künstlerisch wertvollste einzelne Ausstattungsstück tatsächlich die Hauptorgel auf der Westempore mit ihrem in Teilen noch spätmittelalterlichen Pfeifenmaterial.

So was erfuhr man kaum. Statt dessen wurden geschockte Gesichter gezeigt und es wurde in einer Tour quasiesoterisch-gefühlig herumgeschwurbelt. Wie Paris und ganz Europa "im Herzen" getroffen seien. Die Bedeutung der Kathedrale als kulturelles Symbol Frankreichs bzw. ganz Europas wieder und wieder hervorgehoben. Dämliche "Wie fühlen Sie sich jetzt?"-Fragen gestellt. Das ist ja alles nicht ganz falsch oder nur schlecht, denn natürlich waren viele geschockt. Es entstand aber der Eindruck, dass es weniger darum ging, dem Schrecken, der vielen, auch mir, am Dienstag angesichts der dramatischen Bilder in die Glieder gefahren war, mit Fakten zu begegnen. Vielmehr schien es darum zu gehen, den Schrecken möglichst lange weiter am Kochen zu halten, um möglichst viel Programm vollzubekommen. Qualitätsjournalismus eben.

Subtrahiert man die ganze Panikmache und das ganze Betroffenheitsgehuber, dann bleiben folgende fünf berichtenswerte Fakten übrig:

  • Die Pariser Feuerwehr scheint vieles richtig gemacht und ausgesprochen professionell gehandelt zu haben. Dafür gebührt ihr Dank und Respekt.
  • Es wurde ein Mensch leicht verletzt. Es ist eine gute Nachricht, dass nur so wenig passiert ist.
  • Am Gebäude sind zwar Schäden entstanden, aber unterm Strich hätte alles viel, viel schlimmer kommen können.
  • In fünf, spätestens in zehn Jahren wird die Kathedrale in alter/neuer Schönheit vollständig wiederhergestellt sein.
  • Einige unter Frankreichs Superreichen sind sehr großzügig. Mit dem Geld, das sie zuvor anderen abgenommen und anstrengungslos gemehrt haben.

Und noch eine kleine Information für all jene Blitzbirnen, die von Terror faseln oder Brandstiftung, vom 'französischen 9-11', die in dem Brand vom Dienstag unbedingt ein Menetekel sehen wollen für den Niedergang des Christlichen AbendlandesTM oder ähnliches: Die meisten Kirchen in Europa sind zuletzt im Zeitraum von 1939 bis 1945 ausgebrannt. Hat das Christliche AbendlandTM damals ganz allein hinbekommen, ohne Offene GrenzenTM, Multikulti- und Genderwahn. Und weil das so ist, haben wir Europäer auch ein Riesen-Knowhow, wie man solche Schäden schick und schnell wieder behebt. Wir schaffen das!




5 Kommentare :

  1. Unterschreibe ich dir zu 100%

    Schöne Ostern

    Hades

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  2. Einige unter Frankreichs Superreichen sind sehr großzügig.

    Eben Feudalismus 2.0. Lief auch zur Zeit der Grundsteinlegung des Referenzbauwerks nicht anders ab ;)

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  3. "Die Pariser Feuerwehr scheint vieles richtig gemacht und ausgesprochen professionell gehandelt zu haben. Dafür gebührt ihr Dank und Respekt."

    Die haben das gemacht, was ihnen in der Situation und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln überhaupt möglich war.

    Die Frage, ob der Brandschutz bei diesen Renovierungsarbeiten mit Schweissbrennern überhaupt ausreichend war, die wird natürlich nicht mehr gestellt.

    Da kann sich die Staatsanwaltschaft mal wieder zurücklehnen und nach "fahrlässiger Brandstiftung" bei denen suchen, die da ihren Job gemacht haben.

    Wo waren eigentlich die Brandschutzexperten und die Aufseher, die solche Arbeiten überwachen müssen ?

    Das die L'Oréal dem Macron Geschenke macht, nachdem er ihnen die Abgaben an den Staat so schön versüsst hat, nicht ungewöhnlich.

    Wer erinnert sich noch an Sarkozy und die Wahlspendenaffäre mit der grossen Dame von L'Oréal, Madame Bettencourt?

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    1. Puh, das mit den Aufsehern und Brandschutzexperten ist nicht so einfach. Unser Sicherheitsbeauftragter meinte, ein Schwelbrand könne sich bilden und einige Zeit vor sich hin kokeln, ohne groß aufzufallen. Ein paar gesetzlich vorgeschriebene Wachleute bringen da nicht viel.
      Nicht uninteressant vielleicht noch die Information, dass sich in Frankreich Spenden für das nationale Kulturerbe sehr steuermindernd auswirken (66prozentige Anrechnung auf die ESt).

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