Dienstag, 27. Oktober 2020

Next Präsi

 
Für Nicht-Fachleute (so wie mich) ist das US-amerikanische Politsystem eher schwer zu durchschauen. So fokussiert man sich in Europa sehr auf Donald Trump. Dabei geht meist völlig unter, dass die viel größere Gefahr von dem völlig skrupel- und gewissenlosen Mitch McConnell ausgeht. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat hatte schon früh erkannt, das Präsidenten kommen und gehen, die wahre Macht daher in der Zusammensetzung der Gerichte liegt.

Und so konnte er heute seinen größten, seit langem vorbereiteten Erfolg feiern: Mit der Vereidigung von Amy Coney Barrett als Richterin am Supreme Court sind die Demokraten auf Jahrzehnte im strategischen Nachteil: Nicht nur müssen sie mit dem absurden Gerrymandering klarkommen, mit dem die Republikaner die Wahlkreise zu ihren Gunsten manipuliert haben, sie sehen sich jetzt auch einer Jurisdiktion gegenüber, die in der Lage (und willens) ist, viele ihrer politischen Entscheidungen wieder zu kassieren. Dabei ist Barrett ist nur die Spitze des Eisbergs. Durch kluges Strippenziehen ist es McConnell gelungen, in den letzten Jahren insgesamt 107 Stellen an Bundesgerichten in seinem Sinne neu zu besetzen. Ein stiller Staatsstreich.

Apropos: Auch die Parteien spielen eine völlig andere Rolle als in vielen anderen Ländern. Die Demokratische Partei ist im Gegensatz zu den Republikanern zwar nicht rechtsextrem und man fühlt sich dort zumindest noch einigermaßen an so etwas wie politischen Komment gebunden. Ansonsten gehört sie genauso Milliardären und Multimillionären, die sich über Spenden Einfluss und politische Entscheidungen kaufen wie die Republikaner. Nur sind das eben eher Vertreter der New Economy, die weniger Probleme mit Diversity, Cannabis-Legalisierung und LGBT-Rechten haben.
 
Jörg Wimalasena lebt seit mehreren Jahren als Korrespondent in den USA und schreibt von dort für verschiedene Zeitungen. Im Gespräch mit Wolfgang J. Schmitt meint er, sollte Joe Biden nächste Woche Präsident werden, dann werde sich außer am Tonfall, in dem US-Politik, vor allem Außenpolitik, gemacht werde, nicht viel ändern. Das und vieles mehr erfährt man im knapp einstündigen, hoch interessanten Gespräch.
 
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Ach ja, und wer Hoffnungen in Kamala Harris setzt, könnte ziemlich enttäuscht werden.
 




5 Kommentare :

  1. amerika kann mich mal am arsch lecken.

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  2. Das Bescheuerte ist ja, dass das System dort so unübersichtlich verquast und festgefahren ist. Da die weiße ländliche Bevölkerung systematisch überrepräsentiert ist, haben die Reps einen grundsätzlichen Vorteil, den sie - wie vom System vorgesehen - ganz ungeniert zur Festigung ihrer Positionen nutzen, z.B. durch das idiotische Gerrymandering, durch systematisches Sabotieren der Stimmabgabe für mehrheitlich Dem-orientierte Wähler und eben durch die Strippenzieherei von gewissenlosen Strategen wie McConnell. (Allein der Umgang mit SCOTUS-Neubesetzungen ein Dreivierteljahr vor der Wahl 2016 und Tage vor der Wahl 2020 lässt tief blicken!) Da wird sich wenig ändern, sogar bei flächendeckenden Erdrutschsiegen der Dems (die nicht abzusehen sind).

    Dass Biden, der als sehr konservativer Politiker in vielem bei den Reps wohl bis weit in fundamentalistisch orientierte Kreise anschlussfähig ist, viel ändern wird, steht wohl tatsächlich nicht zu erwarten. Vielleicht schafft er es wenigstens, die ganzen verwaisten Stellen in den Ministerien zu besetzen und nicht konsequent Böcke zu Gärtnern zu machen. Schon das würde einen riesigen Vorteil gegenüber Nr. 45 darstellen, selbst wenn sich an den Grundlinien der Politik wenig ändern sollte.

    Was Harris angeht - warten wir ab, ob sie überhaupt groß zum Zug kommt. Vielleicht hält Biden, wenn er denn gewählt wird, die Amtszeit durch. Ansonsten gilt nach wie vor: Biden und Harris, ganz egal, beide sind weniger schlimm als Trump.

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    1. Begründet wird das von den Republikanern übrigens damit, dass die USA keine Demokratie, sondern eine Republik seien. Sollte man im Hinterkopf behalten, wenn die US Army wieder einmal hinausgeschickt wird in die Welt, um Democracy zu verbreiten.

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