Mittwoch, 19. Mai 2021

Kick it like Lewa

 
Das unwürdige Schauspiel um die Doktorarbeit von Ex-Familienministerin Giffey hat glücklicherweise ein Ende. Obwohl sie auch im Abgang leichte Symptome von Morbus Merz zeigt ("Ich habe soeben krachend eine Abstimmung verloren, deswegen ist der nächste logische Schritt, dass ich Minister werde."). Frau Giffey möchte sich weiterhin im September als Regierende Bürgermeisterin von Berlin zur Wahl stellen. Soso. Ein Vergesslichkeitstest für den Urnenmichel. Oder besser: die Micheline. Wetten, wir werden im Wahlkampf eine Menge darüber hören, wie tapfer, honorig und würdevoll sie als Frau das gemanagt hat in dieser patriarchalen Maskuscheißdreckswelt, die ihr mit miesen Methoden ans Leder wollte, nur weil sie eine Frau ist?

Ceterum censeo: Das dümmliche deutsche Gehuber um den Doktorgrad gehört in die Tonne mit dem historischen Sondermüll. Doktor nach angelsächsischem Vorbild verwenden, nämlich als ein an eine Forschungstätigkeit gebundener Titel (Ableitung: Doktor wird nicht mehr geführt, wenn Forschungstätigkeit vorbei) und gut. Dürfte eine Menge Muff aus der Bude lassen.

Was ist ein Doktorgrad wert, was bleibt noch übrig, wenn welche promovieren ohne jede Absicht, jemals forschend/wissenschaftlich tätig zu sein, sondern allein auf einen Karrierebeschleuniger aus sind? Eine Art Charaktertest, bestenfalls. Ein hochgradig unsozialer nebenbei. Man zeigt, dass man ausdauernd und diszipliniert genug ist (und ggf. über die nötigen Ressourcen verfügt), eigenständig (!) eine längere Arbeit zu verfassen, vif genug, eine neue Erkenntnis herauszubrutzeln und integer genug, sich dabei an die wissenschaftlichen Standards des korrekten Zitierens zu halten. Obwohl sie vielleicht weniger dreist plagiiert hat als andere, hat Frau Giffey zumindest eine der drei genannten Latten gerissen. Mehr gibt es nicht zu sagen.

Wieso, fragt sich, hat sie es sich auch so verteufelt schwer gemacht mit dem drögen Theoriekram? Sie hätte doch einfach über sich selbst und ihren so ruhmreichen wie steinigen Weg an die Schalthebel der Macht promovieren können. Hat Robert Lewandowski 2017 so gemacht. Dessen Abschlussarbeit an der Sporthochschule Warschau trug den Titel: 'RL9 -- Der Weg zum Ruhm'. Begründung: "Die Arbeit erzählt die Geschichte seiner Fußballkarriere vom kleinen Jungen in den Straßen zu einem großen Star des internationalen Fußballs" -- so wird Marek Rybinski zitiert, einer der Prüfer, der Lewandowskis Arbeit mit Bestnoten bewertete (und, wie die anderen Prüfer auch, zur Verteidigung in den polnischen Nationalfarben Rot und Weiß gekleidet war).

Lernen von Lewa: Wissenschaft muss nicht trocken sein. Und: Immer über das schreiben, mit dem man sich am besten auskennt. 

(Natürlich hinkt der Vergleich ein wenig, denn es handelte sich bei dem akademischen Elaborat des Rekordtorschützen nicht um eine Doktor-, sondern bloß um eine Abschlussarbeit. Die Promotion wird er vermutlich noch nachreichen. Thema: 'RL9 -- warum ich besser bin als CR7'.)





5 Kommentare :

  1. Hallo Stefan,
    ich schätze deine Schreibe außerordentlich. Du argumentierst kenntnisreich, gelassen, mit Wortwitz und dem Herz am rechten Fleck (wenn du mir diese altmodische Bemerkung erlaubst).

    Aber: "...Wetten, wir werden im Wahlkampf eine Menge darüber hören, wie tapfer, honorig und würdevoll sie als Frau das gemanagt hat in dieser patriarchalen Maskuscheißdreckswelt, die ihr mit miesen Methoden ans Leder wollte, nur weil sie eine Frau ist?..."

    Der AfD Abgeordnete Martin Trefzer hat zu Giffeys Doktorarbeit fünf große Anfragen, unterteilt in 260 Einzelfragen ans Abgeordnetenhaus gestellt, um den "Ball am rollen" und in der Öffentlichkeit zu halten.

    Eine beliebte Taktik dieser direkt aus der Hölle der patriarchalen Maskuscheißdreckswelt kommenden Drecksscheiß- Partei (in der auch fürchterliche Frauen ihr Unwesen treiben).

    So überzog die AfD das Abgegordnetenhaus auch mit Anfragen zu "Auslandskonten" eines Berliner Frauenvereins - die selbstverständlich über keine Auslandskonten verfügen - aber das Abgeordnetenhaus muss jeder Anfrage nachgehen, so hirnverbrannt und tendenziös sie auch ist.

    Giffey ist man ans Leder gegangen, weil sie eine ernstzunehmende Komkurrenz im Kampf um das Bürgermeisteramt in Berlin ist und nicht weil sie eine Frau ist. Als Bundesministerin hat man sie jetzt erledigt und die Gazetten in Berlin schreiben fleißig, sie sei jetzt nicht mehr tragbar, wegen ihres Betrugs.

    Honi soit qui mal y pense

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    1. iebe Annika, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin natürlich kein genauer Kenner der Berliner Verhältnisse. Mir persönlich ist es übrigens egal, ob jemand, der es bei der Doktorarbeit mit den wissenschaftlichen Standards nicht so genau nimmt, männlich, weiblich, divers oder sonstwas ist. So was geht nicht und es ist gut so, dass das inzwischen immer öfter auch herauskommt. Das ist kein Kavaliersdelikt und ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich jahrelang seriös mit ihrer Dissertation herumschlagen. Und wie korrektes Zitieren geht, wurde mir damals im ersten Semester beigebracht (und ist, nebenbei, auch nicht wirklich kompliziert bzw. rasend schwer zu erlernen, im Gegenteil).

      Im übrigen bin ich auch der Meinung, dass die betreffenden Universitäten sich auch mal kritische Fragen gefallen lassen sollten darüber, was die da so alles als Doktorarbeit durchwinken.

      Es geht vor allem darum, dass es mir angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre mit aufgeflogenen Doktorarbeiten völlig unverständlich ist, wie eine einigermaßen erfahrene, professionelle Politikerin wie Frau Giffey (die mir übrigens als eine der Kompetenteren ihrer Zunft erscheint) derart herumeiern konnte. Etwa, dass sie zwischendurch so tat, als könne sie darüber entscheiden, den Titel/Grad nicht mehr zu führen. Alle Erfahrung zeigt doch, dass sie, als die ersten Vorwürfe laut wurden, von vornherein transparent und proaktiv (brrr!) agiert hätte, sie auch eine Chance gehabt hätte, halbwegs aus der Sache herauszukommen. Und die Dreckssc***ß-Partei (in der auch fürchterliche Frauen ihr Unwesen treiben) hätte sich ihre dämlichen Anfragen wohin schmieren können.

      Zudem sind bislang überwiegend Konservative und Liberale aufgeflogen. Ist es da wirklich so unerwartet, dass man sich doppelt vehement reinhängt, wenn es endlich auch mal eine von der SPD erwischt?

      Und meine Wette mag etwas zugespitzt formuliert sein, aber für ausgeschlossen halte ich das nicht.

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  2. Hi Stefan,

    ich zitiere dich noch mal: ..."Alle Erfahrung zeigt doch, dass sie, als die ersten Vorwürfe laut wurden, von vornherein transparent und proaktiv (brrr!) agiert hätte, sie auch eine Chance gehabt hätte, halbwegs aus der Sache herauszukommen."...

    Nach Aufkommen der ersten Vorwürfe hat sie sofort die FU beauftragt, ihre Arbeit zu überprüfen. Das nenne ich mal proaktiv und transparent. Der Rest ist bekannt.

    Nur: wann immer die FU Berlin entschieden hat, sie könne ihren Titel behalten, wurde sie erneut durchs Dorf getrieben. Und man sollte beachten, WER sie getrieben hat.

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    1. Ich gebe dir insofern recht, als dass die Berichterstattung eines ganz bestimmten Organs der Niedertracht in dieser Sache zum Himmel stinkt.

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  3. Danke dir für den Link. Ich warte auf den Tag, an dem die AfD salonfähig für das Blatt aus der Hölle wird. Lang kann's nicht mehr dauern.
    So, genug gezetert.

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